OP-Journal 2012; 28(3): 272-278
DOI: 10.1055/s-0032-1328114
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Proximale Tibiafrakturen (3)[*]

Peter Campbell**
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Peter Campbell MBBS, FRCS(ED)Orth, Consultant Orthopaedic & Trauma Surgeon
York District Hospital
Wiggington Road
York, YO3 7HE, UK

Publication History

Publication Date:
05 March 2013 (online)

 

Bikondyläre Fraktur – artikulär complex, metaphysär mehrfragmentär (41-C 3): Stabilisierung mit LCP proximaler lateraler Tibiaplatte (PLT) 3,5 und LCP proximaler medialer Tibiaplatte (PMT) 3,5

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Operationstechnik

  • Stabilisierung mit LCP proximaler lateraler Tibiaplatte (PLT) 3,5 und LCP proximaler medialer Tibiaplatte (PMT) 3,5

    • alternative Implantate

  • 6,5-mm-Spongiosaschrauben mit Teilgewinde und LCP-L-Abstützplatte 4,5/5,0

  • 7,0 mm kanülierte Schrauben

  • 3,5-mm-Kortikalisschrauben

  • LISS-PLT-(proximale laterale Tibia-)Platte 5,0

  • Ringfixateur oder Hybridfixateur


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1. Einführung

  • Diese Frakturen sind die kompliziertesten Tibiakopffrakturen und normalerweise Folge von Hochenergietraumen.

  • Der metaphysäre Bereich ist dabei vollständig vom Tibiaschaft getrennt.

  • Es besteht immer eine erhebliche Weichteilschädigung.

  • Standardmäßig wird als Erstbehandlung ein gelenküberbrückender Fixateur externe angelegt, damit die Weichteile vor der definitiven Osteosynthese abschwellen können.

  • Der Fixateur sollte möglichst früh nach Aufnahme des Patienten angelegt werden, wobei die Schanz-Schrauben außerhalb des geplanten operativen Zugangs liegen sollten. Die Erholung der Weichteile kann von 10 Tagen bis zu 3 Wochen dauern.

  • Die chirurgische Versorgung sollte jede weitere Weichteilschädigung vermeiden.

  • Diese Frakturen erfordern eine sehr sorgfältige präoperative klinische und radiologische Beurteilung und Planung.

  • Ein präoperatives CT der Frakturregion sollte unbedingt angefertigt werden ([Abb. 13 b]).

  • Das Operationsprinzip beruht auf der anatomischen Reposition und stabilen Osteosynthese der Gelenkfläche, die dann mit dem Schaft verbunden wird. Obwohl die Fixation der nicht gelenkflächentragenden Fragmente stabil genug sein muss, um eine frühe Mobilisation zu gewährleisten, müssen diese nicht anatomisch reponiert werden, vorausgesetzt, Achse, Länge und Rotation sind wiederhergestellt.

  • Es ist zu empfehlen, 2 getrennte Zugänge zu verwenden, beginnend mit der Rekonstruktion des medialen Plateaus über einen posteromedialen Zugang, gefolgt vom standardisierten lateralen Zugang.

  • Bei schwieriger operativer Rekonstruktion ist eventuell die Verlegung in ein spezielles unfallchirurgisches Zentrum erforderlich.

  • Die nachfolgend angeführte operative Strategie beschreibt eine Technik unter Verwendung von 2 anatomisch vorgebogenen 3,5-mm-LCPs. Dies ist nicht für alle komplexen Frakturen sinnvoll. Die operative Versorgung sollte an die jeweilige Fraktursituation angepasst sein, da keine dieser komplexen Frakturen einander gleicht.

  • Zu den alternativen Strategien gehören die initiale Rekonstruktion der Gelenkfragmente mithilfe von 6,5-mm-Spongiosaschrauben mit Teilgewinde, 7,0 mm kanülierten Schrauben mit Teilgewinde, fächerförmig angebrachten 3,5-mm-Kortikalisschrauben und einer 4,5-mm-Abstützplatte auf der lateralen Seite oder der Einsatz eines Ringfixateurs oder Hybridringfixateurs.

  • Die verwendete Operationsmethode hängt letztendlich von einer sorgfältigen Operationsplanung unter Berücksichtigung der Fraktursituation, des Weichteilschadens und der Verhältnisse vor Ort (vorhandene Implantate, chirurgische Erfahrung) ab.

  • Der Einsatz von autologer Spongiosa oder Knochenersatzstoffen zur Auffüllung von Defekten im Bereich der Metaphyse ist optional.

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Abb. 13 a bis ca Präoperatives Röntgenbild: Bikondylärer Trümmerbruch des Tibiakopfs. b Präoperatives CT: 3-D-Rekonstruktion der Fraktur mit schwerer Trümmerzone und Impression der Gelenkfläche. c Postoperatives Röntgenbild: Stabilisierung mit 2 Platten.

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2. Präoperative Vorbereitung

Das OP-Personal sollte Folgendes wissen und kontrollieren

  • Frakturort und -seite (rechts/links)

  • Art der geplanten Operation

  • Überprüfen der Seitenmarkierung durch den Chirurgen

  • Weichteilverhältnisse (geschlossen/offen)

  • vorgesehene Implantate

  • Patientenlagerung

  • Patientenunterlagen (einschließlich Einwilligungserklärung, durchgeführte Antibiotika- und Thromboseprophylaxe)

  • Nebenerkrankungen einschließlich Allergien


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Notwendiges Instrumentarium

  • Kleinfragmentinstrumentarium und Schrauben 3,5/4,0 mm

  • Instrumente zur Entfernung des Fixateur externe

  • LCP proximale Tibiaplatte lateral und medial, 3,5-mm-Instrumenten- und Schraubenset

  • Set zur Spongiosaentnahme

  • allgemeine orthopädische Instrumente (Knochen-, Weichteilsieb)

  • kompatible Druckluft- oder Akkubohrmaschinen mit entsprechendem Zubehör


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Eventuell notwendige Zusatzinstrumente

  • Arthrodesenspreizer

  • femoraler Distraktor oder Fixateur externe als Repositionshilfe (falls noch nicht angelegt)

  • 7,0 mm kanüliertes Schraubenset (Teilgewinde)

  • Osteotomiemeißel und scharfe Löffel zur Spongiosaentnahme

  • große Repositionszangen


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Gerätschaften

  • röntgenstrahlendurchlässiger Operationstisch

  • Zubehör für die Lagerung in Rückenlage bei unabhängiger Position beider Beine

  • Röntgenbildverstärker

  • Strahlenschutz für Patient und Personal im OP


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3. Anästhesie

  • Der operative Eingriff erfolgt unter Vollnarkose oder Regionalanästhesie (Spinalanästhesie).

  • Bei Regionalanästhesieverfahren muss der Kompartmentdruck im Unterschenkel mit geeigneten Maßnahmen überprüft werden, da intra- und postoperativ ein Kompartmentsyndrom auftreten kann und der Patient unter Regionalanästhesie nicht über typische Schmerzen klagen kann, die als erstes und wichtigstes Symptom eines Kompartmentsyndroms auftreten.

  • Die Operationszeit für diesen Eingriff ist sehr wahrscheinlich länger, als durch Spinalanästhesie möglich ist, sodass dieses Verfahren vermieden werden sollte.


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4. Patientenlagerung und Positionierung des Röntgenbildverstärkers

  • Der Patient liegt in Rückenlage auf dem Operationstisch.

  • Während der Operation muss das Knie bis 90° gebeugt werden können. Hierdurch kann die Gelenkfläche besser eingesehen werden und der Tractus iliotibialis von der lateralen Kondyle nach hinten verschoben werden. Die Kniebeugung kann man entweder durch Abklappen des Tisches in Kniehöhe mit dann herunterhängendem Unterschenkel erzielen oder durch Unterlage eines Lagerungspolsters unter den Oberschenkel ([Abb. 14]).

  • Das andere Bein wird entweder auf den OP-Tisch gerade gelagert oder in Abspreizposition bei gebeugtem Hüft- und Kniegelenk, um einen leichteren Zugang für den Bildverstärker zu haben.

  • Man muss darauf achten, dass Weichteile, Hautauflagestellen und die subkutan gelegenen Nerven (N. ulnaris am Ellbogen und N. peroneus am gegenseitigen Knie) vor Lagerungsdruck geschützt sind.

  • Der Operationstisch wird auf die erforderliche Höhe eingestellt, der Bildverstärker steht auf der Gegenseite des verletzten Beines.

  • Man muss darauf achten, dass entsprechende Durchleuchtungsaufnahmen a.–p. und seitlich ohne Störquellen angefertigt werden können.

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Abb. 14

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5. Hautdesinfektion und Abdeckung

  • Während der Vorbereitung wird ein leichter Zug von Hand auf das Bein ausgeübt.

  • Desinfektion des freiliegenden Beines von Mitte Oberschenkel bis zum Fuß sowie des Beckenkamms mit einem geeigneten Desinfektionsmittel ([Abb. 15 a]).

  • Der gelenküberbrückende Fixateur muss besonders sorgfältig desinfiziert werden.

  • Nach Entfernung des Fixateur externe kann eine sterile Blutsperrenmanschette angelegt werden.

  • Das Bein wird mit einem Einmal-U-Tuch oder Extremitätentuch abgedeckt. Der desinfizierte Beckenkammbereich wird separat abgedeckt.

  • Eine Stockinette bedeckt den Fuß und Unterschenkel und wird mit einem Klebeband fixiert (Abb [15 b]).

  • Sterile Abdeckung des Röntgenbildverstärkers.

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Abb. 15 a
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Abb. 15 b

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6. Setup im Operationssaal

  • Operateur und Assistent stehen (oder sitzen) auf der Seite der Verletzung.

  • Die OP-Schwester steht neben dem Operateur.

  • Der Röntgenbildverstärker (BV) steht auf der Gegenseite mit dem Monitor gut sichtbar für das gesamte OP-Team und die Person, die den BV bedient ([Abb. 16]).

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Abb. 16

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7. Instrumente und Implantate


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8. Operationstechnik – Schritt für Schritt

Evtl. Belassen des Fixateur externe als Repositionshilfe.

Osteosynthese des medialen Tibiaplateaus

  • Man beginnt mit der Osteosynthese des medialen Tibiaplateaus, da dies üblicherweise die einfachere Fraktur und leichter anatomisch zu reponieren ist.

  • Der posteromediale Rand der proximalen Tibia lässt sich gut tasten. Dann erfolgt eine Längsinzision über dem Knochen. Die Länge des Schnittes nach distal hängt von der Frakturanatomie und der geplanten Plattenlänge ab. Der Pes anserinus wird in der Richtung des Hautschnitts geteilt, dann der Knochen dargestellt, wobei ausgedehnte Weichteilablösung vermieden wird.

  • Das mediale Fragment wird unter direkter Sicht exakt anatomisch reponiert, wobei die Spitze des proximalen Fragments genau in den distalen Fragmentanteil eingepasst wird.

  • Mit einer langen 8-Loch T-förmigen LCP medialen proximalen Tibiaplatte wird die diaphysäre Ausdehnung der Fraktur überbrückt. In anderen Fällen kann alternativ auch eine (4–5-Loch) LCP-Platte 3,5 verwendet werden.

  • Nach Überprüfung, dass die Plattenbiegung der Knochenform entspricht, wird sie direkt auf die mediale Fläche der Tibia aufgelegt, wobei der Oberrand der Platte unterhalb der Gelenkfläche liegt. Man muss berücksichtigen, dass es linke und rechte Plattenversionen gibt.

  • Die 1. Kortikalisschraube wird durch ein Kombinationsloch knapp unterhalb der Fraktur eingebracht, wodurch die Platte die Fragmente komprimiert. Mit der 3,5-mm-Universalbohrbüchse wird ein 2,5-mm-Bohrloch gebohrt, dann Längenmessung, Gewindeschneiden (mit dem goldfarbenen Gewindeschneider) und Eindrehen einer 3,5-mm-Kortikalisschraube. Beim Festziehen der Schraube wird das proximale Fragment durch die Platte nach oben und lateral gedrückt und somit an seinen korrekten Platz fixiert (Abstützeffekt).

  • Dann wird eine Kopfverriegelungsschraube durch eines der queren Löcher am Plattenkopf eingebracht. Diese Schraube muss das mediale Fragment fixieren, aber darf nicht so lang sein, dass die spätere Reposition des lateralen Fragments behindert wird. Die winkelstabile Bohrbüchse wird in das gewünschte Loch eingedreht und ein 2,8-mm-Loch gebohrt. Nach Längenmessung wird eine kurze 3,5-mm-Kopfverriegelungsschraube eingedreht. Mit dem Schraubenzieher mit 1,5-Nm-Drehmomentbegrenzer wird die Schraube von Hand festgezogen ([Abb. 18 a]).

  • Die übrigen Schrauben werden nach Rekonstruktion der lateralen Gelenkfläche eingebracht.

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Abb. 17 a und ba Implantate zur Fixation des Tibiakopfs: 1. LCP proximale laterale Tibiaplatte 3,5, rechts 2. LCP proximale mediale Tibiaplatte 3,5, rechts 3. Kopfverriegelungsschraube 3,5 mm, selbstschneidend 4. Kortikalisschraube 3,5 mm b Instrumente für die Fixation beider LCP proximalen Tibiaplatten 3,5: 5. LCP-Spiralbohrer 2,8 mm 6. LCP-Bohrbüchse 3,5 mm 7. Schraubenzieherschaft 8. Drehmomentbegrenzer 1,5 Nm mit Schnellkupplung 9. Handgriff mit Schnellkupplung 10. Spiralbohrer 2,5 mm 11. Universalbohrbüchse 3,5 12. Längenmessgerät 13. Gewindeschneider 3,5 mm für Kortikalisschrauben 14. T-Handgriff 15. Schraubenzieher mit Haltehülse
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Abb. 18 a bis g

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Osteosynthese des lateralen Tibiaplateaus

  • Lateraler parapatellarer Hautschnitt (6–8 cm lang) an der Anterolateralseite des Kniegelenks, beginnend 4–6 cm oberhalb der Gelenklinie und nach distal bis zur proximalen Tibia. Die Länge des Schnittes nach distal hängt von der Frakturanatomie und der Osteosynthesetechnik ab.

  • Proximal wird in der Tiefe das laterale patellare Retinakulum inzidiert und die Gelenkkapsel dargestellt. Distal erfolgt die Freilegung des Frakturspalts mit minimaler Weichteilablösung.

  • Die Gelenkkapsel wird knapp unterhalb des Außenmeniskus horizontal eröffnet, um eine direkte Sicht auf die Gelenkfläche zu erlauben. Dabei muss ein ausreichender Weichteilrand belassen werden, um einen späteren Verschluss der Gelenkkapsel zu ermöglichen.

  • Der normalerweise eingerissene oder eingeschlagene Außenmeniskus wird mit Haltefäden angeschlungen, um den Meniskus nach Anhebung und Rekonstruktion der lateralen Gelenkfläche zu refixieren.

  • Darstellen der Fraktur, Hämatom und kleine Knochensplitter werden mit scharfem Löffel und Spülung entfernt.

  • Mithilfe eines Arthrodesenspreizers oder des Distraktors wird der Frakturbereich eröffnet, um das Ausmaß der Gelenkimpaktion beurteilen zu können.

  • Man muss daran denken, dass die laterale Gelenkfläche höher steht und konvex geformt ist im Vergleich zur medialen konkaven Gelenkfläche.

  • Die Fragmente der lateralen Gelenkfläche werden reponiert, wobei das reponierte mediale Plateau als Referenz dient, und anschließend mit 2-mm-K-Drähten temporär fixiert. Dabei müssen die K-Drähte so platziert werden, dass sie nicht für die spätere Plattenpositionierung stören ([Abb. 18 b]).

  • Nach Auswahl einer LCP proximalen Tibiaplatte 3,5 der geeigneten Länge und korrekten Seite (rechts) werden in 2 der oberen queren Plattenlöcher 2,8 mm winkelstabile Bohrbüchsen eingedreht, um die Platte manipulieren zu können.

  • Dann wird die Platte auf die laterale Tibiafläche aufgelegt und mit mindestens 2 2,0-mm-K-Drähten durch die kleinen Löcher am Oberrand der Platte oder durch die Bohrbüchsen fixiert. Der untere Plattenteil kann am Tibiaschaft mit einer Repositionszange festgehalten werden ([Abb. 18 c]).

  • Unter direkter Sicht und mit dem Röntgenbildverstärker werden Gelenkflächenrekonstruktion und Plattenlage kontrolliert. Die K-Drähte sollten dabei parallel zur Gelenkfläche und knapp darunter liegen.

  • Der rekonstruierte Gelenkblock wird dann mit 3,5-mm-Kopfverriegelungsschrauben durch die 4 Löcher des horizontalen Anteils der Platte unterstützt und fixiert, wobei die K-Drähte ersetzt werden. Die Schrauben sollten dabei bis zur medialen Gegenkortikalis verlaufen, aber diese nicht durchbohren. Mit einem 2,8-mm-Spiralbohrer wird über die winkelstabile Bohrbüchse ein Loch gebohrt, dann die erforderliche Länge am Bohrer abgelesen und eine Kopfverriegelungsschraube der entsprechenden Länge eingedreht und mithilfe eines Schraubenziehers mit 1,5-Nm-Drehmomentbegrenzer von Hand festgezogen ([Abb. 18 d]).

  • Dann wird die Platte am Tibiaschaft unterhalb der Fraktur mit einer konventionellen 3,5-mm-Kortikalisschraube fixiert. Bohren eines 2,5-mm-Loches, Längenmessung, Gewindeschneiden und Eindrehen einer 3,5-mm-Kortikalisschraube der entsprechenden Länge ([Abb. 18 e]). Das Festziehen dieser Schraube führt zu einem Abstützeffekt und einer geringen Kompression im Bereich der Gelenkfläche.

  • Die Fixation der lateralen Platte wird je nach Knochenqualität mit weiteren Kortikalis- oder Kopfverriegelungsschrauben im Plattenschaft vervollständigt ([Abb. 18 f]). Zusätzliche Kopfverriegelungsschrauben können proximal in die 3 Löcher zwischen Plattenkopf und den Kombilöchern eingebracht werden. Diese erlauben zusätzliche Unterstützung und Fixation an der Metaphyse, ohne die Gelenkfläche zu durchbohren.

  • Danach wird an der medialen Seite die Befestigung der medialen Platte vervollständigt. Proximal sollten möglichst lange Kopfverriegelungsschrauben eingebracht werden, um die Gelenkfragmente zu stabilisieren, distal kann die Plattenfixation am Tibiaschaft mit winkelstabilen oder konventionellen Schrauben erfolgen ([Abb. 18 g]).

  • Der durch die Anhebung der imprimierten Gelenkfragmente entstandene metaphysäre Defekt kann durch autologe Spongiosa oder mit Knochenersatzstoffen aufgefüllt werden. Wegen der erhöhten Stabilität durch die fächerförmigen Kopfverriegelungsschrauben unterhalb der Gelenkfläche verzichten manche Chirurgen inzwischen auf Spongiosa, sondern verwenden Knochenersatz.

  • Klinisch und mit Röntgenbildverstärker erfolgt die Überprüfung auf korrekte Länge, Achse und Rotation der Tibia und auf die korrekte Lage der beiden Platten am Tibiaschaft.

  • Überprüfung der Kniestabilität zur Beurteilung evtl. begleitender Bandverletzungen.

  • Abschließend nochmalige Kontrolle der Reposition der Gelenkfläche unter direkter Sicht und mit dem Bildverstärker.

  • Anfertigen und Ausdruck endgültiger Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen.

  • Refixation des Meniskus mit den vorgelegten Haltefäden.

  • Schichtweiser Wundverschluss.

  • Zur weiteren Information siehe AO-Lehrvideo 20 226: Bikondyläre Tibiakopffraktur C3 LCP 4,5/5,0 Proximale Tibiaplatte


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9. Spezielle perioperative Vorsichtsmaßnahmen

  • Mögliche Druckstellen müssen genau beobachtet werden, besonders bei Regionen mit subkutan verlaufenden Nerven (beide Ellbogen und Knie der Gegenseite).

  • Die Blutsperrenmanschette muss korrekt angelegt sein und auf den richtigen Druck aufgepumpt werden. Diese Operation kann lange dauern, evtl. muss die Blutsperre vor Operationsende aufgemacht werden, um Nervenschäden zu vermeiden.

  • Beim Durchschwenken des Röntgenbildverstärkers um das Operationsgebiet ist streng auf Sterilität zu achten.


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10. Spezielle postoperative Nachsorge

  • Postoperativ sind konventionelle Röntgenaufnahmen anzufertigen, um die Frakturreposition und Implantatposition zu überprüfen und zu dokumentieren, falls keine geeigneten Ausdrucke vom Bildverstärker vorliegen.

  • Die postoperative Mobilisation des Kniegelenks und des Patienten sollte so früh wie möglich begonnen werden, vorausgesetzt, die Osteosynthese ist stabil genug.

  • Eine motorbetriebene Bewegungsschiene kann bei der Frühmobilisation eingesetzt werden, bis die postoperativen Beschwerden nachlassen.

  • Der Patient wird unter Teilbelastung (10 kg) an Gehstützen mobilisiert, entweder mit oder möglichst ohne Bewegungsbrace oder -gips. Die Scharniere sollten dabei unlimitiert sein für möglichst maximales Bewegungsausmaß.

  • Bei klinischer und radiologischer Verlaufskontrolle der zunehmenden knöchernen Heilung kann die Vollbelastung normalerweise nach 8–12 Wochen begonnen werden.


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11. OP-Personal – Kernpunkte

  • Kontrolle auf Richtigkeit von Patient, Seite, Markierung und OP-Gebiet.

  • Kontrolle auf Vollständigkeit von Instrumenten und Implantaten.

  • Überprüfung, dass die richtigen rechten und linken Platten vorhanden sind.

  • Achtsamkeit bei der Anwendung verschiedener Platten- und Schraubentypen.

  • Vorbereitung von Instrumenten zur Anpassung und Entfernung des Fixateur externe.

  • Evtl. Vorbereitung für Spongiosaentnahme oder Knochenersatzstoffe.

  • Immer an das Kühlen beim Bohren für Kopfverriegelungsschrauben denken.

  • Dokumentation und Nachbestellung aller gebrauchten Implantate.


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12. Operateur – Kernpunkte

  • Kontrolle auf Richtigkeit von Patient, Seite, Markierung und OP-Gebiet.

  • Sicherstellung einer sehr sorgfältigen präoperativen klinischen und radiologischen Beurteilung der Fraktursituation.

  • Der Chirurg muss sich vergewissern, dass die Komplexität der Fraktur die vorhandenen lokalen Möglichkeiten und eigenen Fähigkeiten nicht übersteigt. Im Zweifelsfall sollte ein gelenküberbrückender Fixateur angelegt werden und die Bilder mit einem Zentrum diskutiert werden, evtl. muss der Patient auch zur endgültigen Versorgung verlegt werden.

  • Aufstellen einer geeigneten Operationsstrategie vor Beginn der OP, die auch dem OP-Personal mitgeteilt werden sollte.

  • Kontrolle auf korrekte Patientenlagerung und auf Strahlendurchlässigkeit in beiden Ebenen.

  • Sorgfältiges Management von Weichteilen und Fragmenten zur Schonung der Blutversorgung und Vermeidung von Devitalisierung des Knochens.

  • Es empfiehlt sich, mit der Osteosynthese der einfacheren Fraktur (üblicherweise die mediale) durch eine getrennte posteromediale Inzision zu beginnen.

  • In vielen komplexen Fraktursituationen kann zu Beginn ein posteriorer Zugang in Bauchlage des Patienten notwendig sein, mit anschließendem Umdrehen und erneutem Abdecken vor der 2. Inzision. Dies sollte bei der Planung berücksichtigt werden.

  • Man sollte auf keinen Fall einen einzigen langen vorderen Hautschnitt verwenden, wenn man 2 Platten verwendet. Dabei müsste eine ausgedehnte subkutane Weichteilablösung durchgeführt werden, die ein hohes Risiko für Wundheilungsstörungen beinhaltet.

  • Belassen eines ausreichenden Weichteilrands bei der Meniskusablösung, um eine korrekte Rekonstruktion zu ermöglichen. Mit initial angebrachten Haltefäden kann der Meniskus leichter refixiert werden.

  • Positionierung der Repositionszangen und Führungsdrähte unter Berücksichtigung der späteren Platten- und Schraubenlage. Dies ist besonders beim Einsatz von Kopfverriegelungsschrauben notwendig, da der durch die Platte vorgegebene Winkel nicht geändert werden kann.

  • Größere Knochenfragmente, die von den Platten nicht gehalten werden, müssen evtl. mit einer separaten Zugschraube fixiert werden.

  • Zum Festziehen der Kopfverriegelungsschrauben muss immer der Schraubenzieher mit Drehmomentbegrenzer verwendet werden.

  • Wenn im Schaftbereich der Platte sowohl Kortikalis- als auch Kopfverriegelungsschrauben eingesetzt werden, sollte man die Kortikalisschraube zuerst verwenden, um die Platte an den Knochen zu drücken.

  • Verfassen eines klaren und lesbaren OP-Protokolls einschließlich spezieller postoperativer Anordnungen.


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* Das hier vorliegende Kapitel erschien in englischer Sprache: Techniques and Principles for the Operating Room. Porteous M, Bäuerle S. © 2010 by AO Foundation, Switzerland, Clavadelerstr. 8, CH-7270 Davos. Platz Distribution by Georg Thieme Verlag, Rüdigerstr. 14, D-70469 Stuttgart and Thieme New York, 333 Seventh Avenue, New York, NY 10001, USA.


** Übersetzung: E. Schwab




Peter Campbell MBBS, FRCS(ED)Orth, Consultant Orthopaedic & Trauma Surgeon
York District Hospital
Wiggington Road
York, YO3 7HE, UK


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Abb. 13 a bis ca Präoperatives Röntgenbild: Bikondylärer Trümmerbruch des Tibiakopfs. b Präoperatives CT: 3-D-Rekonstruktion der Fraktur mit schwerer Trümmerzone und Impression der Gelenkfläche. c Postoperatives Röntgenbild: Stabilisierung mit 2 Platten.
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Abb. 15 a
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Abb. 15 b
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Abb. 16
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Abb. 17 a und ba Implantate zur Fixation des Tibiakopfs: 1. LCP proximale laterale Tibiaplatte 3,5, rechts 2. LCP proximale mediale Tibiaplatte 3,5, rechts 3. Kopfverriegelungsschraube 3,5 mm, selbstschneidend 4. Kortikalisschraube 3,5 mm b Instrumente für die Fixation beider LCP proximalen Tibiaplatten 3,5: 5. LCP-Spiralbohrer 2,8 mm 6. LCP-Bohrbüchse 3,5 mm 7. Schraubenzieherschaft 8. Drehmomentbegrenzer 1,5 Nm mit Schnellkupplung 9. Handgriff mit Schnellkupplung 10. Spiralbohrer 2,5 mm 11. Universalbohrbüchse 3,5 12. Längenmessgerät 13. Gewindeschneider 3,5 mm für Kortikalisschrauben 14. T-Handgriff 15. Schraubenzieher mit Haltehülse
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Abb. 18 a bis g