Der Zusammenhang zwischen erhöhten Cholesterinwerten im Blut und der Entstehung und
Ausformung arteriosklerotischer Erkrankungen ist seit Jahren beschrieben und unbestritten.
Vielfältige Studien und Analysen zur Mortalität und Risikoreduktion innerhalb der
Gruppe der cholesterinsenkenden Medikamente konnten den Effekt der Cholesterinsenkung
auf die Folgeentwicklung bestehender arteriosklerotischer Erkrankungen belegen. Allerdings
bleibt die Frage offen, wie hoch die Absenkung des Cholesterins ausfallen müsse, um
einen maximalen Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen zu erzielen. Dieser Artikel
soll dazu anregen, die Frage zu diskutieren, ob die Cholesterinabsenkung allein eine
wirksame Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen ist, oder ob es nicht doch an der
Zeit ist, einen multiplen Ansatz in der Behandlung der Arteriosklerose zu favorisieren.
Die Behandlung der Arteriosklerose
Die Behandlung der Arteriosklerose
Die mittlerweile als gesichert geltende Erkenntnis, dass ein zu hoher Cholesterinspiegel
die Entstehung der Arteriosklerose begünstige, wird heutzutage nicht mehr ernsthaft
bestritten. Die Cholesterinhypothese entwickelte sich über einen langen Zeitraum.
Mit dem Aufkommen der Statine erreichte sie in den 1990er-Jahren einen vorläufigen
Höhepunkt. Parallel dazu wurden invasive, extrakorporale Blutreinigungsverfahren zur
Cholesterinsenkung entwickelt. Die H.E.L.P.-Apherese ist das einzige LDL-Aphereseverfahren,
das nach arzneimittelrechtlichen Richtlinien und – neben -einem anderen Verfahren
– in den USA durch die FDA zugelassen ist. Die H.E.L.P.-Apherese konnte bald zeigen,
dass die 60-prozentige Absenkung des Cholesterinwerts und weiterer arteriosklerotischer
Kausalfaktoren, wie Fibrinogen, Triglyzeride und Inflammationsparametern die kardiovaskuläre
Mortalität signifikant reduzieren konnten (Abb. [
1
], [
2
]).
Abb. 1 Die Wirksamkeit der H.E.L.P.-Therapie.
Abb. 2 Die Koronarperfusion ist sowohl 20 Stunden nach einer H.E.L.P.-Behandlung relativ
zum Wert vor der Therapiesitzung als auch absolut nach einem 9-monatigen Behandlungsintervall
erhöht.
Schon damals wurde im Zusammenhang dieser Ergebnisse diskutiert, ob die Absenkung
des LDLs alleine den Effekt bewirkt hatte, oder ob nicht weitere Faktoren – sogenannte
pleiotrope Effekte – mit eine Rolle spielten [
1
], [
2
].
Cholesterinsenkung:
Je höher, desto besser?
Cholesterinsenkung:
Je höher, desto besser?
In den letzten Jahren zeigten Studien und Metaanalysen zur klinischen Wirksamkeit
der medikamentösen cholesterinsenkenden Therapie z. T. erstaunliche Resultate. Der
Cholesterinsenker Ezetimib in der Monotherapie zeigte im Vergleich zum Placebo keinerlei
Unterschied in der klinischen Wirksamkeit (ENHANCE[
1
]-Studie 2008, Votum des G-BA), obwohl Cholesterin abgesenkt wurde. Die PROVE-IT[
2
]-Studie [
3
] zeigte, dass die Verdoppelung der Statindosis keinen nennenswerten Effekt auf die
klinischen Outcome-Daten hatte. Auch in der "A-to-Z"-Studie [
4
] spielte die Höhe der Statindosis in den Outcome-Daten keine Rolle.
Eine präventive Wirkung in der Entwicklung kardiovaskulärer Komplikationen bei Hämodialysepatienten
konnten -ebenfalls nicht nachgewiesen werden (AURORA[
3
]-Studie) [
5
]. Erst die JUPITER[
4
]-Studie [
6
] konnte einen Einfluss auf die Mortalität der Patienten belegen – kurioserweise aber
nicht durch die Höhe der Cholesterinsenkung, sondern in Abhängigkeit zur Höhe eines
Inflammationsparameters, dem C-reaktiven Protein (CRP).
Pleiotrope Effekte
Mittlerweile ist gesichert, das Cholesterin nicht der einzige Risikofaktor ist, der
die Entwicklung einer kardiovaskulären Erkrankung provoziert. Allgemein akzeptiert
ist die Annahme, dass die Arteriosklerose im Grunde genommen eine sich langsam entwickelnde
Entzündungsreaktion ist. Faktoren wie erhöhte Triglyzeride und Fibrinogen werden mittlerweile
als eigenständige Risikofaktoren akzeptiert. Die JUPITER-Studie postulierte, dass
die Koabsenkung des CRP gleichzeitig mit der Absenkung des LDL-Cholesterins den Effekt
auf die kardiovaskuläre Mortalität erklären könne.
Studien zur Apherese – hier insbesondere Publikationen der Arbeitsgruppen von Prof.
Schuff-Werner, Prof. Seidel und Prof. Horstkotte/Dr. Mellwig – zeigten früh, dass
die Apherese ein breiteres Absenkungsspektrum aufweist als nur die des LDL-Cholesterins.
Insbesondere die Absenkung des Fibrinogens, des CRP sowie von speziellen Zelladhäsionsmolekülen
(V-CAM, I-CAM, E-Selectin) wird in dieser Kombination nur von der H.E.L.P.- Apherese
erreicht (Abb. [
3
], [
4
]) [
7
]–[
10
]. Das erklärt die positive Wirkung der Apherese auf die Rheologie des Blutes. Auch
dürfte der nachgewiesene Effekt der Apherese (der Stenosegrad der behandelten Patienten
kann eingefroren oder gar gesenkt werden) auf diese Faktoren beruhen.
Abb. 3 Entwicklung des Stenosegrades unter dem Einfluss von H.E.L.P.
Abb. 4 Veränderung proinflammatorischer Marker (H.E.L.P. vs. DSA).
Ist LDL per se atherogen?
Ist LDL per se atherogen?
Diese Frage ist wohl vor dem Hintergrund der letzten Erkenntnisse zu verneinen. LDL
allein macht noch keine Arteriosklerose, sondern eher oxidierte Lipoproteinpartikel.
Mittlerweile ist gesichert, das oxidiertes LDL und auch oxidiertes HDL (sic!) ein
höheres atherogenes Potenzial besitzen, als natives LDL. Bei vielen Aphereseverfahren,
aber besonders in der H.E.L.P.-Apherese, werden gezielt oxidierte Lipoproteine abgesenkt
(Abb. [
5
]) [
10
]. Neu ist die Koabsenkung des "inflammatorischen HDL" durch H.E.L.P. [
11
]–[
13
].
Abb. 5 Werte von Triglyzeriden, LDL, HDL und inflammatorischen HDL vor und nach der H.E.L.P.-Apherese.
Konsequenzen
Möglicherweise lässt sich die erstaunlich geringe Wirkung der medikamentösen cholesterinsenkenden
Therapie auf die klinische Wirksamkeit (bei beachtlichen Absenkungsraten) dadurch
erklären, dass Cholesterinsenker bevorzugt in die Produktion bzw. Resorption des "frischen"
Cholesterins eingreifen. Das würde bedeuten: Die bereits oxidierten LDL-Partikel (ox-LDL)
verbleiben, während die Neusynthese an LDL gebremst wird und sich somit fatalerweise
der atherogene Index (Anteil ox-LDL am Gesamt-LDL) verschlechtert. Die Apherese mit
ihrer nachgewiesenen Fähigkeit, gerade die atherogenen und (bei H.E.L.P.) inflammatorisch
wirksamen Substanzen zu entfernen, scheint hier der bessere Ansatz zu sein (Abb. [
6
], [
7
]. Zwar ist die Apherese ein invasives Verfahren, doch ist sie im Vergleich zur medikamentösen
Therapie fast nebenwirkungsfrei [
14
]. Eine wirksame Behandlung der Arteriosklerose sollte auf 3 Säulen beruhen:
-
Reduktion oxidierter Lipoproteine (ox-LDL, ox-Lp(a) und ox-HDL)
-
Reduktion eigenständiger Kausalfaktoren wie Fibrinogen und Triglyzeride
-
Reduktion inflammatorischer Parameter
Abb. 6 H.E.L.P.-Apherese: prozentuale Reduktion verschiedener relevanter Marker.
Abb. 7 Reduktion proinflammatorischer Plasmaproteine bei der H.E.L.P.-Apherese.
Erst dann wird man von einer wirksamen Therapie sprechen können.
Gerald Stegemann, Melsungen
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der B. Braun Avitum AG, Melsungen.
Die Beitragsinhalte basieren auf Informationen der B. Braun Avitum AG, Melsungen.
Der Autor ist Mitarbeiter bei der B. Braun Avitum AG, Melsungen.