JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2012; 1(2): 79
DOI: 10.1055/s-0032-1322568
CNE Schwerpunkt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kursprogramm Infant Handling für pflegende Angehörige

Christine Bolli
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Publication Date:
25 July 2012 (online)

Die Basis für den Kurs sind die sechs Kinaesthetics-Konzepte (→ Beitrag ab Seite 80). Ziel ist es, Bewegung in allen Aktivitäten wahrzunehmen und zu erfahren. Die Kursteilnehmer haben oft durch jahrelange physiotherapeutische Behandlungen und andere bewegungsspezifische Therapien ihrer Kinder ein recht gutes Verständnis dafür, wie Bewegung funktioniert. Ihr Blickpunkt richtet sich in Regel aber auf die Bewegungseinschränkungen ihrer Kinder. Angehörige haben meist keine Vorstellung davon, dass sie durch die Art und Weise, wie sie sich selbst bewegen, ihr Handling mit dem Kind gestalten. Die alltäglichen gemeinsamen Bewegungsabläufe in der Familie sind vielleicht das wichtigste Angebot für die Kinder, um ihre eigenen Bewegungsmöglichkeiten kennenzulernen und zu erweitern. Dies hat Auswirkungen auf alle Vitalfunktionen wie Atmung, Verdauung, Herz-Kreislauf-Regulation usw. – positiv oder negativ, immer und in jedem Alter. Dieses Verständnis gilt es in den Kursen „Eltern und Kinder mit Handicap“ zu lernen.

Zu Beginn eines Kurses stellt sich meist heraus, wie sehr die Teilnehmer körperlich belastet sind und schon gesundheitliche Schäden beklagen. Viele kommen erst in die Kurse, wenn die Kinder zu groß oder zu schwer geworden sind, um sie noch zu tragen oder zu heben. Andere möchten wissen, wie sie ihre Kinder noch mehr in ihrer motorischen Entwicklung unterstützen können. Meistens machen körperliche Einschränkungen wie Spastizität oder Muskeldystrophien die täglichen Aktivitäten zum Problem. Dies geht vom An- und Ausziehen, Waschen, Windelwechseln über die Nahrungsaufnahme bis zum An- und Ablegen von Orthesen und Korsagen und betrifft alle Arten der Fortbewegung. Die täglichen Herausforderungen sind neben dem Konzeptverständnis die Inhalte der Kurse für Eltern und Kinder mit Handicap. Hier, lernen sie auf ihre eigene Bewegung und auf die Ressourcen ihrer Kinder zu achten und die Kinder so zu unterstützen, dass diese ihre Fähigkeiten einsetzen und weiter entwickeln können – eine Erleichterung für beide Seiten.

Auch das Thema Hilfsmittel wird berücksichtigt: Korsagen oder Orthesen schränken vorhandene Bewegungsspielräume ein oder blockieren sie teilweise vollständig und beeinträchtigen vitale Prozesse. Orthesen zur Spitzfußprophylaxe blockieren die Gelenke am Fuß, was den Kindern das Krabbeln und ein selbstständiges Aufrichten erschwert. Daher ist es wichtig, dass Eltern die Ressourcen, die ihren Kindern trotz ihres Handicaps zur Verfügung stehen, entdecken und nutzen lernen.

Mit MH Kinaesthetics wird unser Körper als Lehrbuch genutzt, ohne dass medizinische Vorkenntnisse vorausgesetzt werden. Es ist spannend zu beobachten, wie Teilnehmer die Möglichkeiten für Bewegung in ihrem eigenen und dem Körper ihrer Kinder entdecken und lernen, diese zu nutzen.

Ziele und Wirkung des Seminars

  • Die eigenen Annahmen über Gesundheit, Entwicklung und Lernen bei Kindern werden überprüft und gegebenenfalls angepasst.

  • Die Rolle der eigenen Bewegung in Gesundheits- und Lernprozessen wird mit Bewegungserfahrungen bearbeitet.

  • Die Bewegungsfähigkeiten des Kindes werden berücksichtigt und gefördert.

  • Die Pflege und Betreuung des Kindes durch die Angehörigen wird erleichtert.

  • Zweit- und Folgeerkrankungen (Pneumonien, Skelettdeformationen, Kontrakturen etc.) wird vorgebeugt.

  • Die körperliche Belastung der pflegenden Angehörigen wird reduziert.

  • Lösungen für individuelle Fragestellungen im häuslichen Umfeld (unter Berücksichtigung der räumlichen Situation) werden erarbeitet.