In der nephrologischen Pflege wird sich der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal
weiter verschärfen, wenn keine Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Die BANP fordert,
für die unmittelbare Behandlung nierenkranker Menschen überwiegend nephrologisches
Fachpflegepersonal einzusetzen – dies ist bisher nicht verpflichtend. Die nephrologische
Fachpflege ist jederzeit in der Lage, auf intervenierungsbedürftige Komplikationen
bei der Behandlung zu reagieren und Verantwortung im Sinne der Richtlinie des Gemeinsamen
Bundesausschusses (G-BA) zur Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten zu übernehmen. Die
BANP spricht Empfehlungen zur Verbesserung der Personalsituation in Dialyseeinrichtungen
aus und bietet den ärztlichen Fachgesellschaften an, den Dialysestandard für 2012
gemeinsam zu überarbeiten.
Die bisherige personelle Besetzung basiert auf dem Dialysestandard 2006 [
1
]. In diesem Standard werden für die klinischen Dialysen, Akutdialysen und Sonderverfahren,
ambulante Dialyseeinrichtungen und "Limited-care"-Zentren und Trainingsdialyse folgende
personelle Anforderungen gestellt:
"Bei allen Behandlungsformen ist für die unmittelbare Patientenbehandlung speziell
ausgebildetes, qualifiziertes Personal einzusetzen. Dazu gehören examinierte Pflegekräfte,
Arztfachhelfer/innen und Arzthelfer/innen nach entsprechender Einarbeitung. Diese
führen die Dialyseverfahren nach ärztlichem Behandlungsplan durch, sind für die rechtzeitige
Information und Einschaltung des Arztes bei Abweichung vom normalen Dialyseverlauf
verantwortlich und helfen so, eine gute Behandlungsqualität sicherzustellen.
Bei der stationären Dialysebehandlung in Krankenhaus oder Klinik sollte grundsätzlich
examiniertes Pflegepersonal zum Einsatz kommen. Der Anteil von Fachpflegepersonal
sollte über der Hälfte der Krankenschwestern/-pfleger liegen. Bei der ambulanten Zentrumsdialyse
sowie der "Limited-care"-Dialyse (zentralisierte Heimdialyse) sollte ein Anteil von
mindestens einem Drittel der examinierten Pflegekräfte die Qualifikation als Fachkrankenschwester/-pfleger
für Nephrologie haben. Anteilsmäßig können auch bis zu 25 % des examinierten Pflegepersonals
qualifizierte Arztfachhelfer/innen sein. Alle Arztfachhelfer/innen sollten die Qualifikation,
"Arztfachhelfer/in in der Dialyse" anstreben. Für die Ausbildung und Betreuung von
Heimdialysepatienten sollten bevorzugt Fachkrankenschwestern/-pfleger für Nephrologie
herangezogen werden." [
1
]
Drohender Mangel an qualifiziertem Fachpersonal
Drohender Mangel an qualifiziertem Fachpersonal
Diese Qualifikationsanforderung hält die BANP aufgrund der aktuellen Patientensituation
und dem daraus resultierenden Gesundheitsauftrag für nicht mehr zeitgemäß! Bei aller
Qualifikationsinitiative ist es nicht gelungen, entsprechend des Versorgungsauftrages
die personelle Qualitätsstruktur in den einzelnen nephrologischen Versorgungseinheiten
zu normieren und zu regulieren. Es ist nicht nachvollziehbar, dass bei einem steigenden
Arbeitsaufkommen sowie der Zunahme der Zahl multimorbider und hochbetagter Patienten
gerade in der Personalbesetzung eine paradoxe gegenläufige Entwicklung festzustellen
ist.
Es werden Fachkompetenzen benötigt, die weit über das nephrologische Krankheitsbild
und deren technische Versorgung mit Nierenersatzverfahren hinausgehen. Das Wissen
um die Begleit- und Folgeerkrankungen, das situationsbezogene Eingreifen und Erkennen
von Gefahrensituationen zur Vermeidung von Komplikationen sowie die präventive Patientenschulung
sind wichtige Bereiche, die personelle Kompetenzen und Zeitressourcen erfordern. Personeller
Abbau und Einsparungen bei der Personalqualifikation führen langfristig zu einer "gefährlichen
Pflege" und Gefährdung der Patientensicherheit.
Die Befragung [
2
] zu den Arbeitsbedingungen in der nephrologischen Pflege der AfnP e. V. aus dem Jahr
2009 zeigt, dass 56 % der langjährig sehr erfahrenen Fachpflegekräfte älter als 40
Jahre sind und die Altergruppe über 51 Jahre (14 %) meist eine hohe Fachkompetenz,
einige Zusatzqualifikationen und eine langjährige Berufserfahrung besitzt. Diese Pflegekräfte
sind die tragende Säule in den Dialyseeinrichtungen. Sie werden in den nächsten Jahren
aus dem Beruf ausscheiden. Die Frage stellt sich, wer diese Lücke füllen wird.
Junge Gesundheitspflegerinnen/-pfleger finden wir nur sehr wenige in den nephrologischen
Einrichtungen. In der Altersgruppe der 18–30-Jährigen sind gerade mal 20 % der Beschäftigten
und nur ein sehr geringer Anteil verfügt über die Weiterqualifikation, etwa die 2-jährige
berufsbegleitende Fachweiterbildung Nephrologie. Es ist zu befürchten, dass durch
das Absenken der Wochenpauschale an weiteren Personalabbau gedacht wird und die Ausgaben
für Fort- und Weiterqualifikation gesenkt werden.
Nephrologisches Fachpflegepersonal einsetzen
Nephrologisches Fachpflegepersonal einsetzen
In der überarbeiteten Definition der nephrologischen Fachpflege, die auf den Grundlagen
der Definition professioneller Pflege [
3
] basiert, hat die Arbeitsgruppe der BANP Folgendes beschrieben:
"Nephrologische Fachpflege unterstützt Menschen mit einer nephrologischen Erkrankung
in der Behandlung und im Umgang mit Auswirkungen ihrer Erkrankung und deren Therapien.
Sie fördert und erhält Gesundheit und beugt weiteren gesundheitlichen Schäden vor.
Dies geschieht mit dem Ziel, für die betreuten Menschen die bestmöglichen Behandlungs-
und Betreuungsergebnisse sowie die bestmögliche Lebensqualität in allen Phasen des
Lebens bis zum Tod zu erreichen".
Da die Behandlung nierenkranker Menschen ein hohes Maß an erweitertem Fachwissen und
"Fachpflege" erfordert, ist für die unmittelbare (direkte, patientennahe) Patientenbehandlung
zwingend nephrologisches Fachpflegepersonal einzusetzen. Der Einsatz von Fachpflegekräften
mit spezieller Weiterbildung für die Nephrologie ist bisher nicht verpflichtend und
findet daher nur nach dem Ermessen des jeweiligen Zentrums statt. Die Aufgabe aller
Fachgesellschaften wäre es, die differenzierte Personalstruktur innerhalb der nephrologischen
Einrichtungen auf Gesetzesebene festzulegen mit dem Ziel, einen qualitativen und quantitativen
Personalmix zu erreichen.
Delegation von Aufgaben
Bei der Delegation von Tätigkeiten am Patienten müssen die Betreiber der Einrichtungen,
die gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Durchführungsverantwortung und Anordnungsverantwortung
beachten. Das multidisziplinäre Team ist entsprechend der Qualifikationen aus den
jeweiligen Ausbildungsverordnungen zu strukturieren. Jeder kann nur die Handlungen
ausführen, für die er durch die jeweilige Ausbildungsverordnung qualifiziert ist.
Für die Übernahme weiterer Aufgaben bedarf es einer entsprechenden Qualifizierung.
In den verschiedenen Einrichtungen findet meist kein gezielter Einsatz des Personals
entsprechend der Kompetenzen statt. Hingegen wird vermehrt Personal ohne Pflegeausbildung
(Nichtpflegeberufe) zur Durchführung der Dialysebehandlung eingesetzt. Medizinische
Assistenzberufe, wie zum Beispiel die MFA in der Dialyse, können die Versorgung nierenkranker
Menschen unterstützen, sind aber aufgrund ihrer Aus- und Fortbildung nicht in der
Lage, Pflege im Sinne der Pflegeprofession zu planen, durchzuführen und zu evaluieren
[
4
]–[
6
]. Auch bleibt haftungsrechtlich abzuklären, in welchem Umfang der Arzt bei der Behandlung
anwesend sein muss, da eine MFA auch nach erfolgreich absolviertem "Curriculum Dialyse"
[
7
] nicht selbstständig, sondern "unter ärztlicher Aufsicht" die Behandlung durchführen
kann.
Die Pflege nierenkranker Menschen erfordert den Einsatz von professioneller Fachpflege,
die anhand ihrer erworbenen Kompetenzen am besten für die Versorgung nierenkranker
Menschen geeignet ist. Sie ist jederzeit in der Lage, auf intervenierungsbedürftige
Komplikationen bei der Behandlung zu reagieren und Verantwortung im Sinne der Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten
[
8
] für das multidisziplinäre Team zu übernehmen. Sie ist die Expertin in der Durchführung
der Nierenersatztherapie. Neben ihrer Fachkompetenz ist sie in der Lage, das multidisziplinäre
Team zu strukturieren, anzuleiten und zu führen. Damit leistet sie einen wichtigen
Beitrag zur Patientensicherheit, Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit in der
Nephrologie.
BANP-Empfehlungen
Somit kommt die BANP zu folgenden Empfehlungen:
-
Die Durchführung der unmittelbaren Pflegetätigkeiten bei stationären Dialysebehandlungen,
Akutdialysen und deren Sonderverfahren und die Ausbildung und Schulung von Heimdialysepatienten
hat zu 100 % durch nephrologische Fachpflegekräfte zu erfolgen.
-
Für die unmittelbaren Pflegetätigkeiten bei der Behandlung und Versorgung der Patienten
in den ambulante Zentrumsdialysen empfehlen wir mindestens 51 % fachweitergebildetes
Pflegepersonal, mindestens 25 % examinierte Pflegekräfte mit einer nephrologischen
Einarbeitung und maximal 24 % fortgebildete medizinische Assistenzberufe mit Curriculum
Dialyse einzusetzen.
-
Für die unmittelbaren Pflegetätigkeiten bei der Durchführung der "Limited-care"-Dialysen
ohne ärztliche Betreuung ist für die Gewährleistung der Patientensicherheit der Einsatz
nephrologischer Fachpflege zu 100 % erforderlich.
-
Die klare Definition der Arbeitsbereiche, die Differenzierung der Berufsqualifikation
und der individuelle Einsatz der Berufsgruppen innerhalb einer Einrichtung muss durch
entsprechende Arbeitsplatz- und Stellenbeschreibungen vorgenommen werden. Grundlage
sind die Ausbildungs- und Weiterbildungsverordnung aller beteiligten Berufsgruppen.
Die unterschiedlichen Personalqualifikationen müssen in der Dienst- und Schichtplanung
berücksichtigt werden.
-
Die Bemessung und Strukturierung des Personalbedarfs muss anhand einer einrichtungsspezifischen
Patientenkategorisierung erfolgen.
-
Wir fordern für nephrologische Fachpflegekräfte die Gleichstellung mit anderen Fachpflegeberufen
(wie zum Beispiel Intensiv- und Anästhesiepflege). Die Vergütung der nephrologischen
Fachpflege ist den Vergütungen anderer Fachpflegeberufe anzupassen.
-
Um den demografischen Entwicklungen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen
Konzepte und attraktive Anreize wie individuelle Anerkennungen, Nachwuchsförderungen,
Stipendien und leistungsorientierte Bezahlung geschaffen werden. Die Einbindung von
älteren und erfahrenen Pflegekräften als die Experten im Pflegeteam muss unterstützt
werden.
-
Um die Profession und Kompetenzen der nephrologischen Fachpflege zu untermauern, unterstützt
die BANP folgende Projekte: wissenschaftlich evaluierte Kompetenzbeschreibung der
nephrologischen Pflege, wissenschaftlich evaluierte Empfehlung für die Pflege von
Menschen mit Nierenerkrankungen und schirmherrschaftliche Betreuung der Bundesarbeitsgemeinschaft
nephrologischer Weiterbildungen.
Deshalb bietet die BANP den ärztlichen Fachgesellschaften an, den Dialysestandard
für 2012 gemeinsam zu überarbeiten, damit die zukünftige Struktur der Dialyseeinrichtungen
im Sinne der Patientensicherheit, Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit gesichert
ist.
Für die BANP (Kontakt: info@banp.de)
Marion Bundschu, Ulm
Thomas Fernsebner, Traunstein