Pneumologie 2012; 66(09): 522
DOI: 10.1055/s-0032-1326720
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hot Topic – Lungenembolie: Ist Rivaroxaban der Standardtherapie unterlegen?

Contributor(s):
Christoph Feldmann Köln
EINSTEIN-PE Investigators.
Oral rivaroxaban for the treatment of symptomatic pulmonary embolism.

N Engl J Med 2012;
366: 1287-1297
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Publication History

Publication Date:
12 September 2012 (online)

 

Hintergrund Für die Therapie der tiefen Beinvenenthrombose ist belegt, dass Rivaroxaban in einem festen Therapieschema ohne Gerinnungsüberwachung den aktuellen Standardtherapien gleichwertig ist. Ob die Therapie der Lungenembolie dadurch ebenfalls vereinfacht werden kann, hat nun ein internationales Forscherkonsortium in der EINSTEIN-PEStudie (PE: Pulmonary Embolism) untersucht.

Methoden In die randomisierte, ereignisgesteuerte Open-Label-Studie wurden 4832 Patienten mit symptomatischer Lungenembolie mit und ohne tiefe Beinvenenthromobose aufgenommen. Die Untersuchung war statistisch als Nicht-Unterlegenheitsstudie angelegt. Die Patienten erhielten 15 mg Rivaroxaban 2-mal täglich über 3 Wochen, gefolgt von einer Dauerdosis von 20 mg Rivaroxaban 1-mal täglich. Das Vergleichsschema bestand aus gewichtsadaptiertem Enoxaparin, gefolgt von einer INR-gesteuerten Warfarintherapie. Die Behandlungsdauer betrug 3, 6 oder 12 Monate. Primärer Endpunkt war das Rezidiv einer symptomatischen venösen Thrombembolie. Der primäre Sicherheitsendpunkt umfasste schwere oder klinisch relevante, weniger schwere Blutungen.

Ergebnisse In der Rivaroxaban-Gruppe erreichten 2,1 % der Patienten den primären Endpunkt, in der Vergleichsgruppe waren es 1,8 % (Hazard Ratio [HR] 1,12; 95 %–Konfidenzintervall [KI] 0,75–1,68). Statistisch ergab sich kein signifikanter Unterschied (p = 0,57). Den primären Sicherheitsendpunkt erreichten unter Rivaroxaban 10,3 % der Patienten im Vergleich zu 11,4 % unter der Standardtherapie (HR 0,90; 95 %–KI 0,76–1,07). Auch hier ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied (p = 0,23). Schwere Blutungen ereigneten sich bei 1,1 % der Patienten mit Rivaroxaban und bei 2,2 % in Aggregatider Vergleichsgruppe (HR 0,49; 95 %–KI 0,31–0,79; p = 0,003). Unerwünschte Wirkungen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf.

Schlussfolgerung Rivaroxaban war in einem festen Dosisschema der aktuellen Standardtherapie mit Enoxaparin und Warfarin sowohl in der Akut- als auch in der Langzeittherapie nicht unterlegen, so die Autoren. Des Weiteren könnte das Risiko-Nutzen-Profil bei Rivaroxaban günstiger sein.

EINSTEIN-PE Investigators. Oral rivaroxaban for the treatment of symptomatic pulmonary embolism. N Engl J Med 2012; 366: 1287–1297

Kommentar

Störungen der Mikrozirkulation gehören zu den zentralen Merkmalen einer Vielzahl von Lungenerkrankungen. Die Therapie dieser pathogenetisch relevanten Veränderungen war aufgrund von möglichen Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten lange Zeit nur eingeschränkt möglich. Die Entwicklung und klinische Etablierung von oral verfügbaren Faktor-Xa-Inhibitoren als auch Thrombininhibitoren zur Antikoagulation führt möglicherweise zu einer kompletten Neuorientierung der therapeutischen Optionen in der Pneumologie.

Die EINSTEIN-PE-Phase-III-Studie zur Therapie der akuten Lungenembolie und Rezidivprophylaxe belegt, dass Rivaroxaban, ein oraler Faktor-Xa-Inhibitor, sowohl in seinem primären Wirksamkeitsendpunkt (rezidivierende tiefe Beinvenenthrombosen, TVT) als auch in seinem primären Sicherheitsendpunkt (Summe der schweren, klinisch relevanten Blutungen) der Standardtherapie mit Enoxaparin/Vitamin-K-Antagonisten (VKA) nicht unterlegen ist. In der Studie mit 4832 Patienten wurde initial 2-mal 15 mg Rivaroxaban über 3 Wochen verabreicht und im Anschluss 1-mal täglich 20 mg. Die Vergleichsgruppe erhielt Enoxaparin 1,0 mg/kg 2-mal täglich über mindestens 5 Tage gefolgt von einem Vitamin K-Antagonisten mit einem Ziel-INR (International Normalized Ratio) zwischen 2 und 3. Die Behandlungsdauer war auf 3, 6 bzw. 12 Monate festgelegt. Die beiden Behandlungsregime glichen sich in ihrem Sicherheitsprofil, schwere Blutungen traten in dem Standardarm mit Enoxaparin/VKA fast doppelt so häufig auf. In der Rivaroxabangruppe kam es zu mehr Schleimhautblutungen. Ältere Patienten (> 75), mit geringem Körpergewicht (< 50 kg) und eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance < 50 ml/min) profitierten durch ein niedrigeres Rezidivrisiko und geringerer Blutungsrate besonders von Rivaroxaban.

Wichtige Diskussionspunkte, die sich aus der Studie ableiten, sind die Indikationsstellung von Kombinationen von Faktor-Xa-Inhibitoren mit Plättchen-Aggregatideronshemmern in Bezug auf mögliche Blutungskomplikationen. Weiterhin ergibt sich Klärungsbedarf in Bezug auf tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien bei aktiven Tumorerkrankungen wie z.B. dem Lungenkarzinom. Hier wäere bei Unverträglichkeit von niedermolekularen Heparin eine neue Therapieoption am Horiziont, die durch die orale Verfügbarkeit und Steuerbarkeit deutlich weniger belastend für diese Patientengruppe ist.

Zusammenfassend stellt das Therapiekonzept eine wichtige, neue Option zur Behandlung der Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose und Lungenembolie dar. Die Indikationsstellung bei Multimorbidität insbesondere bei kardiovaskulär bedingter dualer Plättcheninhibition sowie Kosten und Möglichkeiten der ambulanten Therapie der Lungenembolie bleiben zu prüfen.

Prof. Christian Grohé, Berlin


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