Einleitung
Der 9. Juni 2011 war für die Gesundheitsforschung in Deutschland ein entscheidender
Tag: Bundesforschungsministerin Prof. Annette Schavan eröffnete in Berlin offiziell
die sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, an denen künftig die besten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter einem Dach große Volkskrankheiten wie
Krebs, Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel-, Infektions-, Lungen- und neurodegenerative
Erkrankungen erforschen und Ergebnisse für Prävention und Therapie schneller in die
Anwendung bringen werden.
Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) ist eines dieser sechs Zentren. Insgesamt
18 universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen an fünf Standorten werden im DZL
die Erforschung von Lungenerkrankungen weiter voran bringen. Die Notwendigkeit eines
solchen Zentrums unterstreichen zahlreiche Fakten:
Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet unter den zehn weltweit häufigsten Todesursachen
vier Lungenerkrankungen auf. Jeder fünfte Todesfall geht heute auf eine Lungenerkrankung
oder ihre Folgeerkrankungen zurück. Bis 2030 wird ein weiterer starker Anstieg der
Fallzahlen prognostiziert. Die meisten schweren Lungenerkrankungen sind bis heute
nicht heilbar und können nur symptomatisch behandelt werden, was mit einem hohen volkswirtschaftlichen
Aufwand einhergeht. Mit den Fallzahlen werden auch die prognostizierten Kosten für
die Behandlung von Lungenleiden in den nächsten Jahrzehnten noch weiter steigen. Studien
zu den Ursachen der schweren Krankheitsbilder und neuen diagnostischen, therapeutischen
und präventiven Optionen sind daher dringend notwendig.
Ziele des Deutschen Zentrums für Lungenforschung
Ziele des Deutschen Zentrums für Lungenforschung
Die Wissenschaftler und Kliniker im DZL erforschen gemeinsam neue Optionen für Vorsorge,
Diagnose und Therapie von Lungenerkrankungen. Die Partner vertreten große universitäre
und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, darunter Universitätskliniken, Helmholtz-Zentren,
Max-Planck-, Leibniz- und Fraunhofer-Institute, das European Molecular Biology Laboratory
(EMBL) sowie verschiedene renommierte Lungenfachzentren. Sie bilden Verbünde an fünf
Standorten: ARCN (Borstel/Lübeck/Kiel/Großhansdorf), UGMLC (Gießen/Marburg/Bad Nauheim)
sowie BREATH (Hannover), TLRC-H (Heidelberg) und CPC-M (München/Neuherberg/Gauting)
([Abb. 1]). Unter den Mitgliedern befinden sich Universitätskliniken und Lungenfachkliniken
mit mehr als 1000 Betten für Patienten mit Lungenerkrankungen, die den direkten Zugang
zum Patienten ermöglichen.
Abb. 1 Partner im DZL.
In einzelnen Bereichen und für bestimmte Projekte ist die Mitarbeit von nicht im DZL
verankerten Forschungsstandorten erwünscht und jederzeit möglich.
Vom Labor zum Krankenbett – Ein translationaler Ansatz
Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung unmittelbar für die Diagnostik und Therapie
von Krankheiten anwenden und umgekehrt Ergebnisse aus Patientenstudien ins Labor zurückfließen
lassen – das ist der Kerngedanke translationaler Forschung in der Medizin. Diesen
Brückenschlag vollzieht das Deutsche Zentrum für Lungenforschung. Ausgehend von molekularen
Ansatzpunkten für Krankheitsmechanismen bis hin zu klinischen Studien in definierten
Krankheitskohorten und einem patientenorientierten Gesundheitsmanagement deckt das
DZL die gesamte Wertschöpfungskette ab. Möglich wird dies erst durch die große Vielfalt
an Expertise, darunter Molekularbiologen, Entwicklungsbiologen, experimentelle Lungenforscher,
Pneumologen und Intensivmediziner, Epidemiologen und Gesundheitsökonomen.
Gemeinsame Krankheitsmechanismen im Visier
Die Krankheitsmechanismen aller schweren Lungenerkrankungen haben eine Gemeinsamkeit,
der Wissenschaftler und Kliniker im DZL größte Aufmerksamkeit widmen: Sie unterliegen
einem dynamischen Zusammenspiel von drei Prozessen in der Lunge: Regenerations- und
Reparaturmechanismen, infektiösem oder nichtinfektiösem Entzündungsgeschehen sowie
gut- und bösartigem Zell- bzw. Gewebewachstum. ([Abb. 2])
Abb. 2 Integrativer Forschungsansatz nach Krankheitsmechanismen im Deutschen Zentrum für
Lungenforschung (DZL).
Aufbau und Struktur des deutschen Zentrums für Lungenforschung
Aufbau und Struktur des deutschen Zentrums für Lungenforschung
Das DZL unterliegt einer sehr gliedrigen Struktur mit Krankheitsfeldern und Plattformen,
einem Lenkungsausschuss, dem Vorstand und einem internationalen wissenschaftlichen
Beirat. ([Abb. 3])
Abb. 3 Administrative Struktur des Deutschen Zentrums für Lungenforschung.
In den Krankheitsfeldern und Plattformen werden gemeinsame wissenschaftliche Projekte
vorangetrieben, laufend evaluiert und bei Bedarf angepasst. Auf dieser Ebene erfolgt
auch die Festsetzung von Prioritäten zwischen den einzelnen Projekten eines jeden
Feldes. Der Lenkungsausschuss evaluiert den Fortschritt des gesamten DZL und koordiniert
die verschiedenen Krankheitsfelder und Plattformen. Eine zentrale Rolle für kontinuierliches
Management und strategische Entscheidungen kommt dem Vorstand des DZL zu. Der internationale
wissenschaftliche Beirat berät das DZL und passt bei Bedarf das Gesamtkonzept neuen
Gegebenheiten an.
Rechtsform
In seiner Rechtsform ist das DZL ein gemeinnütziger Verein, Vereinssitz ist Gießen,
Vorsitzender des Vereins und zugleich Sprecher des DZL ist Werner Seeger, wissenschaftlicher
Koordinator des Lungenzentrums der Universitäten Gießen und Marburg (UGMLC). Weitere
Mitglieder des Vorstands und stellvertretende Vorsitzende sind Oliver Eickelberg (Koordinator
CPC-M), Marcus Mall (Koordinator TLRC-H), Klaus F. Rabe (Koordinator ARCN) und Tobias
Welte (Koordinator BREATH). Vereinszweck ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung
im Bereich der Lungenerkrankungen durch Einrichtung eines Forschungsverbunds, der
interdisziplinäre Forschung und klinische Anbindung in einem ganzheitlichen Ansatz
vereint.
Mittelverwaltung
Das Helmholtz Zentrum München, eine der DZL-Partner-Einrichtungen, koordiniert den
administrativen Implementierungsprozess. Hierzu wurde in München ein administratives
Fördermittelmanagement aufgebaut, um die ordnungsgemäße und effiziente Beantragung,
Bewirtschaftung und Abwicklung der wissenschaftlichen Projekte zu gewährleisten. Entsprechend
des Helmholtz-Finanzierungsschlüssels kommen 90 Prozent der Fördermittel für das DZL
vom Bund und die übrigen 10 Prozent aus dem Bundesland des jeweiligen DZL-Standortes.
Disease Areas und Plattformen – die Grundpfeiler des DZL
Disease Areas und Plattformen – die Grundpfeiler des DZL
Zwei Säulen bestimmen die Grundstruktur des DZL: Forschungsverbünde mit Fokus auf
die wesentlichen Krankheitsbilder sowie Plattformen, die von allen Partnern gemeinsam
genutzt werden.
Von Asthma bis Lungenkrebs – Disease Areas im Fokus des DZL
Die langfristige Vision des DZL ist klar: Es will mit seiner Forschung substanziell
dazu beitragen, Diagnostik, Therapie und Prävention von schweren Lungenerkrankungen
zu verbessern. Das DZL befasst sich vornehmlich mit den Krankheitsbildern, die heute
noch als nicht heilbar gelten und verfolgt dabei konkrete Ziele für die einzelnen
Indikationen. [Abb. 4] zeigt am Beispiel der COPD, wie Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die
Entwicklung von Biomarkern für eine verbesserte Phänotypisierung von Patienten eingehen
sollen und wie dies wiederum die Entwicklung neuer Therapien beeinflusst.
Abb. 4 DZL-Forschungsansatz bei COPD.
Dazu gehören Asthma und Allergien, die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD),
Mukoviszidose, akute Lungenschädigungen und Lungenversagen, diffuse parenchymatöse
Lungenleiden sowie Lungenhochdruck, schwere Lungenerkrankungen im Endstadium und Lungenkrebs.
Das Handwerkszeug des DZL – Moderne Forschungsplattformen
Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Forschung sind leistungsstarke und hochmoderne
Technologien und Forschungsplattformen, die von allen Partnern gemeinsam genutzt werden
können. Die im DZL vereinten Einrichtungen verfügen bereits heute über eine Vielzahl
solcher Einheiten: Dazu zählen State-of-the-art-Technologien zur Phänotypisierung,
hochmoderne und leistungsfähige Hochdurchsatztechnologien, Genomik- und Proteomics-Einheiten
oder Biobanken.
Aufbauend auf vorhandenen Strukturen in den Partnereinrichtungen wird das DZL für
drei zentrale Bereiche neue DZL-weite Plattformen einrichten: eine zentrale Biobank,
ein Bord für klinische Studien sowie eine Bildgebungs-Plattform.
Zentrale DZL-Biobanking-Plattform. Mit einer zentral organisierten DZL-Biobanking-Plattform können künftig alle Mitglieder
des DZL, aber auch externe Partner, einfachen und direkten Zugang zu Probenmaterial
von Patienten erlangen, die an einem der im DZL behandelten Krankheitsbilder leiden.
Bestehende Materialsammlungen werden online vernetzt und bieten Informationen über
Art und Standort des vorhandenen Probenmaterials.
Die Plattform baut auf bestehende Biobanken in Heidelberg, Hannover, München und Gießen
auf:
-
die Lungen-Biobank in Heidelberg (Gewebeproben von über 2.500 vornehmlich Lungenkrebspatienten,
Serum- und Plasmaproben von über 5.000 Patienten),
-
die Lungen-Biobank in Hannover mit unter anderem DNA-/Plasma- und Serumproben von
Asthma- und Allergiepatienten und Patienten nach Lungentransplantation,
-
Bioprobenbanken in München/Neuherberg mit Material von Transplantationen, Biopsien
sowie DNA-/Plasma- und Serumproben aus großen epidemiologischen Bevölkerungskohorten
wie KORA mit rund 200 000 Studienteilnehmern und
-
die Biobank in Gießen u. a. mit über 3000 Proben von Patienten mit Lungenhochdruck
und Lungenfibrose.
Vor dem Hintergrund der Harmonisierung europäischer Biobanken werden die Probensammlungen
im DZL als Teil der BBMRI-Initiative (Biobanking and Biomolecular Resources Research
Infrastructure) gehandhabt. Für das Daten- und Qualitätsmanagement sowie infrastrukturelle
Fragen wird das DZL zudem mit der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte
medizinische Forschung (TMF) zusammenarbeiten.
Nachwuchsförderung auf hohem Niveau – Die DZL-School
Nachwuchsförderung auf hohem Niveau – Die DZL-School
Über 250 Doktoranden und Postdoc-Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen arbeiten
in den Forschungsprojekten der fünf DZL-Standorte. Ihnen soll künftig die breite Expertise
der DZL-Wissenschaftler aller Standorte und aller Aspekte der Erforschung von Lungenerkrankungen
zugutekommen. Die DZL-School, geplant als enge Kooperation mit INSERM-basierter Lungenforschung
in Frankreich als deutsch-französische Lungenschule, wird exzellente Ausbildung fördern
und damit den weiteren erfolgreichen beruflichen Werdegang der Doktoranden sichern
und optimieren. Im Rahmen eines standortübergreifenden Ausbildungsprogramms werden
die Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler an Methodenworkshops, wissenschaftlichen
Symposien sowie karrierefördernden Maßnahmen teilnehmen. Dies fördert den persönlichen
Austausch zwischen Studenten an den fünf DZL-Standorten sowie mit französischen Lungenforschungseinrichtungen.
Über die reine wissenschaftliche Ausbildung hinaus erwarten sich die Koordinatoren
aus der DZL-School zusätzlich einen Corporate Identity stiftenden Effekt, der für
das junge Deutsche Zentrum für Lungenforschung auf lange Sicht Früchte tragen wird.
Wissen über Lungenerkrankungen verbreiten – der Lungeninformationsdienst
Wissen über Lungenerkrankungen verbreiten – der Lungeninformationsdienst
Umfassendes und fundiertes Wissen über schwere Lungenerkrankungen steht Patienten
bislang nur teilweise und oft in wenig aufbereiteter Form zur Verfügung. Es fehlt
in vielen Bereichen aktuelle, neutrale, qualitätsgesicherte und vor allem gebündelte
Information. Mit einem umfassenden Informationsangebot bietet der Lungeninformationsdienst
Patienten und deren Angehörigen Wissen rund um Lungenerkrankungen aus Forschung und
Medizin, das allgemeinverständlich aufbereitet ist. Die Nähe des Dienstes zur Wissenschaft
gewährleistet ein Maximum an Seriosität, Aktualität und Neutralität.
Damit leistet der Dienst einen entscheidenden Beitrag, um eine Brücke von der Forschung
zum direkten Nutzen für den Patienten zu schlagen. Zugleich wird der Lungeninformationsdienst
die Wahrnehmung für Lungenerkrankungen in der Bevölkerung schärfen. Er kann zudem
dazu beitragen, den Stellenwert der Lungenforschung in der gesamten Forschungslandschaft
zu verbessern. Der Lungeninformationsdienst ist am Helmholtz Zentrum München angebunden.
In einer ersten Phase bietet der Lungeninformationsdienst eine Online-Plattform mit
aktuellem Wissen über Diagnostik, Therapie, Prävention und aktuelle Forschungsansätze
zu Lungenerkrankungen ([Abb. 5]). Patientenorientierte Service-Informationen über Kliniken, Fachverbände, Selbsthilfeorganisationen
sowie Veranstaltungs- und Literaturhinweise ergänzen das Angebot. Ein monatlich erscheinender
Newsletter informiert aktiv über neue Inhalte des Lungeninformationsdienstes.
Abb. 5 Online-Angebot des Lungeninformationsdienstes (www.lungeninformationsdienst.de.)
Mit einem Runden Tisch für Patientenorganisationen und regelmäßigen Expertenforen
fördert der Lungeninformationsdienst zudem den direkten Austausch zwischen Experten
und Patienten. Im Laufe des Jahres 2012 wird eine Patienten-Hotline aufgebaut, in
der medizinisches und psychologisches Fachpersonal persönliche Anfragen von Patienten
und deren Angehörigen zu Lungenerkrankungen beantwortet.
Synergien nutzen – Kooperationen mit Dritten
Synergien nutzen – Kooperationen mit Dritten
Über die Kooperationen innerhalb des DZL und zwischen den Forschungsprogrammen der
DZL-Partner hinaus erhoffen sich die Beteiligten signifikante Synergien und künftige
Kooperationen mit anderen deutschen Zentren der Gesundheitsforschung wie etwa dem
Deutschen Zentrum für Infektionsforschung, dem Deutschen Konsortium für translationale
Krebsforschung sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung. Strategische
Partnerschaften mit Forschungseinrichtungen im weiteren Umfeld sollen dazu führen,
dass die Forschung im DZL zügig zu konkretem Nutzen für die Gesellschaft führt. Zudem
ist eine enge Kooperation mit weiteren Lungenforschungsnetzwerken wie CAPNETZ und
COSYCONET vorgesehen: Beide Einrichtungen sollen in den kommenden Jahren an das DZL
assoziiert werden.
Das DZL bietet zudem eine Vielfalt an Möglichkeiten für wissenschaftliche Kooperationen
mit Nicht-DZL-Partnern, etwa im Rahmen wissenschaftlicher Projekte. Dabei können Daten
und Materialien aus DZL-Plattformen auf Antrag auch Nicht-DZL-Partnern zur Verfügung
gestellt sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in DZL-Projekte
eingebunden werden.
Weitere wertvolle Partner für das DZL sind Organe wie die Zeitschrift Pneumologie,
mit deren Unterstützung das DZL seine Projekte, Forschungsergebnisse und Termine an
das interessierte Fachpublikum kommunizieren kann.
DZL – Veranstaltungen
2012 wird das DZL zum ersten Mal und dann jährlich wiederkehrend an einem seiner Standorte
eine wissenschaftliche Tagung abhalten. Erstmals wurde diese vom 21. bis 23. Juni
vom Universities of Gießen and Marburg Lung Center (UGMLC) in Marburg ausgerichtet.
Themenschwerpunkt der diesjährigen Tagung war „Remodeling, Repair and Regeneration
in Lung Diseases“. Die Jahrestagung 2013 wird in München stattfinden.