physiopraxis 2012; 10(03): 18-19
DOI: 10.1055/s-0032-1309074
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

So erstellen Sie einen Fragebogen – Patient zufrieden?

Simone Gritsch

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Publication Date:
16 March 2012 (online)

 

Die Patienten sind mit Ihnen und Ihrer Therapie sicher zufrieden. Sicher? Überprüfen Sie Ihr Gefühl doch mal. Ein Patientenfragebogen ist einfach zu erstellen, schnell auszufüllen und holt verborgene Defizite ans Licht.


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Simone Gritsch

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Simone Gritsch ist Ergotherapeutin BcOT (NL) und gehört zum Team von physiopraxis. Sie startet häufig Umfragen in Thiemes ergo-Newsletter.

Fragebogen begegnen uns ständig und fast überall. Sei es als Psycho-Test in der Frauenzeitschrift, als Mieter-Selbstauskunft bei Wohnungsbesichtigungen oder als Assessment in der physiotherapeutischen Behandlung. In der Regel beschäftigt man sich aber erst dann genauer mit ihrer Konzeption, wenn man zum Beispiel eine Bachelorarbeit schreibt und Daten erheben muss - oder wenn man sich vornimmt, seine Patienten zu deren Zufriedenheit mit Therapie und Praxisräumen zu befragen.

Die Rahmenbedingungen klären

Bevor man einen Fragebogen für die physiotherapeutische Praxis erstellt, sollte man sich über zwei Dinge im Klaren sein:

  • Was möchte ich mithilfe des Instruments erfahren?

  • Welche Möglichkeiten stehen mir dafür zur Verfügung?

Möchte man also lediglich einen kurzen Feedbackbogen mit offenen Fragen erstellen, auf dem die Patienten Wünsche und Verbesserungsvorschläge eintragen können? Oder soll es eine umfassende, optisch ansprechende Frageliste zu verschiedenen Aspekten wie Zufriedenheit mit den Therapeuten, dem Therapieverlauf und dem Praxisambiente sein?


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Das Thema schärfen

Sind die Eckpunkte für den Inhalt des Fragebogens geklärt, gilt es im nächsten Schritt, das Ziel zu präzisieren. Dazu stellt man Hypothesen auf - zum Beispiel gemeinsam im Team und mithilfe eines Brainstormings. Auf diese Weise sammelt man möglichst viele verschiedene Aspekte eines Themas.

Um beispielsweise die Patientenzufriedenheit genauer unter die Lupe nehmen zu können, stellen die Teammitglieder vielleicht die Hypothese auf, dass die Patienten sehr zufrieden sind. Und zwar, weil sie Fortschritte machen und die behandelnden Therapeuten auf sie eingehen. Die Patienten könnten aber auch unzufrieden sein, weil die Behandlung nicht wirkt oder weil die Therapeuten ständig wechseln. Hat man auf diese Weise sämtliche Aspekte zum Thema „Patientenzufriedenheit in der Praxis“ zusammengetragen, deutet sich bereits an, ob man sich eher für Fakten oder für Meinungen interessiert. Damit wird auch bereits ersichtlich, welche Art von Fragen das Instrument beinhalten wird („Fragetypen“).


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Sich für den Fragetyp entscheiden

Mit geschlossenen Fragen kann man Fakten ermitteln. Dazu gibt man dem Befragten verschiedene Antwortmöglichkeiten vor, aus denen er wählen kann.

Interessiert man sich für persönliche Einstellungen, Motive und Werte, verwendet man offene Fragen, sogenannte Meinungsfragen. Mithilfe einer Likertskala kann man dann erfassen, inwiefern der Befragte einer Aussage zustimmt oder sie ablehnt. Dazu wählt er aus abgestuften Antworten aus wie „trifft voll zu“, „trifft eher zu“, „unentschieden“, „trifft eher nicht zu“ oder „trifft gar nicht zu“. Offene Fragen für Kommentare oder Anmerkungen ergänzen einen Fragebogen und vermitteln einen freundlichen Umgangston. Der Nachteil: Sie lassen sich kaum statistisch auswerten, und es besteht die Gefahr, dass die Befragten ins Erzählen kommen.


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Sich die Zielgruppe vor Augen führen

Niemand quält sich gerne durch einen langen und komplizierten Fragebogen. Formuliert man die Items aber verständlich und konkret, führt man die Befragten reibungslos und zufriedenstellend durch das Instrument („Einen guten Fragebogen erstellen“). Bei der Auswahl der Formulierungen sollte man sich seine Zielgruppe möglichst genau vor Augen führen. Befragt man beispielsweise gebildete Erwachsene, wählt man sicherlich eine andere Sprache als bei Kindern, Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen oder Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung kognitiv eingeschränkt sind. Je detaillierter man vorab weiß, wer den Fragebogen später ausfüllen soll, desto individueller kann man auf dessen Sprachwelt eingehen und den Patienten damit ernst nehmen.


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Den Fragebogen logisch aufbauen

Ein Fragebogen, der nach Kraut und Rüben aussieht, verwirrt. Um den Befragten zu leiten, sollte man das Instrument daher systematisch aufbauen und Themenschwerpunkte setzen. Eine einfache Frage zu Beginn bricht das Eis, zum Beispiel nach dem Alter oder der Dauer der Behandlung. Fällt man hingegen mit der Tür ins Haus und fragt den Patienten beispielsweise direkt, ob der Therapeut in der Behandlung ausreichend auf seine Zielvorstellungen eingegangen ist, erschreckt und überfordert man ihn eher. Das heißt: Fühlt sich der Befragte sicher, kann er sich auf den Fragebogen einstimmen, sodass es anschließend „ans Eingemachte“ gehen kann. Im Hauptteil werden dann die eigentlich wichtigen, emotionalen oder komplizierten Fragen geklärt - wie die Zufriedenheit mit der physiotherapeutischen Behandlung. Um die Spannung anschließend wieder zu vermindern, beendet man die Befragung mit einfachen, abschließenden Items. Das könnte zum Beispiel eine offene Frage für Kommentare oder Verbesserungsvorschläge sein.

Fragetypen
  • > offene Frage
    (Was gefällt Ihnen an unserer Praxis?)

  • > geschlossene Frage mit einer Antwortmöglichkeit (Gefällt Ihnen unsere Website? > ja / nein)

  • > geschlossene Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten (Was gefällt Ihnen an unserer Praxis? > Therapeuten, therapeutisches Angebot, Praxisräumlichkeiten,...)

  • > Rating- oder Likertskalen (Mit der Behandlung bin ich zufrieden. > trifft voll zu.....trifft gar nicht zu)

  • > Eingruppierungsfragen (Wie alt sind Sie? > Unter 18, 18-29, 30-45, über 45 Jahre)

Einen guten Fragebogen erstellen

  • > Formulieren Sie konkrete, verständliche Fragen

  • > Vermeiden Sie Suggestivfragen.

  • > Vermeiden Sie Verneinungen.

  • > Drücken Sie sich eindeutig aus.

  • > Vermeiden Sie Gedankensprünge.

  • > Stellen Sie keine Fragen, bei denen eine ehrliche Antwort auf Grund beispielsweise sozialer Zwänge nicht möglich ist.

  • > Beachten Sie ethische Grenzen.

  • > Gestalten Sie den Fragebogen nicht zu lang (Ermüdungseffekt).

Da das Auge bekanntlich „mitisst“, sollte man auch die Optik nicht vernachlässigen. Denn ein ansprechendes Design des an der Anmeldung ausliegenden oder vom Therapeuten überreichten Fragebogens erleichtert es dem Befragten einerseits, die Items zu erfassen, und vermittelt ihm andererseits das Gefühl, wertgeschätzt zu werden.


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Auf Herz und Nieren prüfen

In der Regel ist die erste Fragebogen-Version noch nicht die endgültige. Entweder findet man selbst immer wieder ein paar Punkte, an denen man feilen kann, oder man sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Das heißt: Sobald die erste Version steht, können zum Beispiel Kollegen als Experten beurteilen, ob die Fragen inhaltlich relevant für die Patientenzufriedenheit sind. Möglicherweise raten sie auch, den Fragebogen zu ergänzen oder auf die eine oder andere Frage zu verzichten.

Im nächsten Schritt bietet sich eine kleine Pilotstudie an. Im Pretest sollten diejenigen beurteilen, die auch der späteren Zielgruppe entsprechen, ob der Fragebogen verständlich, vollständig, ansprechend und hilfreich ist. Auf diese Weise gewährleistet man eine möglichst repräsentative Einschätzung - wenn auch von einem verkleinerten Abbild der Zielgruppe - und kann das Instrument optimieren. Und wann ist ein Fragebogen ein guter Fragebogen? Wenn er beim Befragten den Eindruck eines Gesprächs erweckt und wenn er dem Fragenden die Antworten liefert, die er für sein Anliegen benötigt.


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