Einleitung
Patienten mit funktionellen Atemstörungen des Larynx, insbesondere Patienten mit Vocal
Cord Dysfunction (VCD), leiden unter anfallsartiger Atemnot, Engegefühl im Hals und
beschreiben auffällige Atemgeräusche [1 ]. Obwohl es zahlreiche Publikationen zur VCD gibt, kommt es häufig zu Fehldiagnosen
und zur Verwechslung mit akuten Asthma-Anfällen. Neben der schwierigen Diagnostik
wird eine psychische Genese der VCD diskutiert. Es gibt eine Reihe von Arbeiten, die
die Atemstörungen mit psychologischen Auffälligkeiten in Verbindung bringen. Bei Jugendlichen
hatten in der Untersuchung von Landwehr et al. [2 ] sechs von sieben Patienten mit VCD eine psychiatrische Diagnose. In einem anderen
Kollektiv lag bei 55 % der Patienten sozialer Stress, verbunden mit Hochschulsport,
vor [3 ]. Die VCD wird als Konversionsstörung im Jugendlichenalter betrachtet [4 ] sowie als eine Somatisierung von unterdrücktem Ärger und Depression [5 ]. Ein Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch ist beschrieben [6 ]. Eine Autorengruppe aus Denver untersuchte einen Zusammenhang zwischen VCD und psychologischen
Auffälligkeiten bei Jugendlichen mit VCD [7 ] systematisch mittels des „youth self-report“ (YSR) [8 ] und der „child behavior checklist“ (CBCL) [9 ]. Insgesamt gibt es Evidenz dafür, dass Patienten mit VCD ein erhöhtes Risiko für
psychiatrische und familienpsychologische Funktionsstörungen haben, jedoch ist die
Aussagekraft der relevanten Literatur durch methodische Schwächen limitiert [7 ].
Um für den deutschsprachigen Raum systematisch psychische Auffälligkeiten bei Jugendlichen
mit anfallsartiger Atemnot zu untersuchen, erhielten Patienten mit Verdacht auf funktionelle
Atembeschwerden und deren Eltern den YSR bzw. den CBCL Fragebogen. Die Ergebnisse
der Untersuchung wurden mit der Repräsentativstichprobe der Tests verglichen.
Material und Methoden
Patienten und VCD-Diagnostik
In die offene Studie wurden 31 Patienten im Alter von 8 – 16 Jahren (28 weiblich,
drei männlich) eingeschlossen, die sich in unserer Ambulanz für Pneumologie und Allergologie
im Zeitraum von Februar 2009 bis Januar 2011 mit anfallsartiger Atemnot vorstellten
([Tab. 1 ]). Der Verdacht einer VCD wurde anhand von drei Kriterien gestellt: Atemnot bei körperlicher
Belastung, Engegefühl im Halsbereich und wenn die Patienten nicht – wie zu erwarten
– auf eine etablierte Asthmatherapie ansprachen. Die Patienten hatten keinen chronischen
Husten und keine Erkrankung der oberen Atemwege, wie eine chronische Rhinitis oder
Sinusitis.
Tab. 1
Patientencharakteristika.
Gesamt
Patienten
(n)
31
weiblich/männlich
(n)
28/3
VCD/BHR
(n)
14/17
erste Symptome
(Jahre, MW ± SA)
11,9 ± 2,7
Alter bei Diagnose
(Jahre, MW ± SA)
12,8 ± 2,3
Diagnose Asthma
(n, %)
10 (32,3)
Asthmatherapie
(n, %)
20 (64,5)
Die Patienten waren überwiegend weiblich. Zwischen den ersten Symptomen der Atemnot
und der Diagnosestellung verging im Schnitt ein Jahr. Bei Erstvorstellung hatten 32 %
die Diagnose Asthma und 65 % eine Asthmatherapie.
Zunächst wurden die Patientendaten erhoben, und Kinder und Eltern füllten die Fragebögen
aus. Im Anschluss wurde ein Lungenfunktionstest durchgeführt (MasterScreen, CareFusion
Ltd., Hoechberg, Deutschland), und es erfolgte eine direkte Laryngoskopie (Video ENF-V2
Laryngoskop, Olympus® ). Bei normaler Basis-Lungenfunktion führten wir eine Methacholin-Provokation mit
steigenden Dosen von Methacholin durch, bis zum Abfall der Einsekundenkapazität um
20 Prozent, im Vergleich zum Ausgangswert, oder bis die Höchstdosis des Methacholin
erreicht war [10 ]. Nach der Methacholin-Provokation erfolgte eine zweite direkte Laryngoskopie [11 ].
Die Untersuchung wurde von der Ethikkommission der J. W. Goethe-Universität, Frankfurt
am Main, bewilligt. Alle Studienteilnehmer – und bei Minderjährigen deren Eltern –
gaben zum Anfang ihr schriftliches Einverständnis. Die Studie wurde registriert unter
Clinical trials gov: NCT 00906867.
Fragebögen
Unsere Untersuchung zu psychischen Auffälligkeiten stützte sich auf zwei Fragebögen,
den Youth-Self-Report (YSR) für Jugendliche im Alter von 11 bis 18 Jahren [8 ] und die Child-Behavior-Checklist (CBCL) [9 ] für Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 18 Jahren. Der YSR ist von den
Jugendlichen selbst, die CBCL ist von den Eltern auszufüllen. Sie dienen der Selbst-
bzw. Fremdeinschätzung, und beide Fragebögen sind nahezu identisch.
Im ersten Teil werden psychosoziale Kompetenzen des Jugendlichen erfragt, der zweite
Teil besteht aus 120 Items, in denen Verhaltensauffälligkeiten, emotionale Auffälligkeiten
und körperlicher Beschwerden beschrieben werden. Der Beurteilungszeitraum umfasst
die letzten sechs Monate. Die Beurteilung erfolgt anhand einer dreistufigen Likert-Skala
von 0 = „nicht zutreffend“ über 1 = „etwas oder manchmal zutreffend“ bis 2 = „genau
oder häufig zutreffend“. Aus den Items des zweiten Teils des Fragebogens werden acht
Syndromskalen gebildet. 33 Items sind keiner Skala zugeordnet und gehen zusammen mit
den anderen Items in den 118 Items umfassenden Gesamtauffälligkeitswert ein [12 ].
Zu den internalisierenden Syndromskalen gehören beispielsweise „Sozialer Rückzug“
mit den Items „alleine, schüchtern, verschlossen und häufiger traurig verstimmt sein“
und „ängstlich/depressiv“ mit den Items „Ängstlichkeit, Nervosität, Einsamkeit, soziale
Ablehnung, Minderwertigkeitsgefühle und traurige Verstimmung“. Zu den externalisierenden
Syndromskalen gehören „Dissoziales Verhalten“ mit den Items „Lügen, Stehlen, Fluchen
und von zuhause Weglaufen“ und „Aggressives Verhalten“ mit den Items „Wutausbrüche,
Eifersucht und Affektlabilität“.
Bei der Auswertung der Fragebögen ergeben sich Summenwerte, die entsprechenden T-Werten
und Prozenträngen zugeordnet werden können.
Die deutsche Normierung der Ergebnisse erfolgte 1994 anhand der PAK-KID-Studie [12 ]. Diese ergab, dass die in der Befragung auffälligsten zwei Prozent (2 %) der Repräsentativstichprobe
klinisch ebenfalls als auffällig beurteilt werden können. Daraus ergibt sich ein signifikantes
Ergebnis für die Kompetenzen ab einem T-Wert kleiner 41. Der alle Stichpunkte umfassende
Gesamtwert für die Syndromskala wird ab einem T-Wert größer 59 als „grenzwertig“ und
größer 63 als „auffällig“ interpretiert.
Auffällige Ergebnisse in den Fragebögen liefern keine psychiatrischen Diagnosen, sondern
zeigen lediglich Tendenzen zu Verhaltensauffälligkeiten auf, die einer genaueren psychiatrischen
Abklärung bedürfen.
Statistik
Nach Prüfung auf Normalverteilung wurde anhand des Student t-Tests untersucht, ob
sich die statistischen Mittelwerte der vorliegenden Patienten von der Normstichprobe
unterscheiden. Der Zusammenhang zweier Stichproben wurde mithilfe der Pearson-Korrelation
oder der Rangkorrelation nach Spearman berechnet. Ein p < 0,5 wurde als statistisch
signifikant angesehen.
Ergebnisse
Von den 31 Patienten berichteten 29 über Atemnot bei körperlicher Belastung, 27 hatten
ein Engegefühl im Hals, und 16 von 20 Patienten (80 %) reagierten nicht, wie zu erwarten,
auf eine Asthmatherapie. Mit der Methode der direkten Laryngoskopie vor und nach Methacholin-Provokation
konnten wir bei 14 Patienten eine VCD und bei 17 Patienten eine bronchiale Überempfindlichkeit
(BHR) diagnostizieren [11 ].
Von den 31 Kindern und Jugendlichen konnten insgesamt 24 YSR-Verhaltensfragebögen
ausgewertet werden. Fünf Patienten lagen unterhalb der Altersnorm, und zwei Patienten
hatten den Fragebogen lückenhaft ausgefüllt.
Acht der 24 Patienten (33,3 %) waren internalisierend grenzwertig bis auffällig. Im
Bereich der internalisierenden Auffälligkeiten waren alle drei Bereiche, sozialer
Rückzug, körperliche Beschwerden sowie ängstlich/depressiv, in etwa gleichem Maße
betroffen. Vier (16,6 %) der Befragten erzielten ein grenzwertiges bis auffälliges
Ergebnis in der Gesamtbetrachtung der externalisierenden Verhaltensweisen. Der Gesamtwert
aller Items war bei zwei (8,3 %) Patienten im grenzwertigen und bei vier (16,7 %)
Patienten im auffälligen Bereich. Im Bereich der Kompetenzen zeigten nur zwei (8,3 %)
der Patienten Auffälligkeiten ([Tab. 2 ]). Für beide Gruppen, VCD und BHR, fanden sich keine Unterschiede, so hatten von
den vier auffälligen Patienten im Gesamtwert zwei eine VCD und zwei eine BHR.
Tab. 2
YSR-Fragebogen n = 24.
grenzwertig n (%)
auffällig n (%)
Kompetenzskalen
Aktivitäten
0 (0,0)
0 (0,0)
soziale Komponente
1 (4,2)
0 (0,0)
gesamt
0 (0,0)
2 (8,3)
Syndromskalen
Internalisierende Auffälligkeiten
sozialer Rückzug körperliche Beschwerden ängstlich/depressiv internalisierend
2 (8,3) 2 (8,3) 1 (4,2) 6 (25,0)
1 (4,2) 1 (4,2) 1 (4,2) 2 (8,3)
Externalisierende Auffälligkeiten
dissozial aggressiv externalisierend
1 (4,2) 2 (8,3) 2 (8,3)
0 (0,0) 0 (0,0) 2 (8,3)
Gemischte Auffälligkeiten
soziale Probleme schizoid/zwanghaft Aufmerksamkeitsprobleme
0 (0,0) 0 (0,0) 1 (4,2)
0 (0,0) 0 (0,0) 0 (0,0)
gesamt
2 (8,3)
4 (16,7)
T-Werte: Kompetenzskalen grenzwertig 37 – 40, auffällig < 37; Syndromskalen: grenzwertig 67 – 70, auffällig > 70; übergeordnete Skalen grenzwertig
60 – 63, auffällig > 63
Ergebnisse des Fragebogens für Jugendliche (Youth-Self-Report). Eine Abweichung von
der Norm (2 %) besteht in der Gesamtskala und in den internalisierenden Skalen.
Die CBCL wurde für 30 Patienten ausreichend beantwortet, bei einem Patienten war der
Fragebogen lückenhaft ausgefüllt. Der höchste Wert ergab sich für die internalisierenden
Auffälligkeiten, 36,7 % der Eltern beurteilten die Kinder mit grenzwertigen und auffälligen
Werten. Hier fanden sich deutlich erhöhte Werte bei den körperlichen Beschwerden (20 %)
und weniger häufig bei ängstlich/depressivem Verhalten (10 %). Externalisierende Auffälligkeiten
(überwiegend Aggressivität) beschrieben 16,6 % der Eltern. Der Gesamtwert für alle
Stichpunkte war in 10 % der Beurteilungen im grenzwertigen und in 20 % der Beurteilungen
im auffälligen Bereich. Es zeigten sich wenig Auffälligkeiten bei den Kompetenzen
(3,3 %). ([Tab. 3 ]). Für beide Gruppen, VCD und BHR, fanden sich keine Unterschiede, so hatten von
den sechs auffälligen Patienten im Gesamtwert drei eine VCD und drei eine BHR.
Tab. 3
CBCL-Fragebogen n = 30.
grenzwertig n (%)
auffällig n (%)
Kompetenzskalen
Aktivitäten
1 (3,3)
0 (0,0)
soziale Komponente
0 (0,0)
0 (0,0)
gesamt
1 (3,3)
0 (0,0)
Syndromskalen
Internalisierende Auffälligkeiten
sozialer Rückzug körperliche Beschwerden ängstlich/depressiv internalisierend
1 (3,3) 2 (6,7) 2 (6,7) 6 (20,0)
0 (0,0) 4 (13,3) 1 (3,3) 5 (16,7)
Externalisierende Auffälligkeiten
dissozial aggressiv externalisierend
1 (3,3) 1 (3,3) 1 (3,3)
1 (3,3) 3 (10,0) 4 (13,3)
Gemischte Auffälligkeiten
soziale Probleme schizoid/zwanghaft Aufmerksamkeitsprobleme
0 (0,0) 5 (16,7) 1 (3,3)
0 (0,0) 1 (3,3) 2 (6,7)
gesamt
3 (10,0)
6 (20,0)
T-Werte: Kompetenzskalen grenzwertig 37 – 40, auffällig < 37; Syndromskalen grenzwertig 67 – 70, auffällig > 70; übergeordnete Skalen grenzwertig
60 – 63, auffällig > 63
Ergebnisse des Fragebogens für die Eltern (Child-Behaviour-Checklist). Eine Abweichung
von der Norm (2 %) besteht in der Gesamtskala, bei den körperlichen Beschwerden und
dem aggressiven Verhalten.
Im Vergleich der Ergebnisse beider Fragebögen ergaben sich für die T-Werte keine signifikanten
Unterschiede zwischen Selbst- (YSR) und Fremdeinschätzung (CBCL) in Bezug auf die
Kompetenzskala, internalisierende Auffälligkeiten, externalisierende Auffälligkeiten
und den Gesamtwert der Stichpunkte. Bis auf die Kompetenzen bestand für alle Skalen
eine signifikante Korrelation ([Tab. 4 ], [Abb. 1 ] und [Abb. 2 ]). Jedoch berichten die Eltern bei den internalisierenden und externalisierenden
Auffälligkeiten prozentual häufiger über ein signifikant auffälliges Verhalten, während
die Angaben der Jugendlichen überwiegend im grenzwertigen Bereich sind ([Tab. 2 ] und [Tab. 3 ]). Die nicht-signifikanten Unterschiede und die Korrelation zwischen Selbst- (YSR)
und Fremdeinschätzung (CBCL) kommen dadurch zustande, dass die T-Werte des Grenzbereiches
und des auffälligen Bereiches eng zusammen liegen,
Abb. 1 Korrelation der internalisierenden T-Werte im Vergleich Jugendliche und Eltern (r = 0,44,
p = 0,03).
Abb. 2 Korrelation der externalisierenden T-Werte im Vergleich Jugendliche und Eltern (r = 0,63,
p = 0,001).
Tab. 4
Vergleich T-Werte Kinder und Eltern, n = 24.
Kinder
Eltern
p
Pearson-Korrelation
p
Kompetenzen
MW ± SA
53,2 ± 7,8
55,6 ± 7,9
0,22
r = 0,28
0,19
internalisierend
MW ± SA
51,6 ± 12,5
54,8 ± 9,7
0,33
r = 0,44
0,03
externalisierend
MW ± SA
50,8 ± 9,8
51,5 ± 10,2
0,79
r = 0,63
0,001
gesamt
MW ± SA
51,3 ± 11,1
53,9 ± 10,4
0,41
r = 0,54
0,006
Die T-Werte für Jugendliche und Eltern unterscheiden sich nicht (Student t-Test).
Für die in- und externalisierenden Skalen sowie die Gesamtskala gibt es eine signifikante
Korrelation.
In der Beurteilung von Jugendlichen und Eltern bestand kein Zusammenhang zwischen
den Gesamtwerten und dem Auftreten von Atemnot oder körperlichen Einschränkungen (Die
Daten wurden nicht aufgeführt.).
Diskussion
Dies ist die erste Untersuchung in Deutschland, die mithilfe von standardisierten
Fragebögen psychische Auffälligkeiten bei Jugendlichen untersucht, die sich mit Symptomen
der Vocal Cord Dysfunction in einer spezialisierten Ambulanz vorstellen.
Die Patienten und ihre Eltern erhielten zuerst die Fragebögen, dann erfolgte die Diagnostik
der VCD mithilfe der Laryngoskopie und Methacholin-Provokation. Dabei wurde bei 14
Patienten die Diagnose VCD und bei 17 Patienten die Diagnose BHR gestellt.
Patienten mit VCD haben eine akute wiederkehrende Atemnot mit einem Engegefühl im
Hals [1 ]. Bei Jugendlichen wird die VCD typischerweise durch körperliche Anstrengung getriggert
[13 ], und die Symptome reagieren nicht auf eine Asthmatherapie mit ß-Mimetika [14 ]. Für fast alle Patienten in unserer Untersuchung treffen diese Anzeichen der VCD
zu, und anhand der klinischen Beurteilung konnten beide Patientengruppen nicht unterschieden
werden. Das heißt, es gibt eine Gruppe von jugendlichen und überwiegend weiblichen
Patienten mit BHR, die wie eine VCD imponiert. Erstaunlicherweise finden sich psychische
Auffälligkeiten, gleich verteilt, in beiden Gruppen. Aufgrund der zu geringen Fallzahl
konnten wir bei der Auswertung der Fragebögen nicht zwischen der VCD- und der BHR-Gruppe
unterscheiden.
Die Übereinstimmung der T-Werte zwischen Selbstbeurteilung der Jugendlichen (YSR)
und der Fremdeinschätzung der Eltern (CBCL-Fragebögen) weist darauf hin, dass die
Jugendlichen „nicht sozial erwünscht“ angekreuzt haben.
Die Auswertung der YSR-Fragebögen ergibt auf den ersten Blick wenig Auffälligkeiten,
doch haben die Jugendlichen erhöhte Werte in der Gesamtskala. Im Jahr 1999 wurden
508 Kinder, Jugendliche und deren Eltern, die eine hausärztliche Praxis in Aachen
aufsuchten, mithilfe des YSR und CBCL befragt [15 ]. Hier finden sich für die Jugendlichen ähnliche Werte in der Gesamtskala. Doch sind
diese zu gleichen Teilen auf internalisierende und externalisierende Auffälligkeiten
zurückzuführen. In unserer Untersuchung ergibt sich der erhöhte Gesamtscore überwiegend
aus grenzwertigen und auffälligen Befunden in der internalisierenden Syndromskala.
In der Aachener Untersuchung hatten 12,5 bis 27 % der Jugendlichen Verhaltensauffälligkeiten,
Leistungs- oder emotionale Störungen [15 ]. Dabei zeigten 13,3 % der Jungen und 14,0 % der Mädchen Auffälligkeiten in der internalisierenden
Syndromskala. In unserer Untersuchung gibt es eine deutliche Tendenz zu internalisierendem
Verhalten, die möglicherweise aufgrund der kleinen Stichprobe nicht eindeutiger ausfällt.
Patienten mit VCD reagieren auf anfallsartige Atemnot typischerweise mit Panik und
Erstickungsangst und sind sehr beunruhigt über das mögliche Wiederauftreten der Störung
[14 ]. Die Erhöhung der Werte unserer Gruppe weist auf eine soziale Rückzugstendenz mit
ängstlich depressivem Verhalten hin.
Dabei gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen Elternurteil und Selbsteinschätzung.
Die Eltern berichten prozentual häufiger über körperliche Beschwerden und externalisierende
Auffälligkeiten, v. a. aggressives Verhalten der Kinder. In der Regel liegt das Selbsturteil
von Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 18 Jahren auf allen Skalen über der
Einschätzung der Eltern [12 ], d. h. die Jugendlichen beurteilen sich selbst als auffälliger hinsichtlich Ängstlichkeit,
Depressivität und Störungen des Sozialverhaltens. Für die höheren Ausprägungen im
Urteil der Jugendlichen sind vermutlich vor allem die unterschiedliche Informationsbasis
von Eltern und Jugendlichen und situationsspezifisch unterschiedliches Verhalten Jugendlicher
verantwortlich. Eltern haben hinsichtlich mancher Lebensbereiche von Jugendlichen
keinen ausreichenden Einblick (z. B. Gleichaltrigengruppe, Schule) und nehmen deshalb
bestimmte Verhaltensweisen gar nicht wahr [12 ]. In der Studie aus Denver [7 ] erhielten die Jugendlichen mit VCD in der Beurteilung der Eltern in den internalisierenden
Skalen ebenfalls signifikant von der Norm abweichende T-Werte. In der Untersuchung
wurden Jugendliche und Eltern zusätzlich in einem Untersucher-basierten diagnostischen
Interview untersucht (CAPA, child and adolescent psychiatric assessment). Im Vergleich
zu einer Kontrollgruppe hatten Patienten mit VCD eine größere Anzahl von psychiatrischen
Diagnosen, vor allem Ängste wie Trennungsangst, Überängstlichkeit und Agarophobie.
Zum größeren Teil bestanden die Angstsymptome jedoch schon, bevor die Atemwegssymptome
auftraten.
Auf der anderen Seite ist die typische Reaktion auf die akute Atemnot Panik und Erstickungsangst
[13 ]. Da wir die Fragebögen erhoben, nachdem die Patienten schon erkrankt waren und wir
keine weiterführenden Interviews führten, können wir die Frage nicht klären, ob es
sich bei den Angststörungen um eine primäre, die Erkrankung auslösende oder begünstigende
Störung handelt oder ob diese nicht auch sekundär Folge intermittierender bedrohlich
erlebter Atemnotattacken sein können. Insgesamt besteht wenig Klarheit für den Stellenwert
psychiatrischer Erkrankungen in der Pathophysiologie der VCD [14 ].
Bei habituellem Husten ist bekannt, dass dieser zu vermehrter Aufmerksamkeit in der
Familie führen kann, aber auch, dass die Umstehenden mehr entnervt sind als der Patient
selbst [14 ]. Bei der VCD sind nicht nur die Patienten, sondern auch die Umgebungspersonen über
das mögliche Wiederauftreten der Atemnot sehr beunruhigt [14 ]. Die Situation belastet die Eltern offensichtlich, die Einschätzung des aggressiven
Verhaltens ist möglicherweise ein Zeichen dafür, dass die Eltern mit den Jugendlichen
oder der Situation überfordert sind. Gleiches Verhalten kann auch dann unterschiedlich
beurteilt werden, wenn oppositionelle Verhaltensweisen von den Jugendlichen weniger
ausgeprägt eingeschätzt werden als von den Eltern [12 ].
Zusätzlich gibt es Alterseffekte und Geschlechtsdifferenzen [12 ]. Nach Einschätzung der Eltern nehmen internalisierende Auffälligkeiten und dissoziale
Verhaltensweisen mit dem Alter der Kinder eher zu. Bei Mädchen fanden sich für die
internalen Störungen etwas höhere Werte, allerdings waren die Geschlechtsdifferenzen
lediglich für die Skala „körperliche Beschwerden“ statistisch signifikant [12 ]. Aufgrund der kleinen Stichprobe konnten wir keine differenzierte Analyse durchführen.
Jedoch war der überwiegende Anteil unserer Patienten weiblich. Bei aggressiven Verhaltensweisen
werden von den Eltern über die gesamte Altersspanne hinweg Jungen im Vergleich zu
Mädchen als auffälliger eingeschätzt [12 ].
Jugendliche mit VCD haben keine Schwierigkeiten bei ihren sportlichen Aktivitäten,
den sozialen Kompetenzen und in der Schule, wie auch in anderen Studien nachgewiesen
[7 ].
Es darf nicht übersehen werden, dass in unserer Untersuchung nur etwa 20 % der Fragebögen
auffällige Werte zeigten. Unstrittig ist, dass neben möglichen psychosomatischen Ursachen
somatische Faktoren auslösend oder mit auslösend für die Entstehung einer VCD sein
können. Es gibt zunehmend Veröffentlichungen über den Zusammenhang von gastro-ösophagealem
Reflux (GÖR) und VCD. In einer Untersuchung hatten 18 % der Patienten mit VCD einen
zugrundeliegenden Reflux [16 ]. Bei 19 von 22 Jugendlichen mit VCD fanden sich posteriore Veränderungen der Aryknorpel
und ein Ödem zwischen den Aryknorpeln, wie sie typischerweise bei GÖR gesehen werden
[17 ]. Wir hatten unsere Gruppe nicht systematisch für einen GÖR, z. B. mithilfe der 24 h-pH-Metrie,
untersucht. Es wurden einzig anamnestische Daten erhoben, hier hatten fünf der 31
Patienten Refluxsymptome. Eine weitere Ursache für eine VCD sind Infektionen der oberen
Atemwege. Bei 17 von 27 Patienten mit VCD konnte ein Infekt der oberen Atemwege gefunden
werden [18 ], und bei 213 Patienten mit VCD bestand bei 19 % ein „postnasal drip“ [19 ]. In einer anderen großen Serie mit 176 Patienten hatten 31 % eine begleitende Rhinosinusitis
[20 ]. In unserer Untersuchung hatten die Patienten keinen chronischen Husten und keine
Erkrankung der oberen Atemwege, wie eine chronische Rhinitis oder Sinusitis. Wir fanden
in der Untersuchung drei Patienten mit anatomischen Veränderungen: Vergrößerte Andenoide,
eine überschießende Mukosa der Aryknorpel und der Verdacht einer Rekurrenzparese [11 ]. Dies zeigt, dass wir bei der laryngoskopischen Untersuchung mit der notwendigen
Sorgfalt vorgegangen sind.
Für die Mehrzahl der Patienten sind die bekannten therapeutischen Optionen ausreichend.
Dies ist üblicherweise eine Kombination von Schulung und Sprachtherapie [13 ]
[14 ]. Sehr hilfreich ist die Visualisierung der VCD/BHR während oder nach der laryngoskopischen
Untersuchung ggf. mit Bio-Feedback. Die wirkungsvollste therapeutische Intervention
ist die Sprachtherapie. Ziel ist eine Entspannung der Muskeln von Larynx, Hals, Schulter
und Brustkorb mithilfe von Atem- und Entspannungsübungen [21 ]
[22 ]
[23 ]. Nach einer erfolgreichen Behandlung verschwinden die Symptome oft nicht ganz, jedoch
sie sind weniger schwer und weniger häufig [13 ]. Zugrundeliegende Erkrankungen wie Infektionen oder ein GÖR sollten behandelt werden
[14 ].
Im Falle, dass diese therapeutischen Maßnahmen keinen Erfolg haben, sollten die jugendlichen
Patienten im Rahmen von psychosomatischen Anamneseuntersuchungen objektiv von examinierten
Psychologen/Ärzten untersucht werden, um ein weiteres Maß zur Selbst- und Fremdeinschätzung
der betroffenen Kinder und Eltern zu erhalten. Es sollten andere Screeninginstrumente
parallel eingesetzt werden, da die hier angewandten Verfahren, streng genommen, nicht
als psychiatrisches/psychosomatisches Screening im Sinne handfester psychischer Diagnosen
fungieren, sondern eher einen Hinweis auf weitere psychosomatisch-psychiatrische Abklärung
liefern können.
In der Untersuchung von Jugendlichen mit den klinischen Zeichen einer VCD ist die
Stichprobe sehr heterogen in der Wahrnehmung der Belastung, und die Eltern geben einen
tendenziell höheren Leidensdruck an. Bei hohen Ausprägungen auf den Syndromskalen
können Jugendliche als zum Teil psychisch und verhaltensauffällig eingeschätzt werden
[24 ]. Insbesondere erhöhte körperliche Beschwerden, sozialer Rückzug sowie depressiv-ängstliche
Symptome und aggressiv-dissoziales Verhalten wurden in der vorliegenden Studie erstmalig
für deutsche Patienten mit VCD beschrieben.
Betroffenen Familien sollten Familientherapien, Familiengespräche oder ein Elterncoaching
angeboten werden. Weitere Untersuchungen sollten eine spezifischere psychosomatisch-psychiatrische
Diagnostik vornehmen, mit einer Fokussierung auf internalisierende Faktoren (sozialer
Rückzug, Depressivität, Ängstlichkeit) und körperliche Symptome. Persönlichkeit und
Belastungssituationen der Eltern sollten mit erfasst werden.