Einleitung
Seit einer Dekade ist die bahnbrechende Entdeckung der onkogenen BRAF-Mutation in
melanozytären Läsionen bekannt, und damit der mitogen-activated protein kinase (MAPK)-Signalweg ins Zentrum der Therapiebemühungen gerückt [1]. Viele weitere charakteristische Mutationen wurden für Melanome beschrieben und
den klinischen Melanomtypen zugeordnet, z. B. sind BRAF- und NRAS-Mutationen häufiger
in kutanen Melanomen an Stamm und Extremitäten und cKIT-Mutationen relativ gehäuft
in akral-lentiginösen und Schleimhaut-Melanomen [2]
[3]. Das ultimative Ziel der genetischen Charakterisierung ist die Identifikation von
sogenannten driver-Mutationen, deren gezielte medikamentöse Beeinflussung beim Patienten zu Remissionen
und Lebenszeitgewinn führt. Bei der zielgerichteten Therapie des Melanoms sind die
bisher beobachteten Effekte verblüffend, denn das Ansprechen setzt innerhalb weniger
Wochen schnell und ungewöhnlich zuverlässig ein. Leider ist die Therapie nur für die
Patienten mit einer spezifischen Mutation nutzbar, die Dauer des Ansprechens ist limitiert
und komplette Remissionen sind die Ausnahme. Ein anderes Wirkprinzip hat einen weiteren
Durchbruch in der Behandlung des metastasierten Melanoms ermöglicht. Der Antikörper
Ipilimumab blockiert ein inhibitorisches Signal auf der aktivierten T-Zelle und kann
effektive T-Zell-basierte Immunantworten induzieren und unterhalten. In Phase-III-Studien
wurden in sehr unterschiedlichen Designs Verlängerungen der Überlebensraten gezeigt
[4]
[5]. Die Anwendung von Ipilimumab setzt aufgrund der Induktion von Autoimmunität die
Kenntnis eines speziellen Nebenwirkungsmanagements voraus [6]. Trotz dieser jüngeren Entwicklungen bleibt die Chemotherapie des fortgeschrittenen
Melanoms mit Dacarbazin Standardtherapie für nicht BRAF- oder KIT-mutierte Melanome in der ersten Therapielinie. Sie erzielt Ansprechraten zwischen
5 und 10 % ohne sichere Evidenz für die Verlängerung des Gesamtüberlebens [7]
[8]. Komplette Remissionen können bei 2 % der Patienten beobachtet werden. Vor dem Hintergrund,
dass Dacarbazin vor mehr als 35 Jahren zugelassen wurde, wird die richtungsweisende
Bedeutung des nun in Zulassungsstudien nachgewiesenen Effekts von alternativen Therapiestrategien
deutlich.
Selektive BRAF-Inhibitoren
Der MAPK-Signalweg reguliert viele biologische Schlüsselprozesse wie Proliferation,
Überleben, Apoptose und Metastasierung. Die Aktivierung von Raf sarcoma (RAS)-GTPase durch Bindung von Wachstumsfaktoren an Rezeptortyrosinkinasen oder durch
aktivierende RAS-Mutationen führt zur Aktivierung der v-raf murine sarcoma viral oncogene homologe (RAF)-Kinase-Familie (ARAF, BRAF und CRAF) mit Phosphorylierung und Aktivierung der
mitogen-activated extracellular signal regulated kinases (MEK) 1 und 2 und nachfolgend extracellular signal-regulated kinase (ERK) 1 und 2. Dieses wiederum führt zur Aktivierung und Phosphorylierung von nukleären
Transkriptionsfaktoren. Genetische Aberrationen von Teilen des MAPK-Signalwegs wurden
bei mehr als 80 % der kutanen Melanome beobachtet [3]. Die häufigste Mutation betrifft eine aktivierende Mutation in BRAF, die bei etwa
50 % der primären Melanome und noch häufiger in Metastasen vorliegt. Die mit mehr
als 80 % häufigste Mutation wird bei V600E im Exon 15 beobachtet [1]. Es handelt sich um die Punktmutation T1799A, die einen Aminosäureaustausch von
Valin nach Glutamin im aktiven Zentrum bedingt und zu einer erhöhten Kinaseaktivität
führt. Mit bis zu 20 % ist die V600K-Mutation (Lysin statt Valin) am zweithäufigsten.
Die genannten BRAF-Mutationen sind mit einer schlechteren Prognose assoziiert [9]
[10]. Diese Mutationen wurden als onkogene driver-Mutationen identifiziert und selektive BRAF-Inhibitoren führen in Melanomzellkulturen
und Xenograft-Tumormodellen zu Wachstumsstillstand und Apoptoseinduktion. In fortgeschrittenen
klinischen Prüfungen waren bisher zwei Medikamente wirksam: Vemurafenib (PLX4021/RG
7204) von der Firma Roche und Dabrafenib (GSK2118437) von GlaxoSmithKline (GSK). Die
Zulassung von Vemurafenib erfolgte unter dem Namen Zelboraf® im Februar 2012.
Vemurafenib
Vemurafenib ist ein oraler ATP-kompetetiver Inhibitor des mutierten BRAF ([Abb. 1 a]
). Zur Zulassung des Medikamentes für Patienten mit nicht resezierbarem metastasierten
Melanom und BRAF-V600E-Mutation durch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA am
19. 8. 2011 führte die auf dem letzten ASCO-Kongress vorgestellte BRIM 3-Studie [11]. An 675 unbehandelten Patienten mit metastasiertem Melanom und nachgewiesener V600E-Mutation
wurde Vemurafenib (960 mg zweimal täglich) gegen Dacarbazin (1000 mg/m2 alle drei Wochen) geprüft. Bereits in der ersten Interimanalyse nach sechs Monaten
wurde die Studie abgebrochen, weil die Patienten unter Vemurafenib ein verlängertes
progressionsfreies Überleben (5,3 Monate vs. 1,6 Monate) erreichten. Zu diesem Zeitpunkt
waren 84 % der Patienten unter Vemurafenib und 64 % unter Dacarbazin noch am Leben;
das relative Sterberisiko war unter Vemurafenib um 63 % gesenkt. Die Ansprechrate
(confirmed response rate) betrug 48 % unter Vemurafenib vs. 5 % unter Dacarbazin. Unter Vemurafenib wurden 2
komplette und 104 partielle Remissionen erzielt. Das schnelle Ansprechen auf die BRAF-Inhibition
wurde bereits in der Phase-I-Studie (BRIM 1) beobachtet [12], wobei die Patienten unabhängig vom klinischen Stadium, also auch bei ausgedehnter
Organmetastasierung (Stadium IV M1c) und erhöhter LDH profitierten. Das mediane progressionsfreie
Überleben betrug in der Phase-II-(BRIM 2)-Studie bei 132 Patienten, vorbehandelt im
Stadium IV, im Median 6,8 Monate [13]. Die häufigsten Nebenwirkungen treten interessanterweise an der Haut auf: Exanthem,
Fotosensitivität und die Entwicklung von Keratoakanthomen oder Keratoakanthom-artigen
Plattenepithelkarzinomen der Haut (18 %). Auch über die Entwicklung von Zweitmelanomen
wurde berichtet. Die Entwicklung von Hauttumoren setzt bereits wenige Wochen nach
Therapiebeginn ein und ist durch eine paradoxe Aktivierung des MAPK-Signalwegs in
den Tumoren bedingt [14]; die Hauttumoren weisen typischerweise Mutationen im HRAS-Gen auf. Sehr häufig sind ferner Arthralgien, Fieber und Müdigkeit. Bei 38 % der Patienten
in der BRIM 3-Studie musste aufgrund von Nebenwirkungen die Dosis modifiziert werden
[11].
Abb. 1 Vereinfachtes Schema des MAPK-Signalwegs mit dem Ansatzpunkt der selektiven BRAF-Inhibitoren
wie Vemurafenib (a) und von kompensatorischen Signalwegen, die als mögliche Resistenzmechanismen funktionieren
(b). In BRAF-V600E-mutierten Melanomzellen kommt es ohne ein aktivierendes Signal der
Rezeptortyrosinkinase zu einer permanenten Aktivierung des Signalwegs über MEK und
ERK, die zu Proliferation und Überleben führt. Die Bindung von Vemurafenib kann den
Signalweg in der sensitiven Zelle effektiv hemmen. Unter der dauernden Therapie mit
Vemurafenib bilden sich resistente Zellen, deren Kompensationsmöglichkeiten dazu führen,
dass der MAPK-Signalweg weiterhin aktiv ist (Erläuterungen im Text).
Der MEK-Inhibitor Trametinib
Anders als die selektiven BRAF-Inhibitoren können Inhibitoren von MEK 1 und 2 den
MAPK-Signalweg nicht nur bei den onkogenen BRAF-, sondern auch bei RAS-mutierten Melanomen
kontrollieren. Verschiedene Inhibitoren von MEK befanden sich in der klinischen Entwicklung,
wurden aufgrund hoher Toxizität nicht mehr weiter verfolgt. Eine Ausnahme dazu stellt
der MEK-Inhibitor Trametinib (GSK1120212) dar.
In einer Phase-I/II-Studie zeigte Trametinib eine objektive Ansprechrate von 40 %
und 18 % stabile Erkrankungen bei BRAF-mutiertem Melanom [15]. Bei Wildtyp-BRAF-Patienten war das Ansprechen deutlich geringer ausgeprägt. Typische
Nebenwirkungen sind die frühe Entwicklung eines akneiformen Exanthems (85 %), Durchfall
(48 %), Fatigue (37 %) und Übelkeit (20 %). Die reversible zentrale seröse Retinopathie
ist eine seltene, aber wichtige Nebenwirkung aller MEK-Inhibitoren.
Resistenzmechanismen
Trotz der zum Teil beeindruckenden Remissionen unter Vemurafenibtherapie kommt es
bei vielen Patienten nach einigen Monaten zu einem Fortschreiten der Erkrankung, da
der Tumor Resistenzmechanismen gegen die BRAF-Inhibition entwickelt [16]. Das Wissen über solche Resistenzmechanismen stammt aus präklinischen Modellen und
Prä-/Post-Therapievergleichen bei progredienten Patienten nach initialem Therapieansprechen
[17]. An BRAF-V600E-mutierten Melanomzelllinien führt die BRAF-Inhibition zu Wachstumsstopp
und Apoptose über die Blockade des MAPK-Signalwegs. Diese BRAF-Inhibitor-sensitiven
Zellen sind hochgradig von BRAF für die MAPK-Aktivierung und das Überleben abhängig.
Durch die langfristige BRAF-Hemmung entwickeln sich resistente Zellen mit einer Vielzahl
kompensatorischer Mechanismen, um das Zellüberleben zu sichern ([
Abb. 1 b
]). Über die verstärkte Expression der RAF-Isoformen CRAF und ARAF können die Zellen
dynamisch eine dieser Kinasen nutzen, um die MAPK-Aktivität aufrecht zu erhalten;
diese BRAF-Inhibitor-resistenten Zellen sind noch sensitiv auf MEK-Inhibitoren – allerdings
nur zytostatisch, sodass andere Überlebenssignale aktiv zu sein scheinen. Ein Signal
könnte von Rezeptortyrosinkinasen wie insulin-like growth factor-1 receptor (IGF-1 R) und der Einbeziehung des phosphoinositid 3-kinase (PI3K)-Signalwegs ausgehen. Dieser Signalweg wird im Wesentlichen von Rezeptortyrosinkinasen
wie IGF-1 R stimuliert und führt zur Phosphorylierung von AKT; dieser Effekt resultiert
auch durch den beim Melanom häufig auftretenden Verlust von PTEN. Auch die Überexpression
der MAP3-Kinase (COT) kann in BRAF-Inhibitor-resistenten Zellen zur MAPK-Reaktivierung
führen. Die dauerhafte Therapie mit BRAF-Inhibitoren kann zur Selektion präexistenter
NRAS-mutierter Klone, die den MAPK-Signalweg aktivieren, führen. Die bekannte Plastizität
des Melanoms legt nahe, dass mehrere Kompensationsmechanismen bei dauerhafter BRAF-Inhibition
einsetzen. Auch in solchen Situationen scheint die Inhibition von MEK sinnvoll. Die
präklinischen Daten für die Kombination des spezifischen BRAF-Inhibitors Dabrafenib
und des MEK-Inhibitors Trametinib sind vielversprechend. In eine Phase-I/II-Studie
wurden mehr als 100 fortgeschritten metastasierte Melanompatienten mit V600-Mutation
eingeschlossen [18]. Alle Patienten haben die Kombination von BRAF-Inhibitor und MEK-Inhibitor in verschiedenen
Dosierungen erhalten. Es zeigte sich, dass die Kombination zu einer dramatischen Reduktion
von Hauttumoren (< 1 %) führte. Ferner wurde eine Krankheitskontrolle bei allen Patienten
erzielt, die die volle Dosis beider Inhibitoren erhielten (komplette Remission 11 %,
partielle Remission 63 %, stabile Erkrankung 26 %). 83 % der Patienten zeigten anhaltendes
Ansprechen. In zwei Phase-III-Studien wird die Firma GSK die Kombination von Dabrafenib
und Trametinib gegen Dabrafenib plus Plazebo oder eine Vemurafenib-Monotherapie auch
in vielen deutschen Zentren prüfen.
Weitere Projekte dieser Art sind dringend erforderlich. Die kombinatorische Hemmung
von MEK und PI3K oder einem IGF-1R-Inhibitor könnte in der BRAF-Inhibitor-resistenten
Zelle sehr effektiv sein [17]. Die Tatsache, dass schon zahlreiche Substanzen bei unterschiedlichen Tumorentitäten
in verschiedenen Phasen der klinischen Prüfung vorliegen, lässt auf eine weiterhin
sehr bewegte Studienlandschaft und weitere Verbesserungen beim metastasierten Melanom
hoffen. Die unterschiedliche Kinetik des Ansprechens, immunologische Effekte unter
BRAF-Inhibitor-Therapie wie die erhöhte T-Zell-Infiltration der Tumore und nicht überlappende
Toxizitäten machen die Kombination von Vemurafenib und dem cytotoxic T-lymphocyte antigen-4 (CTLA-4)-Antikörper Ipilimumab bei BRAF-mutierten Melanomen attraktiv [19].
T-Zell-Aktivierung durch anti-CTLA-4- und anti-PD1-Antikörper
CTLA-4 und programmed cell death 1 (PD1) sind inhibierende Moleküle auf aktivierten T-Zellen ([
Abb. 2
]). Durch die Blockade dieser Moleküle über die monoklonalen Antikörper Ipilimumab
(gegen CTLA-4) und MDX1106-01 (gegen PD1) kann eine T-Zell-Aktivierung induziert werden
und schließlich eine effektive anti-tumorale T-Zell-Antwort entstehen und erhalten
bleiben.
Abb. 2 T-Zell-Aktivierung erfordert nicht nur die spezifische Präsentation eines MHC-restringierten
Peptids über eine Antigen-präsentierende Zelle (APZ), sondern auch ein zusätzliches
aktivierendes, kostimulatorisches Signal. CD28 auf der T-Zelle bindet B7-Proteine
(CD80 und CD86) auf der APZ. Die beiden Signale ermöglichen die Proliferation und
Effektorfunktionen (+). Aktivierte T-Zellen regulieren CTLA-4 hoch, das mit höherer
Affinität an die B7-Moleküle bindet und die T-Zell-Aktivierung inhibieren kann; PD1
wird in der späten Phase der Immunantwort von den T-Zellen produziert und inhibiert
nach Bildung von PD1-Ligand sehr stark die weitere T-Zell-Proliferation und Effektorfunktionen
(–). Durch die Hemmung der CTLA-4/B7- und PD1/PD1-Ligand-Interaktion werden T-Zell-Antworten
verstärkt.
Ipilimumab
Ipilimumab ist unter dem Handelsnamen Yervoy® seit Juli 2011 für die Therapie des inoperabel metastasierten Melanoms in der zweiten
Therapielinie zugelassen. Die zur Zulassung führende Phase-III-Studie (MDX010-020)
wurde 2010 auf dem ASCO-Kongress vorgestellt und zeigte eine Verlängerung des Gesamtüberlebens
um 3,7 Monate bei fortgeschrittenen Stadium-III- und -IV-Patienten nach Vorbehandlung
mit Chemotherapie oder Interleukin-2 [4]. Das Kollektiv war wegen der HLA-Restriktion der synthetischen gp100-Peptidvaktine
des Kontrollarmes auf HLA-A*0201-positive Patienten beschränkt. Die Randomisierung
der 676 Patienten erfolgte entweder in einen Arm mit gp100-Vakzine plus Ipilimumab-Plazebo
(n = 136), versus gp100-Vakzine plus Ipilimumab (n = 403) oder Ipilimumab plus Vakzine-Plazebo
(n = 137). gp100 ist eine Peptidvakzine, die die Wirkung von hochdosiertem Interleukin-2
verstärken kann [20], in der Monotherapie aber als Plazebo-Äquivalent gewertet werden kann [21]. Ipilimumab wurde in der Dosis von 3 mg/kg Körpergewicht in Woche 1, 4, 7 und 10
gegeben (Induktionstherapie). Über 3 Monate stabile oder ansprechende Patienten konnten
nach erneutem Progress eine Wiederholung (Reinduktion) erhalten. Die Studie zeigte
ein medianes Gesamtüberleben von 10,1 Monaten für die Patienten unter Ipilimumab plus
Vakzine-Plazebo und 10,0 Monate für Patienten unter gp100-Peptidvakzine plus Ipilimumab.
Die Patienten unter gp100-Vakzine plus Ipilimumab-Plazebo überlebten 6,4 Monate (Median).
Sowohl das Gesamtansprechen als auch die Krankheitskontrollrate (objektives Ansprechen
plus stabile Erkrankungen) unterschieden sich signifikant zwischen Patienten, die
Ipilimumab erhalten hatten, und denen unter gp100-plus-Ipilimumab-Plazebo: 10,9 %
vs. 1,5 % und 28,5 % vs. 11,0 %. Es zeigte sich gegenüber der Vakzine unter Ipilimumab
eine Verdoppelung der Überlebenszeiten nach 1 Jahr (45 %) und 2 Jahren (24 %). Nach
einer rezenten Metaanalyse können wir davon ausgehen, dass die 1-Jahres-Überlebenszeit
beim inoperablen metastasierten Melanom bei 25 % liegt [22]; hinzukommt, dass es hinsichtlich prognostischer Faktoren keine Hinweise auf ein
geschöntes Patientenkollektiv gibt. Allerdings bleibt der Effekt aufgrund des ungewöhnlichen
Kontrollarmes unklar – der Vergleich mit Dacarbazin gilt als Goldstandard. Auf dem
ASCO-Kongress 2011 wurde eine weitere vielbeachtete Studie mit Ipilimumab veröffentlicht.
In dieser Phase-III-Studie wurde nämlich Dacarbazin (850 mg/m2, alle drei Wochen) plus Plazebo mit Dacarbazin plus Ipilimumab (10 mg/kg Körpergewicht,
Woche 1, 4, 7 und 10) in der Erstlinientherapie bei Patienten mit inoperablem Melanom
im Stadium III und IV in einer 1 : 1-Randomisierung an 502 Patienten verglichen [5]. In dieser Studie wurde eine Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens um 2,1 Monate
von 9,1 auf 11,2 Monate mit einem Anstieg der 1-Jahres-Überlebensrate (36,3 % vs.
47,3 %), 2-Jahres-Überleben (17,9 vs. 28,5 %) und 3-Jahres-Überleben (12,2 % vs. 20,8 %)
erzielt. Die Krankheitskontrollrate unterschied sich in dieser Studie nicht wesentlich
zwischen beiden Gruppen (33,2 % vs. 30,2 %) mit 15,2 % objektivem Ansprechen in der
Kombinationstherapie vs. 10,3 % unter Dacarbazin plus Plazebo. Allerdings zeigten
die Ansprecher unter Ipilimumab plus Dacarbazin eine signifikant verlängerte Dauer
des Ansprechens (19,3 Monate) vs. 8,1 Monate unter Dacarbazin (p = 0,03). Dieses könnte
für einen synergistischen Effekt des kombiniert chemotherapeutisch/immuntherapeutischen
Ansatzes sprechen. Verglichen mit anderen Erstlinienstudien sind die Ergebnisse für
Dacarbazin im Kontrollarm ungewöhnlich positiv. Die Lebertoxizität der Kombinationstherapie
war so hoch, dass nur 36,8 % der Patienten alle 4 Gaben von Ipilimumab erhalten haben.
Dieses könnte ein Grund dafür sein, dass sich die Effizienzparameter zwischen beiden
Phase-III-Studien relativ wenig unterscheiden. Augenblicklich ist Ipilimumab für die
Zweitlinientherapie beim metastasierten Melanom in der Dosierung von 3 mg/kg Körpergewicht
als Monotherapie zugelassen. Für die weitere Entwicklung des Zulassungsstatus von
Ipilimumab steht der Vergleich der Wirkung und Verträglichkeit der zwei Dosierungen
im Vordergrund. Eine entsprechende Phase-III-Studie wird in 2012 beginnen. Die Ergebnisse
zum adjuvanten Einsatz von Ipilimumab im Stadium III mit 10 mg/kg Körpergewicht viermal
alle 3 Wochen als Induktion und einmalig alle drei Monate über 3 Jahre in einer Phase-III-Studie
an 950 Patienten werden die adjuvante Melanomtherapie beeinflussen können; die Rekrutierung
dieser EORTC-Studie 18071 ist abgeschlossen.
Die charakteristische Nebenwirkung ist die Induktion von Autoimmunität. Die häufigste
Autoimmunreaktion ist eine Autoimmun-Kolitis mit Diarrhoe bis hin zur Perforation,
die in einigen Fällen zum Tode führen kann. Diese gefährliche Nebenwirkung ist selten
geworden, da geeignete medizinische Interventionsalgorithmen entwickelt wurden. Weitere
teilweise sehr schwerwiegende Autoimmunprozesse betreffen neben der Haut die Leber,
Uvea und die Hypophyse [6].
Welche Patienten mit metastasiertem Melanom sollten nach Versagen einer Chemotherapie
mit dem Risiko des Lebensqualitätsverlustes durch Nebenwirkungen bei der Option von
3,7 Monaten Verlängerung des Gesamtüberlebens behandelt werden? In die Entscheidung
sollte vor allem die Krankheitsdynamik einfließen. Die Überlebenskurven liegen in
den Ipilimumab-Studien in den ersten 3 bis 4 Monaten übereinander, und das Ansprechen
setzt verzögert nach 3 bis 6 Monaten ein. Diese Überlebenszeit muss also auch ohne
Therapie potenziell erreichbar sein. Es gibt noch wenige Forschungsergebnisse zu Prädiktoren
und Biomarkern für immunologisches oder klinisches Ansprechen auf Ipilimumab. Das
objektive Ansprechen ist nicht entscheidend für die Beurteilung des Therapieerfolges
unter Ipilimumab. Die initiale Vergrößerung der Metastasen durch entzündliche Prozesse
(Pseudoprogression) und das Auftreten neuer Metastasen macht eine Beurteilung des
Ansprechens und damit im Fall von Progress die Entscheidung zum Therapiewechsel beim
ersten Staging nach 12 Wochen sehr schwierig. Das S100 im Serum kann hierbei hilfreich
sein. Ein Kontrollstaging nach weiteren 4 bis 6 Wochen kann bei fehlender symptomatischer
Verschlechterung erforderlich sein [6].
Auf Abstraktbasis publizierte Daten einer Phase-II-Studie bei verschiedenen metastasierten
Tumorentitäten deuten darauf hin, dass mit MDX1106-01 ein gegen PD1 gerichteter Antikörper
eine höhere Aktivität (37 % Ansprechrate) vor allem bei Melanom und Nierenzellkarzinom
besitzt, weniger Nebenwirkungen hat und schneller wirkt [23]. Weitere Innovationen in der Immuntherapie des Melanoms mittels Blockade der inhibitorischen
T-Zell-Regulation z. B. durch Kombination der neuen Antikörper mit Vakzinen oder zielgerichteten
Substanzen sind zu erwarten.
Zwei Neuentwicklungen erweitern das therapeutische Repertoire in der Melanomtherapie.
Als weitere wichtige Substanzen gelten Imatinib und andere selektive Inhibitoren von
aktiviertem cKIT. cKIT ist allerdings nur selten beim Melanom mutiert und auch die
typischen akral-lentiginösen und Schleimhautmelanome tragen die Mutation in etwa 10 %
der Fälle. Trotzdem sollten metastasierte Melanome auch auf diese Mutationen typisiert
werden, da auch hierunter beeindruckende klinische Erfolge erzielt werden können [24]
[25]. Vemurafenib kann bei etwa 50 % der Melanompatienten eingesetzt werden und erzielt
50 – 60 % Ansprechraten, aber eine Resistenz entwickelt sich innerhalb einiger Monate.
Die Immuntherapie mit Ipilimumab ist mit einer geringen Ansprechrate von etwa 10 %,
aber häufig langfristigem Ansprechen verbunden. Trotz der letzten Erfolge sollten
Patienten weiterhin für klinische Studien motiviert werden, da weitere Innovationen
und Verbesserungen hinsichtlich Ansprechen und Verträglichkeit dringend erforderlich
sind.