manuelletherapie 2012; 16(01): 8
DOI: 10.1055/s-0032-1304753
Forschung kompakt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Manualtherapeutische Behandlung von Musikern

C. Zalpour
1   Institut für angewandte Physiotherapie und Osteopathie, INAP/O – Hochschule Osnabrück
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Prof. Dr. Christoff Zalpour

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Publication Date:
22 February 2012 (online)

 

Unabhängig vom Instrument und der Musikart sind Musiker sensomotorische High-performer – insbesondere was die feinmotorische Kontrolle, Perzeption und Koordination angeht –, und damit durchaus mit Leistungssportlern zu vergleichen. Auch das zum Teil völlig unergonomische Design der (z. T. klassischen) Instrumente, die langen täglichen Übungszeiten und die wiederholte psychische Belastung (von Lampenfieber bis zur manifesten Auftrittsangst) sind wichtige Kofaktoren für die Entstehung musikerassoziierter Beschwerden [9], [10].

Große Erhebungen zeigen eindeutig, dass Musiker vor allem über (neuro-)muskuloskelettale Beschwerden klagen und nur in den seltensten Fällen auf ein musikerphysiotherapeutisch geschultes Ohr treffen [5], [8], [13], [14]. Auch wenn die ersten deutschsprachigen Quellen zum Thema Musikerbehandlung und Physiotherapie vor allem auf das Konzept der funktionellen Bewegungslehre (Functional kinetics) nach der Schweizer Physiotherapeutin Klein-Vogelbach [6], [7] zurückgehen, stellt die Manuelle Therapie in all ihren Facetten eine bedeutende Anwendungsform effektiver Physiotherapie bei Musikern dar [4], [15].

Die nachfolgende vom Autor entworfene Synopsis, die auf einer Auswertung mittels systematischem Review von Böckelmann und Schneyder [2] fußt, listet die häufigsten sich in verschiedenen Organsystemen manifestierenden Musikererkrankungen auf. Es fällt auf, dass nicht nur der Haltungs- und Bewegungsapparat am stärksten, sondern am zweitstärksten das Nervensystem [1], [3] betroffen ist; kurzum also das neuromuskuloskelettale System, die natürliche Zielregion effektiver Physiotherapie, insbesondere Manualtherapie. In [Tab. 1] wird die Bedeutung der physiotherapeutischen Intervention dargestellt und in der letzten Tabellenspalte exemplarisch erläutert.

Tab. 1

Bedeutung der physiotherapeutischen Intervention.

Erkrankung (in priorisierter Reihenfolge, Einteilung nach Böckelmann u. Schneyder [2] )

Bedeutung der physiotherapeutischen Intervention

Physiotherapiemethoden, Techniken (beispielhaft)

Haltungs- und Bewegungsapparat:

  • chronische Überlastungssyndrome

  • Bewegungsstörungen

+++

+++

  • Manuelle Therapie, Kälte-/Wärmetherapie, Massage, Lymphdrainage, kompensatorische Trainingstherapie, Entspannungstechniken

  • Manuelle Therapie, Osteopathie, Kälte-/Wärmetherapie, Massage

Nervensystem:

  • Nervendruckschädigungen

  • fokale (Hand)Dystonie

+++

x

  • Nervenmobilisation, Manuelle Therapie, Osteopathie, Entspannungstechniken

  • Bewegungstraining, Sensomotorikschulung, Entspannungstechniken

Psyche und Psychosomatik

++, x

Entspannungstechniken, Body awareness

Lärmschwerhörigkeit

x

Entspannungstechniken

Haut (Kontaktekzeme)

0

andere, z. B. CMD (kraniomandibuläre Dysfunktion)

+++

spezielle Manuelle Therapie, z. B. nach dem CRAFTA-Konzept [11], [12]

0 = keine Bedeutung; +++ = hohe Bedeutung; x = keine primäre Physiotherapie, aber physiotherapeutische Mitbehandlung

Eine spezielle Musikerphysiotherapie – auch aus manualtherapeutischer Perspektive – ist bisher in Deutschland nicht etabliert, obwohl sich ihre Notwendigkeit aus der hohen neuromuskuloskelettalen Belastung von professionellen Musikern einerseits und den hier ansetzenden manualtherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten andererseits leicht ableiten lässt.

Weltweit zum 1. Mal wird dem gesamten Thema der Musikerbehandlung aus physiotherapeutischer Sicht (und im weiteren Sinne auch ergotherapeutischen und logopädischen Perspektive) ein internationaler Kongress gewidmet (www.musicphysio-congress.hs-osnabrueck.de; [Abb. 1]), der vom 16.–18. März 2012 an der Hochschule Osnabrück stattfindet und mit namhaften Referenten aus Europa und Übersee (USA, Australien, Kanada) und natürlich Deutschland aufwarten kann. Nutzen Sie die Gelegenheit zu einem fachlichen Dialog in wissenschaftlichen Vorträgen, Diskussionen und vor allem praktischen Workshops.

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Abb. 1 Logo des MusicPhysio-Kongresses.


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