Sportverletz Sportschaden 2012; 26(02): 58-59
DOI: 10.1055/s-0032-1315694
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Intraartikuläre Injektionstherapie – Hilft das eigene Serum bei osteochondralen Läsionen?

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Publication Date:
12 June 2012 (online)

 

Die Autoren einer aktuellen Kontrollstudie empfehlen aufgrund ihrer Erfahrungen über 28 Wochen sowohl die intraartikuläre Hyaluronat- als auch die Platelet-Rich-Plasma-Injektion bei osteochondralen Läsionen des Talus. Die Injektionen von PRP finden in letzter Zeit bei einer Reihe verschiedener Knorpelund Sehnenbeschwerden der großen Gelenke Anwendung.
Am J Sports Med 2012; 40: 534–541

mit Kommentar

Die zugrundeliegende Theorie der PRPTherapie bei einer osteochondralen Läsion ist, dass die enthaltenen Wachstumsfaktoren heilungsfördernd auf beide Gewebetypen wirken sollen. PRP wird aufgrund der hohen Konzentration an Wachstumsfaktoren auch in vielen anderen Bereichen abseits der Orthopädie erforscht, z. B. bei Wundheilungsstörungen der Kornea.

Orthopäde Omer Mei Dan, Kfar-Saba/Israel, und Kollegen nahmen 32 Patienten im Alter zwischen 18 und 60 Jahren in ihre Studie auf, 29 konnten analysiert werden. Alle Patienten hatten im Vorfeld der Studie aufgrund osteochondraler Läsionen am Talus erfolglos konservative Therapien einschließlich Analgetika und NSAR erhalten. Die Autoren teilten sie einer von zwei intraartikulären Injektionstherapien zu:

  • Gruppe 1 erhielt insgesamt 3 Injektionen à 2 mL 2%iges Natriumhyaluronat in einem 1-wöchigen Intervall.

  • Gruppe 2 erhielt insgesamt 3 Injektionen aus je 2 mL PRP in einem 2-wöchigen Intervall.

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Mit Thrombozyten angereichertes Serum aus Eigenblut wird zunehmend auch bei Knorpelläsionen der Gelenke eingesetzt. Eine intraartikuläre Injektion soll u. a. die Synovialflüssigkeit verbessern, indem sie die endogene Sekretion von Hyaluronsäure induziert.(©Dörte Jensen/Thieme)

Die Therapien waren nicht verblindet, die Randomisierung wurde anhand des Zeitpunktes der Patientenvorstellung vorgenommen (Quasi-Randomisierung).

Direkt nach jeder Injektion wurde das Sprunggelenk passiv in vollem Umfang bewegt. Die Patienten erhielten die Anweisung, für 24 Stunden unnötige Fußwege zu vermeiden und 2–3 Tage lang weder Sport zu treiben noch schwere körperliche Arbeit zu verrichten. Als etwaiges Analgetikum empfahlen die Ärzte Paracetamol nach Bedarf, ferner baten sie um den Verzicht auf NSAR für einschließlich 2 Wochen nach der letzten Injektion.

Als primäres Studienziel dienten die modifizierte Ankle-HindFoot-Skala (AHFS) und die visuelle Analogsakala von 1–10 (VAS) für Schmerz unter diversen Aktivitäten sowie für den Grad der Gelenksteife und Funktion (Fähigkeiten beim Treppensteigen etc.). Die Untersuchungen fanden vor Therapiebeginn statt sowie 4, 12 und 28 Wochen nach den Injektionen. Das subjektive Befinden der Patienten bezüglich der Funktion und körperlicher Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten diente als sekundäres Studienziel. Etwaige Gelenkschwellungen oder Druckempfindlichkeiten wurden ebenfalls bewertet.

Beide Gruppen profitieren

Die Patienten hatten Grad-1- bis -3-Läsionen. In beiden Gruppen verbesserten sich die Symptome innerhalb von 28 Wochen nach der jeweiligen Injektion signifikant. Bei Patienten der Gruppe 2 (PRP) war der Effekt auf die AHFS signifikant größer, ein Vorteil durch die PRP-Injektion ergab sich ferner bei den VAS-Scores für Funktion und Steife, jedoch nicht für den Schmerz. Patienten mit der PRP-Therapie gaben außerdem größere subjektive globale Verbesserungen an (Tab. [ 1 ]). Nach 12 Wochen berichtete keiner der Patienten mehr über konstante Schmerzen, unter denen vor der Therapie 22/29 Patienten gelitten hatten.

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Tab. 1 Mittelwerte der Untersuchungsergebnisse zu Studienbeginn und nach der Injektionstherapie bei 29 Patienten (30 Sprunggelenken).

Fazit

In dieser Kontrollstudie mit Patienten, die an osteochondralen Läsionen am Talus litten, verbesserten sowohl 3 intraartikuläre Natriumhyaluronat- als auch 3 PRP-Injektionen die Symptome über einen Beobachtungszeitraum von 28 Wochen deutlich. Patienten mit PRP profitierten stärker. Die Autoren halten beide Optionen für eine geeignete Firstline-Therapie bei osteochondralen Läsionen, solange keine Indikation für eine Operation vorliegt.

Hr


Kommentar

Der Ansatz ist vielversprechend

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Dr. Andreas Gösele
ist Leiter des Swiss Olympic Medical Center, crossklinik, Basel, einem Kompetenzzentrum für Sportmedizin, Sportorthopädie und Rekonstruktive Chirurgie

Osteochondrale Läsionen des Talus sind relativ selten und treten in überwiegendem Maß im Rahmen von Unfällen des oberen Sprunggelenks auf (Distorsionen, Frakturen, chronische Instabilität). Der Heilungsverlauf ist abhängig von Ursache, Alter und Schweregrad der Läsion. Spontane Heilungsverläufe werden ebenso beobachtet wie protrahierte Verläufe mit chronischen Schmerzen über viele Jahre hinweg.

Die Diagnose wird klinisch-radiologisch gestellt (Röntgen, CT, MRI und SPECT-CT) und dient als Basis verschiedener Klassifikationen, die den Schweregrad festlegen. Grundsätzlich wird unterschieden, ob die Läsion nur oberflächlich oder tiefer gelegen ist. Man differenziert, ob die Knorpeloberfläche intakt oder unterbrochen ist und ob das Fragment in situ verweilt oder disloziert ist.


Konservative Therapie noch undefiniert

Die "höheren Schweregrade" werden in der Regel operiert, die leichteren hingegen konservativ behandelt. Hinsichtlich der operativen Therapie gibt es viele unterschiedliche Therapieansätze, während die konservative Therapie nur wenig untersucht und praktisch nicht definiert ist. Vielmehr scheint die konservative Behandlung in einer mehr oder weniger langen Wait-and-see-Strategie zu bestehen, die mit etwas Bauchgefühl und Erfahrung gepaart als konservativer Behandlungsalgorithmus verkauft wird.


PRP – Wundermittel der Zukunft?

Die vorliegende Arbeit von Mei-Dan et al. "Platelet-Rich Plasma or Hyaluronate in the Management of Osteochondral Lesions of the Talus" [ 1 ] liefert somit einen innovativen Lösungsansatz der konservativen Behandlung der OCD am Talus, der durchaus erfolgversprechend zu sein scheint.

Während Hyaluronsäurepräparate schon seit vielen Jahren, zum Teil auch kontrovers diskutiert, in der Behandlung der Osteoarthritis eingesetzt werden, ist die Anwendung von PRP-Präparaten vergleichsweise neu auf dem Markt.

PRP ist ein angereichertes Plättchenpräparat, das aus Eigenblut gewonnen und reich an vielen und unterschiedlichen Wachstumsfaktoren ist (PDGF, TGF-β, PDEGF, VEGF, iGF-1 ...) [ 2 ]. PRP wird aktuell bei diversen muskuloskeletalen Erkrankungen und Verletzungen eingesetzt. Es werden die folgenden Einsatzbereiche unterschieden: Bänder, Sehnen, Muskeln und auch Knorpel. Die aktuelle Studienlage zur Wirksamkeit ist je nach Indikation sehr unterschiedlich und reicht von einer großen Zahl an Level-4-Studien bis hin zu einer sehr überschaubaren Zahl an Level-1-Arbeiten. Dennoch scheint das Präparat, dies zeigen die meisten Studien, eine zum Teil auch nachhaltige Wirkung zu erzielen.


Was zeichnet die Studie aus?

Die Arbeit zeigt uns zwei unterschiedliche Behandlungswege in der Therapie der OCD des Talus auf, zumindest was die Schweregrade 1–3 anbelangt. Beide Lösungsansätze sind innovativ. Den Einsatz der Hyaluronsäure bei OCD des Talus haben Mei-Dan und seine Arbeitsgruppe bereits 2008 als neuartig beschrieben [ 3 ]. Offensichtlich werden die damals beschriebenen guten Behandlungserfolge der konservativen Hyaluronsäuretherapie von den Resultaten der nun vorgestellten PRP-Behandlung sogar noch übertroffen. Wenngleich auch noch keine Langzeitergebnisse vorliegen, scheint der mittelfristige Verlauf von 6 Monaten durchaus positiv und signifikant zu sein. Das klinische Ergebnis wird erhärtet durch ein Tiermodell, bei dem PRP-Injektionen die Einheilung von osteochondralen Läsionen beim Hasen verbessert haben [ 4 ].


Studienmängel lassen Fragen offen

Mei-Dan et al. vergleichen die Ergebnisse von zwei verschiedenen Injektionspräparaten und deren Outcome miteinander. Weder die erste Arbeit [ 3 ] noch die aktuelle weisen eine Kontrollgruppe auf. Es werden ausschließlich klinische Scores, die zwar validiert sind, als Beurteilungskriterium herangezogen, aber eine objektive Beurteilung mittels eines bildgebenden Verfahrens erfolgt nicht. Gerade diese Beurteilung wäre jedoch für die langfristige Beurteilung der Verfahren sehr hilfreich. Ohne objektive Beurteilung und ohne Placebokontrolle lässt sich ein – auch potenziell hoher – Placeboeffekt praktisch nicht ausschließen. Weder ist der genaue Wirkungsmechanismus von PRP im Detail bekannt, noch sind die Herstellungsverfahren standardisiert. Somit wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Herstellungsverfahren zumindest nicht mit absoluter Sicherheit möglich sein.


Wohin geht die Reise?

Die Arbeit ist ein Anreiz, in diese Richtung weiter zu gehen. Prospektive, kontrollierte und randomisierte Studien in Kombination mit objektiven und innovativen Diagnoseverfahren, wie beispielsweise die SPECT-CT (single photon emission computed tomography) [ 5 ], könnten uns helfen, eine durchaus praktikable und kostengünstige Behandlungsmethode zu etablieren. Sollten die ausstehenden Langzeitergebnisse den Behandlungserfolg bestätigen, wären die Verfahren eine Alternative zu den teureren und invasiven operativen Verfahren und erst recht zur bisherigen "Wait-and-see-Taktik".

Dr. Andreas Gösele, Basel






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Mit Thrombozyten angereichertes Serum aus Eigenblut wird zunehmend auch bei Knorpelläsionen der Gelenke eingesetzt. Eine intraartikuläre Injektion soll u. a. die Synovialflüssigkeit verbessern, indem sie die endogene Sekretion von Hyaluronsäure induziert.(©Dörte Jensen/Thieme)
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Tab. 1 Mittelwerte der Untersuchungsergebnisse zu Studienbeginn und nach der Injektionstherapie bei 29 Patienten (30 Sprunggelenken).
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Dr. Andreas Gösele
ist Leiter des Swiss Olympic Medical Center, crossklinik, Basel, einem Kompetenzzentrum für Sportmedizin, Sportorthopädie und Rekonstruktive Chirurgie