Unterschiede des Erregerspektrums und der Letalität von
im Pflegeheim erworbener (NHAP: Nursing home-acquired
pneumonia) und ambulant erworbener Pneumonie (CAP:
Community-acquired pneumonia) werden immer noch
kontrovers diskutiert. In der vorliegenden Arbeit von S. Ewig
et al. wurden diese anhand der CAPNETZ-Datenbank untersucht.
Thorax 2012; 67: 132–138
Alle Patienten der CAPNETZ-Datenbank (Januar 2002–Juni 2009), die im Rahmen einer
CAP initial stationär behandelt wurden und 65 Jahre oder älter waren (n = 3087) wurden
in die Analyse eingeschlossen. Verglichen wurden Patienten mit CAP (n = 2569) und
Patienten mit NHAP (n = 518). Patienten mit NHAP hatten, gemessen am CRB-65 Score,
eine schwerere Pneumonie als Patienten mit CAP. Der Anteil der Patienten mit einem
CRB-65-Score 3–4 war in der NHAP-Gruppe 3-mal so hoch (26,7 vs. 7,7 %) und es lagen
häufiger Komorbiditäten vor (97,1 vs. 90,2 %). Trotzdem wurde dieser Patientengruppe
offensichtlich weniger Aufmerksamkeit zuteil. In beiden Gruppen war der Anteil der
beatmeten Patienten gleich (etwa 5 %). Eine antimikrobielle Kombinationstherapie erfolgte
in der NHAP-Gruppe seltener (23 vs. 42 %). Außerdem war die mikrobiologische Diagnostik
bei NHAP-Patienten weniger umfangreich.
Kurzzeit- und Langzeitletalität (innerhalb von 30 bzw. 180 Tagen) waren bei NHAP-Patienten
3-mal so hoch (26,6 vs. 7,2 % bzw. 43,8 vs. 14,6 %). Auch bei NHAP-Pa-tienten ohne
Komorbidität waren Kurzzeit- und Langzeitmortalität sehr hoch (23,1 vs. 2,6 % bzw.
30,8 vs. 6,8 %). In beiden Gruppen war das Erregerspektrum ähnlich, mit Streptococcus
pneumoniae als häufigsten Erreger. 11 von 12 Patienten mit NHAP und dem Nachweis von
Staphylococcus aureus hatten eine neurologische Erkrankung. Dies ist ein bekannter
Risikofaktor für eine Staphylokokken-Pneumonie. Potenziell multiresistente Erreger
(MDR) waren selten und methicillinresistente Staphylokokken aureus (MRSA) wurde insgesamt
in nur 2 Fällen nachgewiesen.
Die Letalität nach Erregern war bei allen führenden Erregern in der NHAP-Gruppe 3-
bis 4-mal so hoch. Folglich kann die Exzessletalität nicht durch ein unterschiedliches
Erregerspektrum erklärt werden. Vielmehr ist sie vermutlich ein Ergebnis von Komorbidität
und Einschränkungen der Behandlung bei Patienten, deren Pneumonie aufgrund von fortgeschrittenem
Alter und eingeschränktem funktionellem Status als terminales Ereignis eingeschätzt
wird. Folglich ist es nicht erforderlich, bei NHAP generell eine antimikrobielle Breitspektrum-Kombinationstherapie
anzuwenden, vergleichbar der Behandlung einer nosokomialen Pneumonie.
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Das Erregerspektrum bei NHAP- und CAP-Patienten ≥ 65 Jahren ist ähnlich, und potenziell
multiresistente Erreger sind selten. Dennoch sollte jeder Patient sorgfältig auf Risikofaktoren
für bestimmte Erreger untersucht werden.
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Kurzzeit- und Langzeitmortalität sind bei NHAP 3-mal so hoch wie bei CAP ≥ 65 Jahren.
Diese Exzessmortalität kann nicht durch ein unterschiedliches Erregerspektrum erklärt
werden.
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Eine generelle Erfassung von MRSA, ESBL und P. aeruginosa durch die initiale antimikrobielle
Therapie ist bei NHAP-Patienten nicht zu rechtfertigen. Individuelle Risikofaktoren
sollten jedoch berücksichtigt werden.
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Eine Pneumonie stellt bei Pflegeheimbewohnern oftmals ein terminales Ereignis dar.
Das Behandlungsziel sollte aufgrund von Prognose und Patientenwillen festgelegt werden.
Benjamin Klapdor, Bochum