Der Klinikarzt 2012; 41(4): 201
DOI: 10.1055/s-0032-1313805
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10. Workshop Consilium Mycologicum – Gebündelte Erfahrung und aktuelles Know-how

Gabriele Henning-Wrobel
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Gabriele Henning-Wrobel
Erwitte

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Publication Date:
02 May 2012 (online)

 

Die Rudolf-Virchow-Hörsaalruine im Medizinhistorischen Museum der Charité war der ebenso ehrwürdige wie inspirierende Rahmen für den 10. Workshop des Consilium Mycologicum am 24. und 25. Februar 2012 in Berlin. Unter dem Titel ”Gezielte Diagnostik – bestmögliche Therapieerfolge“ fördert das Consilium Mycologicum insbesondere den Erfahrungsaustausch zwischen den Generationen der Mykologen. Aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Praxis aber noch mehr die Diskussion der Inhalte standen im Mittelpunkt. In den vergangenen 30 Jahren hat das Thema Pilzinfektionen in der Medizin eine neue Bedeutung bekommen. Kaum eine Disziplin kommt am Thema Mykosen vorbei. Insbesondere in den Fachbereichen Onkologie, Intensivmedizin, Chirurgie und Dermatologie haben Mykosen ihren festen Platz im medizinischen Bewusstsein. Dennoch legt das Consilium Mycologicum immer wieder die Finger auf die Wunden und weist auf die Wichtigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Mikrobiologie und Klinik hin mit dem Ziel, Mykosen rascher und sicher zu diagnostizieren. Dies und die entsprechende Aufmerksamkeit sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie.

Wirt-Pathogen-Interaktionen bei C. albicans und Dermatophyten

Der Hefepilz Candida albicans ist häufiger Kommensale auf Schleimhäuten des Verdauungs- und Urogenitaltraktes im gesunden Wirt, kann jedoch bei abwehrgeschwächten Patienten oberflächliche sowie systemische Infektionen hervorgerufen. In molekularen Studien am Hans-Knöll-Institut in Jena zur Pathogenität des Erregers, werden insbesondere solche Faktoren untersucht, die zur Stresstoleranz und Morphogenese beitragen, z.B. zur Resistenz gegenüber Wachstums-inhibitorischen Konzentrationen von Cystein und Sulfit, wie Dr. Peter Staib darlegte. ”Ebenso untersuchen wir die Interaktion von C. albicans mit ausgewählten humanen Zellen, auch im Kontext der mikrobiellen Kommunikation.“ Dabei zeigte sich, dass bestimmte bakterielle und pilzliche Signalmoleküle humane Spermatozoen schädigen können, und dass Seminalplasma Spermatozoen sowie C. albicans vor der Assoziation mit dentritischen Zellen schützt, bedingt durch Seminalplasma-Prostaglandine. Diese Beobachtungen erscheinen für die Wirtsnische des unteren, weiblichen Reproduktionstraktes von Bedeutung und verbinden zwei maßgebliche biologische Vorgänge: die humane Reproduktion und die Mikroorganismen-Wirt-Interaktion.


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Candidainfektionen – Therapieleitlinien zur Entscheidungsfindung

”Die Fortschritte in der klinischen Medizin haben insbesondere bei Patienten mit Malignomen oder Autoimmunerkrankungen und bei kritisch Kranken auf der Intensivstation die Heilungs- und Überlebenschancen deutlich verbessert“, sagte Dr. Andreas Glöckner, Greifswald, schränkte jedoch ein, dass ”die angewendeten therapeutischen Maßnahmen, soweit die Grunderkrankung nicht schon per se damit behaftet ist, immer häufiger zum Auftreten einer Suppression des Immunsystems führt.“ Insofern sei gut nachvollziehbar, dass opportunistische Infektionen, zu denen invasive Mykosen durch Candida gehören, relevant an Bedeutung zugenommen haben. Die vierte Blutkulturstudie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft, die den Zeitraum 2006–2007 betrachtete, konnte eine Zunahme der relativen Häufigkeit der Candidämien um das Dreifache gegenüber der dritten Blutkulturstudie (2000–2001) belegen. ”Dieser Umstand gewinnt noch an Bedeutung, wenn man konstatiert, dass die Letalität invasiver Mykosen trotz verbesserter diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten deutlich über der Letalität bakterieller Infektionen liegt. Hinsichtlich der Ursachen für diese Situation sind mehrere Aspekte zu nennen: Das Hauptproblem bei Verdacht auf eine invasive Pilzinfektion beginnt für den Arzt bereits bei der Einleitung der notwendigen diagnostischen Schritte, setzt sich mit der Wertung von mykologischen Befunden fort und endet nich t zuletzt mit der Indikationsstellung zur antimykotischen Therapie, die leider häufig zu spät erfolgt. ”Ist der Entschluss zur antimykotischen Therapie bei bestehender Indikation gefasst, geht es um die Frage, welches Antimykotikum die besten Heilungschancen bietet,“ sagte Glöckner und ergänzte, dass ”differenzialtherapeutisch auch die individuelle Situation des Patienten hinsichtlich bestehender Organinsuffizienzen, der Begleitmedikation und gegebenenfalls einer antimykotischen Vorbehandlung zu bedenken sind.“ Zur Entscheidungsfindung in der spezifischen Situation bieten Therapieleitlinien auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und die in der Praxis gewonnenen Erfahrungen eine systematisch entwickelte Hilfe, um erfolgreich, sicher und möglichst kosteneffizient zu therapieren. Als Beispiele für Antimykotika, die in den Leitlinien empfohlen werden, nannte Glöckner die Echinocandine wie Anidulafungin (Ecalta®, Pfizer Pharma GmbH), Caspofungin (Cancidas®, MSD Sharp & Dohme), Micafungin (Mycamine®, Astellas Pharma GmbH). Einige Empfehlungen im Rahmen der Leitlinien richten sich nach wie vor auch auf die Azolantimykotika wie Voriconazol (Vfend®, Pfizer Pharma GmbH), das neben seiner breiten antimykotischen Wirksamkeit insbesondere zur First-Line-Therapie bei Aspergillosen genannt wird sowie Posaconazol (Noxafil®, MSD Sharp & Dohme), das zur speziellen Prophylaxe bei hämato-onkologischen Patienten zum Einsatz kommt. Das konventionelle Amphotericin B wurde weitestgehend vom liposomalen Amphotericin B (Ambisome® Gilead Sciences GmbH) abgelöst und findet entsprechend der Leitlinien breite Anwendung in der Onkologie. Neben den Empfehlungen der Infectious Diseases Society of America (IDSA) und der 3rd European Conference of Infections in Leukemia (ECIL-3), die beide 2009 veröffentlich wurden, existieren seit 2011 die Leitlinien der European Fungal Infections Study Group (EFISG) und der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) und die gemeinsamen Empfehlungen der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft (DMykG e.V.) und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG).

Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte


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