Nakagawara VB, Montgomery RW, Wood KJ. Laser illumination of flight crewmembers by
altitude and chronology of occurence. Aviation Space Environ Med 2011: 82; 1055–60
(Bild: PhotoDisc)
Thema: Laserangriffe auf Piloten und auf das Cockpit von Luftfahrzeugen nehmen weltweit
zu. Zu diesem Thema, welches speziell die Piloten, Fliegerärzte – aber auch Behörden
(Polizei, Luftfahrtbundesamt, Deutsche Flugsicherung, Staatsanwaltschaft) beschäftigt
– veröffentlichte Van Nakagawara von der Federal Aviation Authority im November 2011
einen Artikel über Laserblendungen von Flugbesatzungen.
Projekt: Das Vision-Forschungs-Team des Civil Aerospace Medical Instituts der FAA baute eine
Datenbank auf, in der es alle Berichte über intensive Lichtblendungen ziviler und
militärischer Luftfahrzeuge in Zeitungen, im Internet sowie aus Befragungen von Besatzungsmitgliedern
sammelte. Weiterhin archivierte das Team Berichte vom Operations Control Center, den
Regionalbüros der FAA, der Transportation Security Administration, dem Department
of Homeland Security, dem Federal Bureau Investigation information bulletins sowie
dem FAA’s Office of Accident Investigation. Die Daten stammen von Laserblendungen
aus dem Zeitraum 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2008. Sie wurden im Hinblick auf
Häufigkeit in bestimmten Höhen sowie in bestimmten Zeiten analysiert.
Ergebnisse: Innerhalb dieser 5 Jahre erfolgten in den USA 2492 Laserattacken. In 1361 Fällen
wurden genaue Informationen erhoben:
-
Die meisten Angriffe (62,3 %) ereigneten sich in der Critical Flight Zone (> 610 m,
≤ 3048 m Entfernung von der Start- und Landebahn eines Flughafens).
-
23,9 % der Blendungen wurden allerdings in der Laser Free Zone (< 610 m) registriert.
-
7 % der Attacken betrafen Hubschrauber im Rahmen von Rettungsflügen und polizeilichen
Einsätzen.
Erstaunlicherweise gaben die Betroffenen nur in 145 Fällen (11 %) visuelle Symptome
an. Dabei wurde am häufigsten eine Ablenkung, gefolgt von Blendung, Schmerzen und
Nachbildern genannt. Die meisten Laserangriffe fanden in den Monaten August bis Dezember
mit einem Höhepunkt im November statt. Innerhalb der Woche wurden am häufigsten am
Sonntag die Laser verwendet, gefolgt von Samstag und Freitag. Die beliebteste Uhrzeit
für die Blendungen von Luftfahrzeugen liegt zwischen 19:00 und 23:00 Uhr mit einem
deutlichen Maximum gegen 21:00 Uhr. Die Anzahl der gemeldeten Laservorfälle stieg
in den Jahren 2004 bis 2008 um das 37-fache an.
Fazit: Der Anschaffungspreis von Laserquellen – von einigen 100 mW bis hin zu 1000 mW –
ist inzwischen gering. Dadurch stieg die Anzahl von Cockpitblendungen zum Zeitvertreib
drastisch an. Die stärkeren grünen Laser mit einer größeren Reichweite verdrängten
die schwächeren roten Laser. Die beliebtesten Jahreszeiten für Laserangriffe sind
die Monate August bis Dezember, wenn die Tag kürzer und die Außentemperaturen angenehmer
werden. Das Wochenende wird sehr gerne für diese Art Aktivitäten genutzt. In der Woche
hindern offensichtlich berufliche Verpflichtungen die Angreifer, ihrem nächtlichen
Hobby nachzugehen. Die beliebtesten Tageszeiten sind die Abendstunden, da es dann
bereits teilweise dunkel ist, aber noch ausreichend Zeit für den Nachtschlaf bleibt.
Die morgendlichen Stunden werden aufgrund des geringeren Flugverkehrsaufkommens und
dem nahenden Arbeitsbeginn offensichtlich nicht so gerne genutzt. Hubschrauberpiloten
sind ganz besonders gefährdet, da häufig nur ein Pilot im Hubschrauber ist und die
Auswirkungen der Laserangriffe aufgrund der geringen Flughöhe und der großen Cockpitfenster
intensiver sind.
Diese Studie veröffentlicht die höchste Anzahl (1361) von umfangreich dokumentierten
Laserattacken. Erstmalig wurden über einen längeren Zeitraum Daten bezüglich Höhe,
Zeitpunkt und Symptomen von einzelnen Angriffen gesammelt. Leider liegt dieser Zeitraum
bereits etwas zurück – inzwischen ist die Anzahl der Laserangriffe noch einmal deutlich
gestiegen. Die Daten erlauben Rückschlüsse auf Angriffsmuster und Angreifer: Offensichtlich
führen sie die Laserattacken vielfach aus Langeweile oder zum Zeitvertreib am Wochenende
durch, ohne ihre Arbeitsfähigkeit in der Woche zu beeinträchtigen und bei möglichst
angenehmen Außentemperaturen. Diese Information ist besonders wichtig für Piloten
und die Behörden, die solche Angriffe verfolgen. Aus ihr kann man entnehmen, zu welchen
Zeiten das Risiko einer Laserblendung besonders hoch ist. Erstaunlich ist, dass nur
circa 11 % der Flugbesatzungen, die im Cockpit einem Laserangriff ausgesetzt waren,
über Symptome klagten. Eine Studie im Flugsimulator mit simulierten Laserblendungen
an 34 Piloten im Anflug in der Laser-Free-Zone ergab, dass sich etwa 75 % der Piloten
durch Blendungen derart visuell beeinträchtigt fühlten, dass dies zu operationellen
Schwierigkeiten führte [
1
]. Wichtig bleibt in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass es bisher keinen zuverlässig
veröffentlichten Fall einer langfristigen Visusminderung nach Laserattacken von Flugbesatzungen
gibt. Bei zunehmender Laserintensität wird sich dies wohl zukünftig ändern. Auch aus
diesem Grunde ist eine Datenbank, wie bei der FAA vorhanden, und Veröffentlichung
der entsprechenden Informationen ausgesprochen wichtig, um Entwicklungen auf diesem
Gebiet wissenschaftlich darlegen und gegebenenfalls begegnen zu können.
Dr. Claudia Stern, Köln
Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin