Pneumologie 2013; 67(03): 179-180
DOI: 10.1055/s-0032-1326355
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

In memoriam Dr. Klaus Magdorf (4. Juli 1942 – 23. Januar 2013)

In memoriam Dr. Klaus Magdorf (4th July 1942 – 23rd January 2013)
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Barbara Hauer
Robert Koch-Institut
Fachgebiet für respiratorisch übertragene Erkrankungen
DGZ-Ring 1
13086 Berlin

Publication History

Publication Date:
05 March 2013 (online)

 

    Dieser Nachruf gilt Dr. Klaus Magdorf, den das Robert Koch-Institut, zusammen mit dem Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose und mit Unterstützung der unterzeichnenden Kolleginnen und Kollegen, für den StopTB Partnership/Kochon Preis 2012 nominiert hatte. Mit dem Preis sollte 2012 herausragende Arbeit im Bereich der Kindertuberkulose gewürdigt und gefördert werden.

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    Dr. Klaus Magdorf (Bild: © J. O. Evers, Berlin).

    Die pädiatrische Laufbahn Dr. Magdorfs begann 1970 als Assistenzarzt auf der damaligen Kinderabteilung der Lungenklinik Heckeshorn im ehemaligen Westberlin – zu einer Zeit, als die Zahl der Tuberkulosefälle in Deutschland immer noch hoch und Tuberkulose bei Kindern, dabei vor allem die tuberkulöse Meningitis, durchaus kein seltenes Krankheitsbild waren. Neben der medizinischen Betreuung von Kindern mit Tuberkulose, Mukoviszidose und anderen Atemwegserkrankungen zählte zu seinen Aufgaben auch die Betreuung schwangerer Tuberkulosepatientinnen und nachfolgend ihrer Neugeborenen.

    Klaus Magdorf hat sich vom ersten Tag seines Berufslebens an mit herausragendem Einsatz dem Kampf gegen die Kindertuberkulose verschrieben. Während seiner über 35-jährigen Tätigkeit hat er als Kinderarzt, langjähriger Oberarzt und erfahrener Konsiliarius ganz wesentlich dazu beigetragen, die Gesundheit und medizinische Versorgung tuberkulosekranker Kinder zu verbessern. So war er bei Kinderkrankenhäusern und anderen Versorgungseinrichtungen sowie Universitäten in und auch außerhalb Deutschlands ein hochgeschätzter Berater und aktives Gremienmitglied in verschiedenen medizinischen Gesellschaften und Vereinigungen. Als Autor bzw. Koautor zahlreicher nationaler und internationaler Empfehlungen trug er ganz wesentlich zu Standards für die Prävention, Diagnostik und Behandlung der Kindertuberkulose bei.

    Seine Pensionierung tat seinem Engagement keinerlei Abbruch, und wir durften alle unverändert an seinen über Jahrzehnte erworbenen wertvollen Erfahrungen in pädiatrischer Infektiologie und Tuberkulose teilhaben. Besonders hervorzuheben sind seine Expertise in den Bereichen BCG-Impfung, Tuberkulin-Hauttestung, Pharmakotherapie, Tuberkulose-Immunologie sowie nicht-tuberkulöse Mykobakteriosen.

    Neben seiner klinischen Tätigkeit hat sich Dr. Magdorf fortwährend dafür eingesetzt, Forschungslücken und -bedarf in der Kindertuberkulose zu identifizieren und anzugehen. So erforschte er als erster bereits in den 1960ern die Pharmakokinetik der Antituberkulotika im Kindesalter. In den Folgejahren initiierte, beriet und begleitete er zahlreiche wissenschaftliche Projekte zu allen relevanten Aspekten der Kindertuberkulose. So war er maßgeblich verantwortlich für die Entwicklung einer immunologischen Methode zur Differenzierung zwischen M. tuberculosis und nicht-tuberkulösen Mykobakterien sowie die Erkennung der Persistenz pathognomonischer Effektor T-Zellen bei Kindern mit schweren Tuberkuloseformen. Weiterhin widmete er sich intensiv der Erforschung und Implementierung von Interferon-Gamma-Release Assays (IGRAs) als neue diagnostische Tests für die tuberkulöse Infektion im Kindesalter. Weitere Beispiele sind die Erforschung der Immunpolarisation und neuer diagnostischer Marker für die Kindertuberkulose, die optimale Dosierung von Erst- und Zweitrangtuberkulosemedikamenten im Kindesalter sowie das Risiko der Tuberkulose bei Migranten der ersten und nachfolgenden Generationen.

    Sein Aktionsradius reichte dabei oft weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. So war Klaus Magdorf an zahlreichen internationalen Projekten und Kooperationen beteiligt, u. a. mit Kinderärzten und Forschern in Europa, Russland und Südafrika.

    Wir verdanken Klaus Magdorf die Etablierung und Mitarbeit in einer ganzen Reihe internationaler Kooperationen und Netzwerke sowohl mit Tuberkulosezentren und -institutionen in Tuberkulose-Hochprävalenzländern wie beispielsweise Südafrika mit dem dortigen Desmond Tutu Tuberculosis Centre (DTTC[1]) an der Stellenbosch Universität als auch mit bedeutenden Tuberkulose- Forschungsinstitutionen wie dem Statens Serums Institut in Kopenhagen und dem Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin.

    Klaus Magdorf war unermüdlicher Förderer, Betreuer und Mentor zahlreicher Studentinnen und Studenten sowie junger Kliniker und Forscher. Dies immer mit dem Ziel, bei den jungen Medizinergenerationen das Bewusstsein für Kindertuberkulose zu schaffen. Er teilte seine wertvollen Erfahrungen, inspirierte zu Forschungsideen und förderte berufliche Karrieren, die sich auch den Kampf gegen die Tuberkulose zum Ziel setzten.

    Klaus Magdorf wurde zum „Brückenbauer“, indem er junge Ärzte und Wissenschaftler, wie z. B. Dr. Anne Detjen, Dr. Florian Marx und Dr. Stephanie Thee, ermunterte und unterstützte, klinische Ausbildungsabschnitte in verschiedenen Ländern mit hoher Tuberkuloseprävalenz zu absolvieren, woraus sich wiederum eine Reihe gemeinsamer Kooperationen, Forschungsprojekte und -stipendien ergaben.

    Zu Zeiten, in denen die Tuberkulose und gerade die Kindertuberkulose in den Industrienationen mehr und mehr in Vergessenheit geriet, hat er den Gedanken „Think childhood TB“ bei ungezählten Medizinstudenten, Ärztinnen und Ärzten (und zwar generationsübergreifend), Forschern und in der Tuberkulosefürsorge tätigen Mitarbeitern des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verankert. Er erreichte dies zum einen durch seine Lehr- und Weiterbildungstätigkeit, zum anderen durch die regelmäßige Publikation von Kindertuberkulosebeiträgen in medizinischen Standardwerken und als Autor bzw. Koautor einer ganzen Reihe von Übersichtsarbeiten.

    Seine Bereitschaft, andere jederzeit an seinem profunden Wissen teilhaben zu lassen, hatte zur Folge, dass ihn rund um die Uhr per E-Mail oder telefonisch Anfragen zur Therapie der Kindertuberkulose oder zu Forschungsfragen erreichten – nicht nur aus allen Teilen der Bundesrepublik, sondern aus der ganzen Welt.

    Für das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK e. V.) und das Robert Koch-Institut (RKI) war Klaus Magdorf ein langjähriger, zuverlässiger und unverzichtbarer Berater zu allen Aspekten der Kindertuberkulose. Er war hochaktiv in verschiedensten nationalen und internationalen Arbeitsgruppen, so beispielsweise als Vorsitzender des Mykobakterien-Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie und als Mitglied des PTBNET (Pediatric TB Net), welches sich zum Ziel gesetzt hat, Forschungsbedarf im Bereich Kindertuberkulose zu adressieren. Er kommunizierte und kooperierte mit Kinderarztkollegen und klinischen Forschergruppen, die sich über den ganzen Globus verteilen. Mit der Fortsetzung seiner frühen pharmakokinetischen Studien hat er in Zusammenarbeit mit dem DTCC an der Stellenbosch Universität entscheidende wissenschaftliche Evidenz generiert, die in den aktuellsten Kindertuberkulose-Therapieempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation mit entsprechenden Dosierungsanpassungen Berücksichtigung finden.

    Klaus Magdorf gebührt große Anerkennung für sein lebenslanges herausragendes persönliches Engagement und für seinen Einsatz, die Expertise in der Prävention, Diagnostik und Therapie der Kindertuberkulose nicht nur zu erhalten, sondern vielmehr zu vergrößern, ein Bewusstsein für diese vernachlässigte Krankheit zu schaffen und die dringlichen Forschungsanstrengungen voranzubringen. Dank seiner Arbeit und mit seiner Unterstützung wurde vieles erreicht bzw. erst möglich gemacht, so die Entwicklung und Umsetzung von Tuberkulosekontrollstrategien im Kindesalter, die dringliche und verstärkte Berücksichtigung der Kindertuberkulose sowohl in der Forschung, aber auch im Bereich „Advocacy“ und „Awareness“ und „last but not least“ in der Aus- und Weiterbildung.

    Wir trauern um einen wunderbaren Menschen, Lehrer, Mentor und Kollegen und werden ihn dankbar in Erinnerung behalten.

    Dr. Barbara Hauer und PD Dr. Walter Haas für das Fachgebiet für respiratorisch übertragbare Erkrankungen, Robert Koch-Institut

    Prof. Dr. Torsten Bauer, Prof. Dr. Robert Loddenkemper, Prof. Dr. Heinrich Worth für das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose e. V.

    Dr. Anne Detjen (The Union, Charité Berlin, DTTC Stellenbosch Universität)

    Dr. Florian Marx (Charité Berlin, DTTC/Stellenbosch Universität, Koch-Metschnikow-Forum, Berlin)

    Dr. Stephanie Thee (Charité Berlin, DTTC/Stellenbosch Universität, DRK Westend)

    Prof. Dr. Tom Schaberg (Herausgeber der Zeitschrift Pneumologie)


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    1 Das Kochon-Preiskomitee hat unter mehreren international anerkannten Nominées den Preis im November 2012 im Rahmen des Internationalen Unionskongresses in Kuala Lumpur den Kolleginnen und Kollegen des DTTC verliehen. Dies hätte sicher auch Klaus Magdorf sehr gefreut.



    Korrespondenzadresse

    Dr. med. Barbara Hauer
    Robert Koch-Institut
    Fachgebiet für respiratorisch übertragene Erkrankungen
    DGZ-Ring 1
    13086 Berlin


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    Dr. Klaus Magdorf (Bild: © J. O. Evers, Berlin).