Sportverletz Sportschaden 2012; 26(02): 60
DOI: 10.1055/s-0032-1315695
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rekonstruktion der Rotatorenmanschette – Frühe Mobilisierung: schmerzhaft und überflüssig?

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Publication Date:
12 June 2012 (online)

 

Nach einer arthroskopischen Rekonstruktion der Rotatorenmanschette gehören frühe passive Bewegungsübungen zum Standard-Rehabilitationsprotokoll, um postoperativen Versteifungen vorzubeugen. Yang-Soo Kim et al. gingen nun der Frage nach, ob nicht gerade eine längere Immobilisierung die Heilung der Sehne fördern und das Operationsergebnis verbessern kann. Dies war zwar nicht der Fall, aber einen Vorteil brachte die frühe Mobilisierung auch nicht.
Am J Sports Med 2012 40: 815–821

Die Rekonstruktion der Rotatorenmanschette ist eine der erfolgreichsten orthopädischen Behandlungsmethoden, und die meisten Patienten erlangen nach dem Eingriff eine sehr gute funktionelle Wiederherstellung. Trotz der großen Fortschritte in der Operationstechnik bleibt die Zahl der nicht heilenden Rekonstruktionen jedoch auf einem recht hohen Level. Dabei ist die strukturelle Integrität der rekonstruierten Sehne der kritische Faktor, der sowohl das klinische als auch das funktionelle Outcome beeinflusst. Die vorliegende Studie von Kim und Kollegen, Department für Orthopädische Chirurgie am Seoul National University College/Korea, hat nun überprüft, ob eine längere Immobilisierung anstelle der frühen Mobilisierung zu einem größeren Behandlungserfolg beitragen kann, indem Sehne und Knochen länger heilen können.

An der prospektiven Kontrollstudie beteiligten sich 105 konsekutive Patienten. Diese unterzogen sich aufgrund kleiner bis mittelgroßer (< 3 cm) Rupturen der Rotatorenmanschette die volle Sehnendicke betreffend ("full thickness") zwischen August 2007 und Juli 2009 einer arthroskopischen Rekonstruktion. Patienten mit großen bis massiven Rissen und einer begleitenden Versteifung oder Labralrissen wurden von der Studie ausgeschlossen.

Alle Patienten trugen je nach Größe des Defekts postoperativ für 4 (<1 cm) bis 5 Wochen (1–3 cm) eine Abduktionsschiene eingestellt auf 30°. Die Teilnehmer wurden in 2 Gruppen randomisiert, die sich demografisch nicht signifikant voneinander unterschieden.

  • Gruppe 1: Die 56 Patienten führten während des Tragens der Abduktionsschiene 3- bis 4-mal täglich frühe passive Bewegungsübungen durch. Diese begannen am 1. postoperativen Tag und umfassten Flexion nach vorne, Abduktion und Rotation nach außen.

  • Gruppe 2: Den 49 Patienten war für die gesamte Zeit des Schienentragens keine passive Bewegung erlaubt.

Alle Patienten wurden angehalten schon direkt nach der Operation folgende Bewegungen auszuführen: Ellbogenflexion/-extension, Achselzucken, Supination und Pronation des Unterarms, aktive Hand/ Handgelenks-Bewegungen. Nach Entfernung der Abduktionsschiene begannen für alle Patienten aktiv assistierte Schulterübungen.

Funktion und Schmerz ohne signifikanten Unterschied

Der Bewegungsumfang sowie die Visuelle Analogskala (VAS) für das Schmerzempfinden wurden präoperativ, nach Entfernen der Abduktionsschiene sowie 3, 6 und 12 Monate postoperativ gemessen. Dabei bestand zu keinem Zeitpunkt ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen. So lag die Schmerz-VAS 6 Monate postoperativ bei 3,0 in Gruppe 1 und 3,2 in Gruppe 2 (p = 0,745). 12 Monate nach dem Eingriff betrugen die Werte 2,8 und 1,8 (p = 0,34).

Die Funktionalität wurde 6 und 12 Monate nach dem Eingriff mittels Constant-Score, Simple-Shoulder-Test (SST) und ASES-Score (American Shoulder and Elbow Surgeons) beurteilt. Alle Werte hatten sich durch den Eingriff deutlich verbessert, der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war jedoch auch hier nicht signifikant. Die Ergebnisse zum Studienende nach 12 Monaten lieferten im Gruppenvergleich 1 versus 2

  • einen Constant-Score von
    69,81 ± 3,43 vs. 69,83 ± 6,24,

  • einen SST von
    9,00 ± 2,12 vs. 9,00 ± 2,59 und

  • ASES-Score von
    73,29 ± 18,48 vs. 62,90 ± 12,35.


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Objektive Beurteilung ohne signifikanten Unterschied

Die postoperative Heilung wurde objektiv beurteilt durch Ultraschall, Magnetresonanz- und Computertomografie. Bei 12 % der Patienten von Gruppe 1 und 18 % der Gruppe 2 kam es im Laufe der Studie zu einer Ablösung an der rekonstruierten Manschette (p = 0,429). Insgesamt war also zu beobachten, dass es durch die verzögerte Mobilisierung nach der arthroskopischen Rekonstruktion der Rotatorenmanschette im Vergleich mit einer frühzeitigen passiven Bewegungstherapie weder vermehrt zu postoperativen Versteifungen noch zu schlechteren klinischen Ergebnissen kam.

Fazit

Frühzeitige passive Bewegungsübungen nach einer arthroskopischen Rekonstruktion der Rotatorenmanschette garantieren keine schnellere Erweiterung des Bewegungsumfangs, beeinflussen die Heilung aber auch nicht negativ. Die Rehabilitationstherapie nach der Reparatur kleiner bis mittelgroßer Full-Thickness-Risse könne daher an den Patienten angepasst und so seine Compliance erhöht werden.

Britta Brudermanns, Köln


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