Pneumologie 2012; 66(08): 462
DOI: 10.1055/s-0032-1324663
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hot Topic – Erfolg der endobronchialen Ventilimplantation ist beim Lungenemphysem vorhersagbar

Contributor(s):
Klein Friederike München
Herth JF, Eberhardt R, Gompelmann D et al.
Radiological and clinical outcomes of using chartis to plan endobronchial valve treatment.

Eur Respir J
DOI: 10.1183/09031936.00015312.
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Publication Date:
08 August 2012 (online)

 

    Hintergrund Die Wirksamkeit der Lungenvolumenreduktion (LVR) mittels endobronchialer Ventilimplantation (EBV: endobronchial valves) wird durch eine kollaterale Ventilation (CV) im betroffenen und im benachbarten Lungenlappen eingeschränkt. Das bronchoskopische Lungenbewertungssystem Chartis soll helfen, die Erfolgschancen der Emphysembehandlung abzuschätzen. Es besteht aus einem Einmalkatheter mit einem nachgiebigen Ballon am distalen Ende, der aufgeblasen den Luftweg verschließt. Luft kann dann nur durch das zentrale Lumen des Katheters zurückfließen. Das System misst dabei Atemfluss und -druck, berechnet den Atemwegswiderstand und bestimmt die CV. Die Studie von J. F. Herth et al. hat nun untersucht, wie gut das Chartis-System den Therapieerfolg der EBV vorhersagen kann.

    Methoden In 5 Kliniken (3 in Deutschland, 1 in Holland und in Schweden) wurden 80 Patienten, die für eine EBV-Behandlung vorgesehen waren, zuvor mit Chartis untersucht. Vor und 30 Tage nach der Implantation führten die Wissenschaftler eine hochauflösende Computertomografie (HR-CT) durch, um die Volumenreduktion (TLVR: target lobe volume reduction) für den behandelten Lungenlappen zu bestimmen. Eine Reduktion um 350 ml wurde dabei als signifikant definiert. Zusätzlich erhoben die Wissenschaftler klinische Parameter, wie die forcierte Einsekundenkapazität (FEV1).

    Ergebnisse Die Chartis-Untersuchung führte zu keinen schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen. 51 Patienten wiesen danach keine CV auf. 36 von ihnen erreichten durch die EBV-Behandlung eine TLVR von 350 ml und mehr. Für 29 Patienten ergab die Voruntersuchung mit Chartis eine CV, 24 erreichten nach der EBVImplantation nicht den TLVR-Zielwert. Die präoperative Beurteilung mit Chartis ermöglichte eine Vorhersagegenauigkeit von 75 %, egal ob der TLVR-Zielwert erreicht wurde oder nicht. Ließen die Chartis- Ergebnisse ein Ansprechen wahrscheinlich erscheinen, lag die TLVR und die FEV1-Verbesserung später deutlich höher als bei Patienten, für die ein Ansprechen nach Chartis unwahrscheinlich war.

    Schlussfolgerung Mit dem Chartis-System lässt sich effektiv und sicher die Wahrscheinlichkeit des EBV-Therapieerfolgs abschätzen.

    Herth JF, Eberhardt R, Gompelmann D et al. Radiological and clinical outcomes of using chartis to plan endobronchial valve treatment. Eur Respir J 2012, DOI: 10.1183/ 09031936.00015312

    Kommentar

    Die LVR ist ein chirurgisches Verfahren, bei dem emphysematös destruierte Lungenareale reseziert werden. Das Ziel: eine Verbesserung der elastischen Rückstellkräfte von Lunge und Thorax, die Redistribution der Ventilation in besser perfundierte Lungenareale sowie eine Verbesserung der Zwerchfellkontraktilität. Die Indikation und Patientenselektion zur LVR wurde im randomisierten, kontrollierten National Emphysema Treatment Trial (NETT) untersucht. Die NETT-Studie zeigte Verbesserungen bei Lungenfunktion und Leistungsfähigkeit mittels LVR, jedoch eine hohe perioperative Morbidität und Mortalität.

    In den letzten 10 Jahren wurden minimal -invasive Verfahren zur Lungenvolumenreduktion, wie die EBV, erprobt. Das Ziel der EBV-Therapie ist, ähnliche Erfolge wie bei der LVR zu erreichen, jedoch mit geringerer Morbidität und Mortalität. In Anlehnung an die Methodik und Patientenselektion der NETT-Studie wurde die EBVTherapie in einer großen klinischen Studie untersucht. Die primären Zielgrößen FEV1 und 6-Minuten-Gehstrecke wurden mit einer statistischen Signifikanz erreicht. Bei einer durchschnittlichen Verbesserung des FEV1 von 6 % im Vergleich zur Kontrollgruppe war jedoch keine klinische Signifikanz gegeben. Das Vorhandensein einer CV durch inkomplette interlobäre Fissuren ist dabei ein wesentlicher negativer Prädiktor.

    Eine Alternative zu der relativ aufwendigen computertomografischen Auswertung der interlobären Fissuren stellt die in der Arbeit von J. F. Herth et al. untersuchte katheterbasierte Echtzeitmessung der CV mit dem Chartis-System dar. Patienten ohne Hinweise auf eine CV wiesen nach Ventilimplantation eine klinisch relevante durchschnittliche FEV1-Verbesserung von 16 % und eine Steigerung im 6-Minuten- Gehtest von 24 m auf. Bei Vorhandensein einer CV war keine relevante Änderung in den Parametern nachweisbar.

    Die Ergebnisse dieser Studie sind vielversprechend, wenn auch einige potenzielle Limitationen zu bedenken sind: Bei den Autoren dieser Arbeit handelt es sich um Experten mit hoher Erfahrung in der Patientenselektion und Implantation von Einwegventilen. Ob diese Daten in einem "Real-Life-Setting" reproduzierbar sind, muss erst gezeigt werden. Weiter bleibt offen, wie viele Patienten mit fortgeschrittenem Lungenemphysem "gescreent" werden müssen, um potenzielle Kandidaten für eine EBV-Therapie zu finden. Mit steigender Effizienz ist schließlich auch mit einem erhöhten Risiko von Komplikationen zu rechnen, allen voran mit einem ipsilateralen Pneumothorax nach EBV-Therapie. Das Risiko hierfür liegt Expertenmeinungen zufolge bei mindestens 20 %. Das Management dieser Komplikationen bedarf eines entsprechenden Umfeldes mit Erfahrung in der Betreuung dieser zum Teil schwerkranken Patienten. Dem gegenüber steht ein sehr hoher Leidensdruck einer täglich wachsenden Zahl an Patienten mit mangelnden palliativen Therapieoptionen.

    PD Dr. Arschang Valipour, Wien


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