Der Klinikarzt 2012; 41(3): 107
DOI: 10.1055/s-0032-1311504
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bitte nicht weitersagen!

Winfried Harding
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Publication Date:
26 March 2012 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sicher wussten Sie es: Wer gibt, wer hilft, wer für andere da ist, stabilisiert sich damit selber, körperlich und psychisch.

Zunächst: Bekommen wir doch zunehmend zu spüren, wie unsere Lebenswelt Krankenhaus einem enormen Wandel allein durch die immens wachsende Arbeitsbelastung unterliegt. Die Umstände brauche ich hier nicht aufzuzählen, es sind immer wieder die Grenzen, an die wir stoßen. Beispiel: Altersdemografisch bedingt nehmen die multimorbiden Kranken zu, gleichzeitig die Verweildauern ab, derweil die medizinischen und persönlichen Ansprüche der Patienten wiederum zu. Dann die Grenzen der wirtschaftlichen Endlosschlange einer von unseren Geschäftsführungen geforderten Effizienzsteigerung am Arbeitsplatz. Die Folgen auch für uns: Chronische Belastungssymptome, Rückenschmerzen, Burnout u. a.

Kleiner Trost mit Beigeschmack, aber immerhin: Weil wir unsere Arbeit trotz allem ja gerne tun, rechnet uns dies das Gehirn offensichtlich hoch an. Die ”Welt am Sonntag“ zitierte dazu kürzlich eine aktuelle Untersuchung von Naomi Eisenberger von der University of California, die mit bildgebenden Verfahren nachweisen konnte, wie selbstlose Handlungen mit Glücksgefühlen belohnt werden, ähnlich denen, die sich durch ”Sex, Drogen oder gutes Essen“ entwickeln.

Na dann. Nichtsdestoweniger verweist der bekannte Psychiater Volker Faust gerne auf eine US-amerikanische Studie von Stephanie Brown aus dem Jahre 2003: Helfen macht älter! Einem anderen Menschen zu helfen, hat im Vergleich zum Infarktprophylaktikum Acetylsalicylsäure (ASS) etwa einen um das fünffach höheren positiven Effekt auf das Überleben. Und das statistisch relevant. Ihren Patienten zuzuhören, verringert somit auch Ihre Sterblichkeit, meine lieben Leser, gewiss wie ASS.

Tja, vielleicht denken Sie mal daran, wenn Sie wieder nicht auf Überstunden geachtet haben und abgehetzt die Klinik verlassen.

Vielleicht kommt das schöne Bibelwort vom ”Geben ist seliger denn Nehmen“ tatsächlich nicht von ungefähr. Dies meine ich an dieser Stelle gar nicht despektierlich, denn ich zweifle in der Tat nicht daran, dass wir letztlich einmal zurückbekommen, was wir geben, wie auch immer, so oder so.

Indes müssen Sie die Schlussbemerkung mir als altem Spötter verzeihen: Aufgepasst, nicht unseren Geschäftsführungen die simple Gelegenheit bieten, einen durch Uneigennützigkeit erzielten Überlebensvorteil etwa als geldwerten Vorteil in Abrechnung zu stellen!

Und auch darum: Bitte nichts von dem hier weitersagen!