physiopraxis 2012; 10(05): 22-28
DOI: 10.1055/s-0032-1314911
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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17 May 2012 (online)

 

Hamstrings – Exzentrisches Training beugt Zerrung vor

Ein exzentrisches Training der ischiokruralen Muskulatur beugt Zerrungen beim Fußballspielen vor. Zu diesem Ergebnis kamen Jesper Petersen und sein Team von der Universität Kopenhagen.

Die Forscher teilten 942 Fußballer (Amateure und Profis) in zwei Gruppen ein: 461 führten zusätzlich zum gewohnten Training zehn Wochen lang ein exzentrisches Training der ischiokruralen Muskulatur durch – die sogenannte Nordic Hamstring Exercise (NHE). Dabei neigt sich der Spieler aus dem Kniestand über eine Extension im Kniegelenk mit geradem Rücken nach vorne, während ein Trainingspartner die Unterschenkel am Boden fixiert. Die Hamstrings sollen dabei die Bewegung so lange wie möglich abbremsen. Dann lässt sich der Spieler auf seine Hände fallen, drückt sich vom Boden ab und kommt so wieder in die Ausgangsstellung zurück. Die Interventionsgruppe trainierte in der ersten Woche einmal, in der zweiten zweimal und danach dreimal wöchentlich. Die übrigen 481 Spieler absolvierten ihr reguläres Training und dienten als Kontrollgruppe.

Mit diesem Training ließ sich die Zahl an Neuverletzungen der Hamstrings um über 60% und die der Rezidive um 85% reduzieren.

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Am J Sports Med 2011; 39: 2296–2303


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Physiotherapieforschung – Deutsche Ethikkommission gegründet

Spätestens ab Juni 2012 haben forschende Physiotherapeuten in Deutschland eine neue Möglichkeit, die ethische Unbedenklichkeit ihrer Studienprotokolle prüfen zu lassen. Dann will die neu gegründete Ethikkommission der Physio-Akademie Wremen ihre Begutachtungstätigkeit aufgenommen haben. Mit der Kommission, die die Akademie im Auftrag des ZVK gegründet hat, soll der Professionalisierungsprozess der deutschen Physiotherapie unterstützt werden.

josc


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Thoracic-outlet-Syndrom – Botox ohne Effekt

Eine Injektion des Nervengifts Botulinumtoxin-A in den M. scalenus anterior und medius bei einem Thoracic-outlet-Syndrom hat keinen Einfluss auf Schmerz und Funktion der oberen Extremität.

Das fanden Heather Finlayson und ihr Team der Universität British Columbia in Kanada heraus. An der Studie nahmen 38 Patienten teil, die unter mindestens drei der folgenden Symptome litten:

  • > Schmerzen und/oder Missempfindungen innen am Arm, am Unterarm oder der Hand

  • > Symptomverstärkung, wenn der Arm nach oben gestreckt wird

  • > Empfindlichkeit im Bereich des Plexus brachalis über der Clavicula

  • > Symptomreproduktion mit dem „elevated arm stress test“

Die Autoren teilten die Probanden per Zufall in zwei Gruppen ein. Der ersten Gruppe spritzten sie einmalig Botox in die Mm. scaleni. Ziel dabei war, die Scalenuslücke zu dekomprimieren und so die Symptome der Patienten zu verringern. Der zweiten Gruppe wurde zum Vergleich ein Plazebo in diese Muskelgruppe injiziert. Finlayson und ihre Kollegen bestimmten die Schmerzintensität, die Stärke der Parästhesien sowie die Armfunktion.

Nach sechs Wochen hatten sich die Symptome in beiden Patientengruppen nicht signifikant verändert.

anka

Pain 2011; 152: 2023–2028

1980

wurde Botulinumtoxin …

... das erste Mal therapeutisch angewendet – zur Behandlung des Strabismus. Sommerfeld B, Bergfeld D, Sattler G. Botulinumtoxin in der ästhetischen Medizin. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2010


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Schlaganfall – Beinkreuzer leben länger

Patienten, die nach schweren Schlaganfällen ihre Beine im Bett spontan überkreuzen, zeigen bei Entlassung von der Intensivstation und ein Jahr später deutlich weniger Beeinträchtigungen als Patienten, die das nicht tun.

Münchner Forscher verglichen 34 Patienten, die innerhalb der ersten 15 Tage nach Schlaganfall ihre Beine überkreuzten, mit 34 Betroffenen, die das nicht taten. Während sich beide Gruppen zum Aufnahmedatum hinsichtlich der Schwere der Bewusstseinseinschränkung, der neurologischen Schädigung, der Selbstständigkeit in Alltagsaktivitäten und allgemeiner Beeinträchtigungen nicht unterschieden, waren die „Beinkreuzer“ zum Zeitpunkt der Entlassung und ein Jahr danach weniger stark beeinträchtigt und im Alltag selbstständiger. Außerdem verstarb in dieser Gruppe nur ein Patient, in der anderen Gruppe lag die Mortalitätsrate mit 18 Patienten bei über 50 Prozent.

hoth

Neurology 2011; 77: 1453–1456


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Schlaganfall – Symmetrie mit PNF trainieren

Patienten, die nach einem Schlaganfall beide Beine unterschiedlich belasten, können von einer Rehabilitation mit PNF-Übungen profitieren. Das ist das Ergebnis einer Studie von Physiotherapeut Dr. Tomasz Wolny und seinem Team aus dem polnischen Kattowitz.

Die Forscher untersuchten die Effekte einer Rehabehandlung auf die Belastungssymmetrie der Beine bei 47 Patienten nach Schlaganfall. In einer randomisierten kontrollierten Studie erhielten die Patienten entweder die dort gängige Physiotherapie mit passiven und aktiven Übungsanteilen oder Physiotherapie nach der PNF-Methode. Vor und nach der dreiwöchigen Behandlung untersuchten die Therapeuten die Belastungssymmetrie mithilfe des Stehens auf zwei Waagen und der Gehgeschwindigkeit. Nach der Intervention hatten sich beide Gruppen verbessert. Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren jedoch nicht signifikant. Tomasz Wolny und seine Kollegen schlussfolgern, dass die PNFMethode effektiver ist als der traditionelle Rehabilitationsansatz. Jedoch konnten sie dies nicht mit signifikanten Unterschieden zwischen den Gruppen belegen.

hoth

Phys Med Rehab Kuror 2011; 21: 220–226

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als Empfehlungsgrad …

... bekamen Mobilisationen und Manipulationen zur Therapie des chronischen, unspezifischen Rückenschmerzes in der aktuellen „Nationalen VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz“. Das bedeutet: „Empfehlung offen“. Somit spricht aufgrund bisheriger Studien weder etwas für diese Techniken noch etwas dagegen.


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Chronische Rückenschmerzen – Manipulationen helfen langfristig

Manipulationen an der Wirbelsäule helfen, chronische, unspezifische Schmerzen im unteren Rücken zu lindern – und das sogar langfristig. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Mohammed Senna und Shereen Machaly von der Mansoura-Universität, Ägypten.

Die Forscher teilten 60 Patienten, die seit mindestens sechs Monaten an Rückenschmerzen litten, per Zufall in drei Gruppen ein. Je nach Gruppe erhielten die Probanden:

  • > 12 Plazebomanipulationen innerhalb eines Monats

  • > 12 LWS-Manipulationen innerhalb eines Monats

  • > 12 LWS-Manipulationen wie Gruppe zwei, danach über neun Monate alle zwei Wochen weitere Manipulationen

Nach der einmonatigen Behandlungsphase hatten die Patienten der zweiten und dritten Gruppe deutlich geringere Schmerzen und Einschränkungen. Nach zehn Monaten zeigte nur noch die dritte Gruppe weitere Verbesserungen. Die Patienten der zweiten Gruppe waren nach dieser Zeit wieder annähernd zu ihrem ursprünglichen Status zurückgekehrt.

Um die optimale Behandlungsanzahl und -frequenz herauszufinden, sollten weitere Stu dien durchgeführt werden.

asba

Spine 2011; 36: 1427–1437


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Oberschenkelverletzungen – Gefahr schon im Jugendfußball

Oberschenkelverletzungen kommen im Fußball häufig und in sämtlichen Ausprägungen vor – und das bereits in der Jugend. David Kloke und sein Team aus Großbritannien wollten nun wissen, wann und wie sich jugendliche Kicker solche Verletzungen zuziehen und von welchen Faktoren deren Prognose abhängt. Dazu dokumentierten sie fünf Jahre lang die Verletzungsmuster von acht- bis sechzehnjährigen Leistungsfußballern.

Insgesamt 12.306 Kicker nahmen an der Studie teil. In dem Untersuchungszeitraum traten 1.288 Verletzungen auf. In ihrer Auswertung stellten die Autoren Folgendes fest:

  • > Am häufigsten betroffen ist der Quadrizeps.

  • > Mittelfeldspieler verletzten sich am häufigsten, gefolgt von Verteidigern und Stürmern.

  • > Rezidive traten 345 mal auf, also bei mehr als einem Viertel der Spieler.

  • > Verletzte Spieler fielen im Schnitt 13 Tage lang aus, nach einem Rezidiv 12 Tage.

  • > Das Verletzungsrisiko steigt gegen Ende derersten Halbzeit an und bleibt während der zweiten Hälfte bestehen.

  • > Die Anzahl an Quadrizeps-, Hamstring- und Adduktorenverletzungen verändert sich mit zunehmendem Alter nicht, die Schwere der Verletzungen steigt dagegen an.

  • > Eine längere Regenerationsphase nach Verletzung haben die Spieler, bei denen die Hamstrings betroffen sind, diejenigen, die sich das erste Mal verletzen, sowie die, die sich die Verletzungen durch Kontakt mit einem anderen Spieler zugezogen haben.

josc

Am J Sports Med 2012; 40: 433–439


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Schmerzskalen – Hohe Genauigkeit nachgewiesen

Visuelle Analogskala (VAS), Numerische Ratingskala (NRS), Verbale Ratingskala (VRS) sowie die Faces-Pain-Skala (FPS-R) sind zur Ermittlung der Schmerzintensität gleichermaßen verlässlich. In einer Studie tauchten 127 gesunde Studenten eine Hand nacheinander für jeweils 20 Sekunden in 1°C, 3°C, 5°C und 7°C kaltes Wasser. Jeder Proband beurteilte seine Schmerzen nach jeder Temperatur anhand der vier Schmerzskalen. Pro Person wurden also 16 Werte ermittelt. Mit allen Schmerzskalen konnten die Forscher zwischen den einzelnen Temperaturen signifikante Unterschiede in der Schmerzintensität feststellen. Am empfindlichsten war die NRS, gefolgt von VAS, VRS und FPS-R. Die Unterschiede zwischen den Skalen waren jedoch äußerst gering.

asba

Pain 2011; 152: 2399–2404


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Kinesiotape – Effekt bei Sportverletzungen fraglich

Kaum eine Therapiemethode liegt derzeit so im Trend und ist gleichzeitig so umstritten wie das Softtaping. Sean Williams und sein Autorenteam aus Auckland, Neuseeland, wollten nun üperprüfen, welchen Effekt diese Tapingmethode auf Sportverletzungen und deren Prävention hat. Sie fanden heraus: Bisher ist kein durchschlagender Effekt zu erkennen.

Die Autoren richteten sich bei der Durchführung ihrer Metaanalyse nach den Vorgaben der Cochrane Collaboration. Nachdem sie verschiedene Datenbanken nach passenden Studien durchsucht hatten, fanden sie zehn, die die Einschlusskriterien erfüllten. Deren Qualität bewerteten sie von „4“ (randomisierte kontrollierte Studie mit verblindeten Probanden und Untersuchern) bis „1“ (kontrollierte Studie ohne Randomisierung und Verblindung).Zwei Studien hatten die beste Bewertung, zwei eine „3“, vier eine „2“ und eine die „1“.

Williams und seine Kollegen kamen zu dem Schluss, dass Kinesiotaping möglicherweise einen positiven Einfluss auf das Bewegungsausmaß verletzter Gelenke und die Muskelkraft haben könnte. Dafür, dass Kinesiotaping Schmerzen, Propriozeption des Sprunggelenks oder Muskelaktivität verbessert, gab es keine klaren Belege. Für weitere Studien empfehlen die Forscher, die Probanden angemessen zu verblinden und die Tapeverbände mit Plazebotapes zu vergleichen.

josc

Sports Med 2012; 42: 153–164


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Spinalkanalstenose – Schneller hilft besser

Patienten mit Spinalkanalstenose profitieren von einer Therapie mehr, wenn diese schnell erfolgt.

Amerikanische Forscher teilten 634 Betroffene einer von zwei Gruppen zu: „Beschwerden länger als zwölf Monate“ oder „Beschwerden kürzer als zwölf Monate“. Nach einer chirurgischen oder konventionellen Behandlung hatten die Patienten mit kürzer vorhandenen Symptomen weniger Schmerzen, eine höhere Lebensqualität und weniger Einschränkungen im Alltag. Die Art der Behandlung spielte dabei keine Rolle.

hoth

Spine 2011; 36: 2197–2210


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Bandscheibenvorfall – Bildung beeinflusst Therapieergebnis

Der sozioökonomische Status (SES), ein Maß für Bildungsniveau, Beruf und Einkommen, hat einen starken Einfluss auf die Gesundheit: Aus Studien weiß man, dass Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status häufiger gesundheitliche Probleme haben als Menschen mit hohem SES. Ein US-amerikanisches Forscherteam um Patrick Olson wollte nun herausfinden, inwiefern das Bildungsniveau das Outcome bei Patienten mit lumbalen Bandscheibenvorfällen beeinflusst. Dazu teilten sie 1.171 Betroffene, die wegen eines Bandscheibenvorfalls entweder operiert oder konservativ versorgt wurden, an Hand ihres Schulabschlusses einer von drei Gruppen zu:

  • > Highschool oder geringer

  • > Studium ohne Abschluss

  • > universitärer Abschluss oder höher

Olson und seine Kollegen fanden heraus, dass sich alle Patientengruppen innerhalb von vier Jahren verbessert hatten – die Operierten mehr als die Nichtoperierten. Wurden Patienten operiert, hatte das Bildungsniveau keinen Einfluss auf das Outcome. Erhielten sie jedoch konservative Therapie, verbesserten sich die Patienten mit höherem Schulabschluss hinsichtlich Schmerzen, körperlicher Funktion sowie beim Oswestry Disability Index (ODI) signifikant mehr als diejenigen mit niedrigem Bildungsniveau. Entsprechend waren die Unterschiede im Outcome zwischen operierten und nicht operierten Patienten mit hohem Bildungsniveau, vor allem denen mit universitärem Abschluss, deutlich geringer als bei denen mit niedrigem Bildungsniveau.

josc

Spine 2011; 36: 2324–2332


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