Diabetes aktuell 2012; 10(3): 123-128
DOI: 10.1055/s-0032-1320053
Schwerpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Genetik und Epigenetik des Typ-2-Diabetes – Die verschiedenen Ebenen der Genregulation

Genetic and Epigenetic Implications in Type 2 Diabetes –The Different LSayers of gene regulation
Harald Grallert
1   Abteilung für Molekulare Epidemiologie, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Zentrum für Gesundheit und Umwelt, Neuherberg
3   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Timo Kanzleiter
2   Experimentelle Diabetologie, Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, Nuthetal
3   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
,
Robert Schwenk
2   Experimentelle Diabetologie, Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, Nuthetal
3   Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenz

Dr. Harald Grallert
Abteilung Molekulare Epidemiologie Helmholtz Zentrum München –Deutsches Zentrum für Gesundheit und Umwelt
Ingolstädter Landstr. 1
85764 Neuherberg

Publication History

Publication Date:
11 June 2012 (online)

 

Genetische Prädisposition, d. h. das Vorhandensein bestimmter Genvarianten, Ernährung und körperliche Aktivität sind Kernelemente, die das Auftreten eines Typ-2-Diabetes (T2D) beeinflussen. Ernährung und körperliche Aktivität beeinflussen nicht nur direkt den Stoffwechsel, sondern können auch über epigenetische Mechanismen zu langfristigen Änderungen in der Expression stoffwechselrelevanter Gene führen. Zahlreiche Zwillingsstudien zeigten, dass die genetische Prädisposition eine wesentliche Rolle in der Diabetes-Suszeptibilität spielt. Während die klassische Genetik nach Veränderungen in der DNA-Basensequenz sucht, die sich sowohl auf die Genregulation als auch auf die Struktur der durch die Gene kodierten Proteine auswirken können, untersucht die Epigenetik Faktoren, die sich ohne Sequenzveränderung auf die Genexpression auswirken. Mit der Erforschung der genetischen und epigenetischen Grundlagen des T2D wollen Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) dazu beitragen, spezifischere Diagnosen durch Unterteilung der Krankheit in Subklassen zu ermöglichen. Neue Erkenntnisse auf diesem Gebiet bieten daher große Möglichkeiten, die T2D Prädiktion, Prävention sowie insbesondere die individualisierte Behandlung von Diabetikern zu verbessern.


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The onset of type 2 diabetes is strongly associated with variations in different susceptibility genes. Besides sequence variations of these genes, epigenetic modulations as a second layer of gene regulation have come into focus, indicating a direct interaction between nutrition, physical activity and gene regulation. How both, genetic and epigenetic variations can be used in prediction, prevention and therapy, especially personalized treatment, is currently investigated.


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Obwohl die pathophysiologischen Mechanismen des T2D bisher nicht vollständig aufgeklärt sind, konnte die Identifizierung an der Pathogenese beteiligter Gene zum besseren Verständnis bereits bekannter Mechanismen beitragen.

Genetik des Typ-2-Diabetes

Bis heute kann die Gesamtzahl der beteiligten Gene nur geschätzt werden, jedoch wurden in den letzten Jahren durch die rasante Weiterentwicklung von Labormethoden zur Untersuchung der genetischen Variation bereits zahlreiche Genloci entdeckt, die das Diabetesrisiko beeinflussen. Bis heute konnten 48 Loci identifiziert werden, die mit T2D assoziiert sind, wenn auch die einzelnen Loci für sich genommen jeweils das T2D-Risiko nur geringfügig beeinflussen [Tab. 1].

Im Laufe der Zeit verschob sich der Schwerpunkt der Diabetesforschung im Bereich der Genetik. Bis zum Jahr 2006 basierte die Diabetesforschung auf biologischen Hypothesen. In Kandidatengenansätzen wurden Gene, deren Proteinprodukte bekannte Schlüsselrollen in Stoffwechselwegen des Glukosemetabolismus und Insulinsignalwegen spielen, in Studien von geringer bis mittlerer Größe untersucht. Obwohl über 50 Kandidatengene analysiert wurden, konnten lediglich 2 Gene (PPARG und KCNJ11) valide mit T2D assoziiert werden [1] [2]. Mit der Assoziation des TCF7L2-Locus mit dem bisher stärksten Effekt (OR = 1,4 per Allel, p = 3,1 ×10–23) wurde der Trend eingeläutet, mithilfe von DNA-Chips eine große Anzahl an Einzel-Nukleotid-Polymorphismen (SNPs) in immer größeren Populationen zu untersuchen [3]. Da bei diesem Ansatz hypothesenfrei eine sehr große Anzahl an SNPs getestet wird, müssen statistisch signifikante Signale dieser Analysen in Replikationsstudien validiert werden. Außerdem werden viele Signale erst bei einer sehr großen Studienpopulation statistisch sichtbar. Dies führte zu einem internationalen Zusammenschluss vieler Studienzentren. Bei der gemeinsamen Analyse mehrerer Studien (Meta-Analyse) wurden Gene, die das T2D-Risiko erhöhen, nicht nur durch die Analyse von T2D-Fall-Kontrollstudien, sondern auch durch Studien, die sich auf quantitative, T2D-relevante Parameter konzentrieren, entdeckt.

Das größte Konsortium für T2D-Fall-Kontrollstudien ist das internationale DIAGRAM (DIAbetes Genetics Replication And Meta-analysis) Konsortium. Weitere Konsortien sind z. B. für Glukoseparameter MAGIC (Meta-Analyses of Glucose and Insulin-related traits Consortium) und für anthropometrische Maße GIANT (Genetic Investigation of ANthropometric Traits). Aktuell werden in diesen Konsortien große Replikationsstudien mit einem speziell designten DNA-Chip durchgeführt. Mit diesem DNA-Chip werden gezielt 200 000 SNPs untersucht, deren Signale in vorherigen Meta-Analysen keine genomweite Signifikanz erreichten. Durch die kleinere Anzahl an Tests könnte die Power ausreichend sein, um kleinere Effekte zu detektieren. Die meisten bisher bekannten Risikoloci scheinen sich eher auf die Betazell-Dysfunktion auszuwirken und nur wenige auf die Insulinresistenz [4] [5]. Dabei kann bei einigen Genen Pleiotropie beobachtet werden, d. h. sie beeinflussen das Risiko mehrerer Krankheiten [6]. Überraschender Weise sind darunter relativ wenige Gene, die auch mit dem wichtigsten Risikofaktor für T2D, der Adipositas, assoziiert werden konnten, wie das HHEX/KIF11/IDE Cluster, PPARG, KCNJ11, CDKAL 1 und FTO [7]. Potenzielle Verbindungen von gestörter Lipidregulation und Glykämie liefern identifizierte Varianten in FADS1, GCKR und HNF1A, Varianten in MTNR1B und CRY2 zeigen einen Zusammenhang mit dem zirkadianem Rhythmus und metabolischen Störungen und Varianten in ADCY5 sind signifikant für ein niedriges Geburtsgewicht und T2D [8].

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Tab. 1 Assoziierte Genloci und deren Effekte. GSIS: Glukose stimulierte Insulinsekretion, FG: Nüchternglukose.
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Tab. 2 Regulation stoffwechselrelevanter Gene durch DNA-Methylierung (Auswahl).

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Problem kausaler Varianten und Funktionen

Da viele T2D-assoziierte Genvarianten in nicht-codierenden Regionen eines Gens liegen, kann man nur schwer Rückschlüsse auf die Funktion in der Pathophysiologie der Krankheit ziehen. Selten können die zahlreichen Assoziationssignale in einem Locus einer kausalen Variante zugeordnet werden, die die beobachteten Effekte durch einen Einfluss auf die Genexpression oder das Proteinprodukt des Gens direkt erklären könnte. Erschwert wird die Zuordnung der Signale zu einer kausalen Variante durch eine hohe Korrelation vieler Varianten untereinander über größere DNA-Abschnitte hinweg. In Regionen, in denen mehrere Gene liegen, ist somit unklar, welches Gen beeinflusst wird. Nur für die Genloci GCKR, PPARG und SLC30A8 gibt es fundierte Hinweise auf kausale codierende Varianten [7]. Die meisten Risikovarianten liegen in intronischen oder auch von Genen weit entfernten Regionen unbekannter Funktion. Dies zeigt die Notwendigkeit, genregulatorische Mechanismen besser aufzuklären.


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Epigenetische Mechanismen

In den letzten Jahren sind neue Mechanismen der Genregulation in den Fokus der Wissenschaft gerückt, welche unter dem Begriff der Epigenetik zusammengefasst werden. Im Gegensatz zum Basenaustausch in der DNA-Sequenz geht es hierbei um vererbbare und nicht vererbbare Veränderungen in der Struktur der DNA, die nicht auf einer Modifikation der Basenfolge beruhen. Zwei epigenetische Prozesse werden zurzeit besonders beachtet, zum einen die Modifikation der DNA-bindenden Histone und zum anderen die Methylierung der genomischen DNA.

Der DNA-Strang liegt in der Zelle im Komplex mit Histonproteinen vor, dieser Komplex wird als Chromatin bezeichnet. Eine Modifikation der Histone kann zu einer lokalen Kondensation des Chromatins führen, den Zugang der Transkriptionsmaschinerie zu den Genen blockieren und diese damit inaktivieren. Die Methylierung der DNA erfolgt an einzelnen Cytosinen und kann als Erkennungsstelle für methylbindende Proteine dienen. Diese Proteine können dann wiederum histonmodifizierende Enzymkomplexe rekrutieren oder direkt die Bindung von Transkriptionsfaktoren blockieren; das Resultat der DNA-Methylierung ist in der Regel eine verminderte Expression des betroffenen Gens [Abb. 1]. Beiden epigenetischen Prozessen ist also gemeinsam, dass sie die Expression der betroffenen Gene beeinflussen können und damit zu einer veränderten Ausprägung verschiedener Merkmale führen können.

Lange wurde angenommen, dass die mit der Zeit angehäuften epigenetischen Veränderungen zwar bei der Zellteilung an Tochterzellen weitergegeben, aber in den frühen Stadien der Embryogenese komplett gelöscht werden. Mittlerweile ist aber allgemein akzeptiert, dass nicht alle epigenetischen Veränderungen gelöscht werden und daher auch eine Weitergabe an die nächste Generation möglich ist. Epigenetische Mechanismen geben damit dem Organismus die Möglichkeit, auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren und dieses „erlernte“ Wissen sogar an nachfolgende Generationen weiterzugeben.

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Abb. 1 Epigenetische Mechanismen der Genregulation.

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Epigenetische Regulation der Diabetesentstehung

Ein gut dokumentiertes Beispiel für epigenetische Mechanismen und deren metabolische Auswirkungen ist der niederländische Hungerwinter aus dem Jahr 1944/45. In diesem Winter war der westliche Teil der Niederlande von einem Lebensmittelembargo betroffen, das die deutschen Besatzer als Vergeltungsmaßnahme für Sabotageaktionen verhängt hatten. Während des 6-monatigen Embargos lag die täglich verfügbare Essensmenge bei nur etwa 400–800 Kalorien pro Kopf. Zu dieser Zeit ausgetragene Kinder zeigten ein erhöhtes Risiko für Adipositas, Herz-Kreislauferkrankungen und T2D [9] [10] [11]. Dieser Anfälligkeit liegen epigenetische Modifikationen zugrunde, die noch nach über 60 Jahren bei den Betroffenen nachweisbar sind [12]. Die Erkenntnis aus diesen Untersuchungen ist, dass eine veränderte Versorgung des Fötus im Mutterleib zu lebenslangen Veränderungen in der Physiologie verschiedener Organe führen kann und damit zu einer Erhöhung von Krankheitsrisiken beiträgt. Diese Effekte werden zum Teil auch an die folgende Generation weitergegeben, wie ebenfalls am Beispiel des niederländischen Hungerwinters gezeigt werden konnte.

Der zugrunde liegende Mechanismus wurde in Studien am Tiermodell bereits mehrfach gezeigt. So führt eine Unterversorgung mit Nährstoffen bei trächtigen Ratten zu einer erhöhten Diabetes-Suszeptibilität des Nachwuchses, die auch noch in späteren Generationen nachweisbar ist [13]. Ebenso konnte im Tiermodell gezeigt werden, dass die Fütterung einer fettreichen, hochkalorischen Diät während der Schwangerschaft beim Nachwuchs zu einem erhöhten Risiko für Stoffwechselerkrankungen führt [14]. In beiden Fällen führte die Unter- bzw. Überversorgung während der Schwangerschaft zu epigenetischen Veränderungen bei den Nachkommen.

Interessant ist, dass nicht nur die maternale, sondern auch die paternale Ernährung den Stoffwechselstatus des Embryos beeinflusst. Dies zeigt eine Studie mit Ratten auf beeindruckende Weise [15]. Die männlichen Ratten hatten vor der Verpaarung eine fettreiche, hochkalorische Diät erhalten, die Weibchen eine Standarddiät. Nach der Verpaarung wurden beide Geschlechter wieder getrennt, sodass die Weibchen den Nachwuchs unter Normalbedingungen austragen konnten. Obwohl die Muttertiere die gewöhnliche Standarddiät erhalten hatten, war vor allem beim weiblichen Nachwuchs eine erhöhte Anfälligkeit für Störungen der insulinproduzierenden Betazellen zu beobachten und damit die Diabetesentstehung begünstigt [15].

Auf der molekularen Ebene gibt es bereits zahlreiche Beispiele für metabolisch relevante Gene, die durch epigenetische Mechanismen in ihrer Expression beeinflusst werden [Tabelle 1] [16] [17]. So wird zum Beispiel das Gen des für die insulinabhängige Glukoseaufnahme im Fettgewebe und Muskel verantwortlichen Glukosetransporters Glut4 während der Differenzierung von Fettzellen demethyliert. Daraus resultiert eine verstärkte Expression von Glut4 in Adipozyten [18]. Während der Differenzierung von Fettzellen wird neben Glut4 eine Vielzahl von Genen an- bzw. abgeschaltet; die Koordination dieser Expressionsveränderungen wird durch das Gen PPARG (Peroxisome proliferator activated receptor gamma) gesteuert. Interessanterweise wird auch PPARG während der Differenzierung von Fettzellen demethyliert und damit aktiviert. Darüber hinaus konnte sowohl in genetischen als auch diätinduzierten Mausmodellen für Diabetes eine verstärkte Methylierung und damit verminderte Expression von PPARG im viszeralen Fett beobachtet werden [19].

Auch im Skelettmuskel gibt es Hinweise auf epigenetische Modifikationen mit metabolischen Konsequenzen. Für den als metabolischen Masterregulator bezeichneten Koaktivator PGC-1α (PPARgamma coactivator 1 alpha) wurde gezeigt, dass es im Muskel von Typ-2-Diabetikern im Vergleich zu gesunden normoglykämischen Menschen zu einer Hypermethylierung kommt [20]. Dies ist von besonderer Bedeutung, da PGC-1α eine Reihe von metabolischen Prozessen im Muskel reguliert, die großen Einfluss auf die Insulinsensitivität beziehungsweise die mitochondriale Biogenese haben.

Erste Hinweise deuten auch auf eine Funktion epigenetischer Mechanismen in der Kontrolle der Nahrungsaufnahme durch den Hypothalamus hin. Es ist seit längerem bekannt, dass eine Überfütterung von Ratten in den ersten Lebenswochen zu einer lebenslang erhöhten Futteraufnahme führt und damit auch zu einer verstärkten Entstehung von Adipositas und Diabetes. Diesem Phänomen liegt unter anderem eine Methylierung des anorexigenen Genes POMC (Proopiomelanocortin) im Hypothalamus zugrunde [21]. Durch die verminderte Expression von POMC wird die Nahrungsaufnahme durch das Hormon Leptin kaum noch begrenzt und führt damit zu einer Hyperphagie. Somit ist ersichtlich, dass epigenetische Modifikationen durch exogene Faktoren, wie beispielsweise die pränatale und frühkindliche Ernährung, gesetzt werden und auch die Diabetes-Suszeptibilität erhöhen können.


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Genetische und epigenetische Marker als Prädiktoren für T2D

Technisch lassen sich definierte genetische und epigenetische Variationen leicht detektieren. Für sinnvolle klinische Prädiktion muss ein (epi-)genetischer Test allerdings sensitiv und spezifisch zwischen Individuen unterscheiden können, die T2D entwickeln oder davor geschützt sind. Als Maß für die Effizienz eines diagnostischen Tests dienen sogenannte ROC- (Receiver Operating Characteristic) Kurven. Dabei bedeutet eine Fläche unter der Kurve (AUC) von 0,5 Zufall, wohingegen eine AUC von 1,0 einen perfekten Test beschreibt. Mit einer AUC von 0,8 zeigen konventionelle Risikofaktoren somit relative gute Prädiktion, wenn auch nicht klinisch relevant, während bekannte genetische Marker nur auf eine AUC von 0,6 kommen [22]. Betrachtet man konventionelle und genetische Risikofaktoren gemeinsam, so ist der Gewinn für die Prädiktion nur gering [23]. Selbst eine Verbesserung durch tausende zusätzliche Risikovarianten wäre unwahrscheinlich. Jedoch kann durch Risikoallel-Scores bei Trägern mehrerer T2D-Risikoallele beim Vergleich der Extreme ein deutlich erhöhtes Risiko festgestellt werden [22].

Vor allem in der Onkologie wird seit längerem versucht, DNA-Methylierung als epigenetischen Biomarker für ein Erkrankungsrisiko zu etablieren. Die Plausibilität dieses Ansatzes beruht auf der Beobachtung, dass bei einer Krebserkrankung Tumor-Suppressorgene hypermethyliert und dadurch reprimiert werden [24]. Auf die Fragestellung nach der Diabetes-Suszeptibilität adipöser Patienten übertragen, könnte der Methylierungsstatus bestimmter Stoffwechselgene als Biomarker dienen. Obwohl definierte Marker bisher nicht etabliert sind, wurde jedoch in einer asiatischen Population zumindest gezeigt, dass der globale Methylierungsstatus von peripheren Blut-Leukozyten (PBLs) mit dem Risiko einer Herzkreislauferkrankung und Adipositas korreliert [25]. Inwieweit sich diese Daten allerdings auf andere Populationen übertragen lassen und wie gut die Korrelation mit definierten Krankheitsparametern (z. B. Blutglukose und Insulinsensitivität) ist, müssen erst noch zahlreiche weitere Studien zeigen. Da der globale Methylierungsstatus sicher nicht allein durch Faktoren des Metabolischen Syndroms beeinflusst wird, ist auch in den PBLs eine genauere Definition des Methylierungsortes und -grades nötig, um die Qualität dieser Methode als Screening-Ansatz zu beurteilen. Es ist daher noch einige Grundlagenarbeit nötig, um in Zukunft definierte Methylierungsmuster von PBLs als valide Prädiktion und individualisierte Therapie einsetzen zu können.


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Personalisierte Medizin

Ein anderer Weg genetische Befunde für klinische Anwendungen zu nutzen geht über spezifischere Diagnosen durch Unterteilung der Krankheit in Subklassen, bedingt durch unterschiedliche Mechanismen, bessere Prognosen durch Risikoprädiktion, für frühzeitige Präventionsmaßnahmen oder optimierte Therapien. Beispiel für die mögliche Anwendbarkeit genetischer Befunde ist der Einfluss einer genetischen Variante in TCF7L2 auf die Wirkung von Sulfonylharnstoff, während bei Metformin keine Unterschiede zu beobachten sind [26]. Dagegen wirkt sich eine Variante im ATM-Locus auf den Behandlungserfolg mit Metformin aus [27]. Inwieweit epigenetische Variationen den Behandlungserfolg von Antidiabetika beeinflussen, ist noch völlig offen.


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Zukünftige Entwicklungen

Die Heritabilität von T2D wurde auf circa 25 % geschätzt. Mit den bis heute bekannten Genvarianten können nur 5–10 % der Varianz erklärt werden [5] [7]. Seltene Varianten mit moderaten Effekten oder viele häufige Varianten mit sehr geringen Effekten könnten dazu beitragen, den Anteil erklärter Varianz zu erhöhen. Resequenzierungsstudien widmen sich aktuell der Suche nach seltenen kausalen Varianten (Allelfrequenz 0.005–0.05), was allerdings alternative Analysen und translationale Ansätze erfordert. Sehr kleine Effekte häufiger Varianten lassen sich mit den momentan zur Verfügung stehenden Studiengrößen und den aktuell verwendeten Analysemethoden ebenfalls nicht valide detektieren. Hinzu kommen epigenetische Modifikationen, die ebenfalls zur Erkrankung beitragen und selbst auch durch genetische Faktoren beeinflusst werden können.


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Fazit

Die Untersuchung sowohl von genetischen als auch epigenetischen Mechanismen kann zum besseren Verständnis der Krankheitsentstehung von T2D beitragen und bietet zudem die Möglichkeit, individualisierte Behandlungsmethoden zu entwickeln. Bisher konzentrierte sich die Wissenschaft im Bereich der Genetik auf die Erforschung von Veränderungen in der DNA-Basensequenz und zeigte Einflüsse zahlreicher Genloci auf das T2D-Risiko. In Kooperation mit internationalen Konsortien setzt das DZD die Suche nach weiteren assoziierten Genvarianten fort. Die heute bekannten Genloci erklären jedoch zusammen mit den geschätzten, bisher nicht detektierten noch nicht vollständig das vererbbare Risiko für T2D. Die bisher detektierten Genvarianten spielen dabei weitgehend eine Rolle bei der Genregulation.

Die Entwicklung neuer Detektions- und Analysemethoden bietet den Wissenschaftlern im DZD neue und vielversprechende Möglichkeiten, epigenetische Mechanismen zu erforschen. Sie stellen eine weitere Ebene der Genregulation dar, die sich durch Vererbung, umweltbedingte Veränderungen sowie beeinflusst von Genvarianten auf die Krankheitsentwicklung auswirken können. Im Bereich der T2D-Prädiktion könnten Methylierungsprofile eventuell sogar ein größeres Potenzial bieten als die bisherige Erforschung von DNA-Genvarianten. Dies prüfen DZD Wissenschaftler aktuell an Individuen, die innerhalb von 8 Jahren T2D entwickeln, im Vergleich zu Individuen, die in dieser Zeit keinen T2D entwickeln.

Zudem wird derzeit im Rahmen des DZD die Regulation des Stoffwechsels durch epigenetische Mechanismen untersucht. Dabei werden in Mausmodellen die individuellen Unterschiede in der Gewichtszunahme bei hochkalorischer Nahrung sowie die positiven Effekte vermehrter körperlicher Aktivität untersucht. Zum besseren Verständnis der Mechanismen greift man im DZD auch zu systembiologischen Ansätzen, die neben genomischen und epigenomischen Daten auch andere omic-Technologien integrieren. Durch die steigende Komplexität, die die bisherigen und zukünftigen Technologien mit sich bringen, spielt die Entwicklung neuer Methoden eine immer größere Rolle.

Autorenerklärung

Der Autor erklärt, dass für diesen Artikel kein Interessenkonflikt besteht.


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Tab. 1 Assoziierte Genloci und deren Effekte. GSIS: Glukose stimulierte Insulinsekretion, FG: Nüchternglukose.
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Tab. 2 Regulation stoffwechselrelevanter Gene durch DNA-Methylierung (Auswahl).
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Abb. 1 Epigenetische Mechanismen der Genregulation.