Dialyse aktuell 2012; 16(05): 304-305
DOI: 10.1055/s-0032-1320083
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nierentransplantation – Die Sicht des Nephrologen und des Chirurgen

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Publication Date:
15 June 2012 (online)

 
 

Infektionen sind die zweithäufigste Todesursache nach einer Nierentransplantation. Viele verschiedene Krankheitserreger kommen als Auslöser in Betracht. In den ersten Wochen und Monaten nach einer Nierentransplantation ist die Gefahr besonders groß. Nach einer Transplantation (Tx) lässt sich ein Zeitplan aufstellen, in dem Infektionen besonders häufig auftreten, erläuterte Prof. Martin Zeier, Heidelberg (Tab. [ 1 ]).

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Tab. 1 Zeitplan der Infektionen.

So sind im ersten Monat nach der Transplantation eine Infektion des Organempfängers, eine Pathogenübertragung durch das Transplantat oder eine Wundinfektion (inkl. zentraler Venenkathether sowie Blasenkatheter) eine besondere Gefährdung. Etwa 2–6 Monate nach der Tx treten laut Zeier Infektionen mit immunmodulierenden Viren und opportunistische Infektionen, beispielsweise mit Listerien, Aspergillen oder Pneumozysten, häufig auf. Nach mehr als 6 Monaten sind Empfänger mit guter Transplantatfunktion durch respiratorische Viren (Influenzaviren, Parainfluenzaviren, "respiratory syncytial virus" (RSV)) gefährdet. Patienten mit schlechter Transplantatfunktion und auch solche mit chronischen Infektionen sind besonders häufig durch opportunistische Infektionen bedroht.

CMV-Infektion

Zu den Virusinfektionen post Tx gehört die CMV-Infektion (CMV: humanes Zytomegalievirus) mit einer Inzidenz des viralen Syndroms bzw. der invasiven Erkrankung ohne prophylaktische sowie präemptive Therapie von 39 % bei der Herz-Lungen-Tx und 8 % bei der Nieren-Tx. Die aktive CMV-Infektion verläuft asymptomatisch, das virale Syndrom äußert sich mit Fieber, Leukopenie, Thrombozytämie und Arthralgie. Die invasive CMV-Erkrankung imponiert vor allem durch Pneumonie, Gastroenteritis, Pankreatitis, Myokarditis und Retinitis.

Indirekte Effekte bestehen laut Zeier in einer Transplantatschädigung, mit akuter und chronischer Abstoßungsreaktion und einer Vaskulopathie. Durch die immunmodulierenden Eigenschaften von CMV kann es zu opportunistischen Superinfektionen kommen. Risikofaktoren für eine CMV-Infektion liegen in einer Erstinfektion unter immunsuppressiver Therapie, wenn ein CMV-negativer Empfänger ein positives Transplantat erhält sowie bei nicht leukodepletierten Blutprodukten.

Die Diagnostik beim transplantierten Patienten zielt zur Erkennung einer aktiven CMV-Infektion auf den CMV-Antigennachweis in peripheren Blutzellen (APAAP-Färbereaktion) und der Viruslastbestimmung mittels quantitativem CMV-DNA-Nachweis mit Real-Time-PCR (PCR: "polymerase chain reaction") aus Blut, Liquor, bronchoalveoläre Lavage (BAL) bzw. Urin ab. Diese Labordiagnostik wird auch zur Therapie- und Verlaufskontrolle eingesetzt.

In den Leitlinien [ 1 ] wird zur Prophylaxe einer CMV-Infektion eine mindestens 3-monatige Chemotherapie nach der Tx und über 6 Wochen nach der Behandlung mit T-Zell-depletierenden Antikörpern mit Ganciclovir i. v. oder oral bzw. Valganciclovir empfohlen. Eine Ausnahme davon ist gegeben, wenn sowohl der Organspender als auch der Empfänger eine negative CMV-Serologie aufweisen.

Die Therapie der symptomatischen CMV-Infektion sollte bei erhöhter Viruslast oder Antigenämie aus einer 2- bis 4-wöchigen Behandlung mit Ganciclovir i. v. bestehen. Oral appliziertes Ganciclovir ist wegen der Gefahr einer Resistenzentwicklung nicht indiziert.


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Epstein-Barr-Virus und PTLD

Eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) nach der Tx kann sich asymptomatisch und auch symptomatisch mit den klinischen Zeichen einer Lymphadenopathie, Fieberschüben, Müdigkeit und Myalgie manifestieren. EBV ist an der Entstehung verschiedener Tumorerkrankungen beteiligt. In seinem Wirt nistet sich das Virus in den B-Zellen ein, wo es lebenslang vorzufinden ist.

Bei immunsupprimierten Tx-Patienten kommt es mit einer Häufigkeit von 0,5–10 % zu durch EBV verursachten Posttransplantationslymphomen (PTLD:

"post-transplant lymphoproliferative dis-order"). Besonders häufig tritt die Erkrankung bei Patienten auf, die vor der Transplantation noch keinen Kontakt mit EBV hatten, also immunologisch naiv sind. Wenn sich diese Patienten beispielsweise über das Spenderorgan mit dem Virus infizieren, können sie aufgrund der Immunsuppression keine effiziente Immunreaktion entwickeln.

Bei der Diagnostik im transplantierten Patienten ist die IgG/IgM-Serologie zum Screening auf EBV, insbesondere vor der Tx, zu empfehlen. Wie Zeier weiter sagte, ist sie nicht zum Nachweis einer aktiven EBV-Infektion oder zur Therapie- sowie Verlaufskontrolle geeignet. Dafür sollte der quantitative CMV-DNA-Nachweis mittels Real-Time-PCR aus Blut, Liqour und Urin herangezogen werden. Die Diagnostik der EBV-assoziierten PTLD geschieht anhand der Histologie.

Die Prophylaxe bei Risikopatienten besteht aus einer 3-monatigen Behandlung mit Aciclovir, Ganciclovir oral und Valganciclovir. Bei erhöhter Viruslast ist vorbeugend eine Therapie mit Foscarnet, Rituximab und evtl. mit einem T-Zellen-Transfer indiziert.

Zur Behandlung der manifesten PTLD sollte die immunsuppressive Therapie reduziert werden; die Erfolgsquote beträgt dann 23–50 %. Bei virostatischen Strategien mit Foscarnet und Immunglobulinen i. v. stehen nach Zeier valide Daten aus. Die Therapie mit CD20-monoklonalen Antikörpern zeigen komplette Remissionen bei circa 60 % der Patienten. Eine Chemotherapie ist eher bei monomorphen PTLDs einsetzbar. Zudem kommen die chirurgische und die Strahlentherapie infrage.


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Humanes Polyomavirus

Eine weitere Infektionsquelle ist das BK-Polyomavirus (BKV). BKV hat eine weltweite Verbreitung mit einer Seroprävalenz von bis zu 90 % in Europa und den USA. Die Übertragung erfolgt primär aerogen, evtl. auch fäkal-oral sowie diaplazentar oder über Blutprodukte und Transplantate.

Eine BKV-Infektion manifestiert sich in 8–10 % der Fälle in einer polyomavirusassoziierten Nephropathie (tubulointerstitielle Nephritis), in Ureterstrikturen nach einer Tx in 3 % der Fälle und in einer hämorrhagischen Zystitis. Risikofaktoren für eine BK-Virus-Nephropathie sind unter anderem ein Alter von mehr als 60 Jahren (OR 3,6) und männliches Geschlecht (OR 2,4).

Zur Diagnostik der BKV-Infektion wird eine Nierenbiopsie, im Serum eine quantitative PCR und im Urin eine Untersuchung auf Decoyzellen als Hinweis auf eine BKV-Infektion bei nierentransplantierten Patienten empfohlen. Potenzielle Therapieoptionen bestehen laut Zeier darin, die immunsuppressive Therapie zu reduzieren und umzustellen. Es fehlen überzeugende Hinweise darauf, dass eine antivirale Therapie oder die Umstellung auf Leflunomid, ein immunsuppressiver Wirkstoff mit antiviralen Eigenschaften, die BKV-Last im Blut verringert.


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Chirurgische Aspekte der Nieren-Tx

Die Transplantation gilt derzeit als die beste Nierenersatztherapie, betonte Prof. Peter Schemmer, Heidelberg, zu den chirurgischen Aspekten der Nierentransplantation. Das Alter per se ist keine Kontraindikation für eine Tx, Abstoßungsreaktionen treten bei älteren Organempfängern seltener auf als bei jüngeren. Wenn die Patienten das erste postoperative Jahr ohne größere Komplikationen überstehen, profitieren sie signifikant in Bezug auf Lebensqualität und -erwartung.

Zu den Kriterien für die Auswahl der Empfänger von Transplantatnieren gehören ein Alter von 1 bis etwa 70 Jahren und eine Lebenserwartung von mindestens 2 bis circa 5 Jahren, so Schemmer weiter. Weitere Kriterien für eine Tx sind keine vorhandene koronare Herzkrankheit (KHK), die einer Intervention bedarf. Ein evtl. früher aufgetretenes Malignom sollte länger als 2 Jahre zurückliegen und der Patient rezidivfrei sein. Eine andere Voraussetzung für eine Tx ist die Zurechnungsfähigkeit des Patienten, da besonders die Einnahme von Medikamenten gewährleistet sein muss. Eine chirurgische Bedingung ist, dass Platz für das Nierentransplantat vorhanden ist und eine Anschlussmöglichkeit an die Iliakalgefäße besteht. Risikofaktoren bei der Nierentransplantation sind:

  • eine renale Grunderkrankung wie Zystennieren und Steinleiden

  • eine Zweiterkrankung wie KHK, pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit), Hepatitis und Malignome

  • immunologische und individuelle Probleme wie Übergewicht und Schwierigkeiten bei der Dialyse

Zu den vorbereitenden Untersuchungen vor einer Nierentransplantation zählen:

  • die Abklärung der Gefäßsituation mittels Angiografie und Computertomografie (CT)

  • eine Röntgenaufnahme des Beckens

  • gegebenenfalls eine Dopplersonografie und Angiografie der Becken-Bein-Gefäße

Bei der Bildgebung können Gefäßsklerose und Stenosen erkannt werden, die (wenn notwendig) mit einer perkutanen transluminalen Angioplastie behandelt werden können. Laut Schemmer ist der optimale Zeitpunkt für eine Nierentransplantation vor der Dialysepflichtigkeit [ 2 ], 1–2 Jahre sowie mehr als 3 Jahre nach Dialysebeginn.


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Laparoskopische oder offene Nephrektomie?

Wenn eine Niere von Lebendspendern übertragen wird, besteht die Frage, ob die laparoskopische gegenüber der offenen Nephrektomie einen Vorteil hat. Dies untersuchte eine Metaanalyse von 73 Studien [ 3 ]. Demnach hatten die Patienten mit der offenen Nephrektomie eine um 52 Minuten kürzere Operationszeit und eine um 102 Sekunden kürzere warme Ischämiezeit. Dies beeinflusste eine verzögerte Organfunktion oder die Transplantatverlustraten zwischen den beiden Gruppen jedoch nicht.

Bei den Patienten mit der laparoskopischen Nephrektomie wurde ein kürzerer Krankenhausaufenthalt um 1,58 Tage und eine schnellere Wiederaufnahme der Arbeit um 2,38 Wochen beobachtet. Insgesamt zeigte die Analyse, dass die laparoskopische Nephrektomie bei Lebendspendern eine sichere Alternative zur offenen Nephrektomie darstellt, schloss Schemmer.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Spezielle Aspekte in der Nierentransplantation aus Sicht des Nephrologen und des Chirurgen", Heidelberg, veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

Der Autor ist freier Journalist.


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  • Literatur

  • 1 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Transplant Work Group. KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients. Am J Transplant 2009; 9 (Suppl. 09) S1-S155
  • 2 Mange KC, Weir MR. Preemptive renal transplantation: why not?. Am J Transplant 2003; 3: 1336-1340
  • 3 Nanidis TG, Antcliffe D, Kokkinos C et al. Laparoscopic versus open live donor nephrectomy in renal transplantation: a meta-analysis. Ann Surg 2008; 217: 58-70

  • Literatur

  • 1 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Transplant Work Group. KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients. Am J Transplant 2009; 9 (Suppl. 09) S1-S155
  • 2 Mange KC, Weir MR. Preemptive renal transplantation: why not?. Am J Transplant 2003; 3: 1336-1340
  • 3 Nanidis TG, Antcliffe D, Kokkinos C et al. Laparoscopic versus open live donor nephrectomy in renal transplantation: a meta-analysis. Ann Surg 2008; 217: 58-70

 
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Tab. 1 Zeitplan der Infektionen.