Die Autoren dieser Studie habe eine neue Methode zur Evaluation einer pathologischen
knöchernen Anatomie bei Patienten mit "Cam"-, "Pincer"- oder "Mixed"-Impingement entwickelt.
Der β-Winkel im Röntgenbild stellt eine valide, reproduzierbare und kostengünstige
Alternative zur offenen Magnetresonanztomographie dar.
The plain β-angle measured on radiographs in the assessment of femoroacetabular impingement.
J Bone Joint Surg Br;92:1203–1208
Problematik
Das femoroacetabuläre Impingement kann eine Ursache für ein schmerzendes Hüftgelenk
bei jungen, sportlich aktiven Erwachsenen ohne radiologische Zeichen der Arthrose
sein, aber auch postraumatisch, etwa nach einer Schenkelhalsfraktur, auftreten. Pathophysiologisch
wird ein repetitives Anschlagen des vorderen femoralen Kopf-Hals-Übergangs an den
acetabulären Rand während Flexion und Innenrotation der Hüfte angenommen.
Verschiedene degenerative Veränderungen inklusive Labrumläsion und Ablösung des peripheren
acetabulären Gelenkknorpels sind möglich. Zwei wesentliche Hauptformen des femoroacetabulären
Impingement werden unterschieden: Das "Cam"- bzw. Nockenwellen-Impingement und "Pincer"
bzw. Zangen-Impingement. Das "Cam"-Impingement entsteht infolge einer verminderten
Taillierung des vorderen und vorderen-oberen Kopf-Hals-Übergangs wodurch ein vermindertes
Offset des Femurkopf gegenüber dem Schenkelhals resultiert. Gemessen wird das "Cam"-Impingement
bzw. das resultierende pathologisch verminderte Kopf-Hals-Übergangs-Offset durch den
α-Win-kel, der sich im MRT bestimmen lässt. Die MRT-Schnitte laufen dabei parallel
zur Achse des Schenkelhalses sowie durch den vorderen oder den vorderen-oberen Anteil
des Kopfes. Der α-Winkel wird durch eine Parallele zur Schenkelhalsachse durch das
Drehzentrum des Kopfes sowie durch die Verbindungslinie zwischen Drehzentrum und dem
Beginn der Kopfasphärizität gebildet.
Das "Pincer"-Impingement resultiert aus einem vermehrten acetabulären Übergreifen
des Hüftkopfes oder aber durch eine acetabuläre Retroversion was zu einem vermehrten
Containment des Femurkopfes führt. Das "Pincer"-Impingement wird durch den Zentrums-Ecken-Winkel
im anterior-posterioren Röntgenbild oder aber in der Faux-profile-Aufnahme quantifiziert.
Die meisten Patienten haben Mischformen der beiden Hauptformen, die als "Mixed"-Impingement
bezeichnet werden. Unabhängig vom Typ des Impingement resultiert das Anschlagen aus
dem vermin- derten Abstand zwischen Femurhals und acetabulärem Rand während Flexionsstellung
der Hüfte. Dieser Mechanismus ist radiologisch schwierig zu bestimmen. Der α-Winkel
gibt Informationen über den Schweregrad der Kopf-Hals-Übergangs-Pathologie, der Zentrums-Ecken-Winkel
beschreibt das vermehrte acetabuläre Übergreifen. Keiner dieser beiden Winkel berücksichtigt
die Interaktion zwischen Femurhals und acetabulärem Rand zum Zeitpunkt des "Impingens".
Methodik und Resultate
Die Autoren des aktuellen Artikels haben zu dieser Problematik eine Methode entwickelt:
Der β-Winkel misst im Röntgenbild die Distanz zwischen pathologisch verändertem Kopf-Hals-Übergang
und acetabulärem Rand in 90 ° Hüftbeugung bei Patienten mit femoroacetabulärem Impingement.
Die Messung wurde neben der Röntgenuntersuchung initial in der offenen Magnetresonanztomographie
durchgeführt. In der Röntgenuntersuchung wird der Röntgenstrahl im 15 ° Winkel zur
anterior-posterior Ebene – tangential zur acetabulären Ebene – auf die 90 ° flektierte,
20 ° abduzierte und 0 ° rotierte Hüfte gerichtet. In der Studie wurde das Verhältnis
zwischen Bewegungsausmaß und β-Winkel bei 50 Patienten mit femoroacetabulärem Impingement
und 50 asymptomatischen Kontrollpatienten korreliert und die Inter- und Intraobserver
Reliabilität des β-Winkel bestimmt. Patienten mit femoroacetabulärem Impingement hatten
einen signifikant kleineren (p < 0,001) durchschnittlichen β-Winkel (15,5 °, 95 %
Konfidenz-Intervall 13,3 ° – 17,7 °) verglichen mit asymptomatischen Patienten (38,7
°, 95 % Konfidenz-Intervall 36,5 ° – 41,0 °).
Die Korrelation zwischen Innenrotation und β-Winkel war in der Impingement-Gruppe
hoch, in der asymptomatischen Gruppe moderat. Der β-Winkel hatte eine exzellente Inter-
und Intraobserver Reliabilität in beiden Gruppen. Die Autoren kommen zu dem Schluss,
dass der β-Winkel im Röntgenbild eine valide, reproduzierbare und kostengünstige Alternative
zur offenen Magnetresonanztomographie bei der Evaluation einer pathologischen knöchernen
Anatomie bei Patienten mit "Cam"-, "Pincer"- oder "Mixed"-Impingement sein kann.
Kommentar
Ein interessanter Ansatz – insbesondere aufgrund der niedrigen Kosten – auch für die
niedergelassenen Kollegen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis. Weitere
praktische Anwendungen des β-Winkels im Rahmen von Studien sollten folgen.
Priv.-Doz. Dr. med. Benjamin Ulmar
Universitätsmedizin Rostock, Chirurgische Klinik und Poliklinik, Abteilung Unfall-
und Wiederherstellungschirurgie
E-Mail:
benjamin.ulmar@med.uni-rostock.de