Sportverletz Sportschaden 2012; 26(03): 134-136
DOI: 10.1055/s-0032-1329371
Für Sie notiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Physiologie – Mit wenigen Schritten leichtfüßig zum Sieg

Contributor(s):
Christine Schoner

Int J Sports Med 2012;
33: 667-670
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Publication History

Publication Date:
05 October 2012 (online)

 
 

Usain Bolt, der schnellste Mann der Welt, verdankt seinen Olympiasieg unter anderem seiner Körperstatur. Die daraus resultierende Biomechanik haben Sportmediziner analysiert und ihre Ergebnisse aktuell im "International Journal of Sports Medicine" veröffentlicht: Der Ausnahmesprinter, der für den 100-Meter-Lauf weniger Schritte als seine Konkurrenten benötigt, gelangt aufgrund einer verminderten "Steifigkeit" seiner Bewegung leichtfüßiger ans Ziel (Int J Sports Med 2012; 33: 667–670).

9,63 Sekunden – neuer olympischer Rekord. Das ist das Ergebnis von Bolts 100-Meter-Sprint dieses Jahr in London. Mit 1,96 m ist er der bisher größte Weltrekordhalter auf 100 Metern – auch die in London Zweit- und Drittplatzierten Yohan Blake und Justin Gatlin sind mit 1,80 und 1,83 m deutlich kleiner. Für die 100 m benötigt Bolt im Durchschnitt nur 41 Schritte. Die nächstschnellsten Männer Tyson Gay und Asafa Powell brauchen 4 Schritte mehr. Prof. Ralph Beneke von der Philipps-Universität Marburg und Dr. Matthew Taylor von der University of Essex in England halten die Körperstatur für eines der Geheimnisse des Ausnahmesprinters. In einem mathematischen Modell haben sie die Biomechanik der drei Weltklasseläufer Bolt, Gay und Powell ausgerechnet. Sie stützen sich dabei auf Video-Teilzeitmessungen der 12. Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009, bei der die drei Sportler aufeinandertrafen.

Längere Schritte, längerer Bodenkontakt

Danach erreichte Bolt auf dem Abschnitt zwischen 60 bis 80 Metern eine Schrittfrequenz von 4,49/s, das ist deutlich weniger als bei Gay und Powell, die pro Sekunde 4,96 und 4,74 Mal den Boden berührten. Während seiner längeren Schritte dauert Bolts Bodenkontakt länger an als bei seinen Konkurrenten, nämlich 91 Millisekunden gegenüber 70 bei Gay und 80 bei Powell. Da außerdem der Körperschwerpunkt bei jedem Laufschritt deutlicher sinkt, erreicht der Ausnahmesprinter nach einem Feder-Masse-Modell, das die Autoren ihren Berechnungen zugrunde legen, eine deutlich geringere "vertikale Steifigkeit" (vertical stiffness) von 355,8 Kilonewton pro Meter gegenüber 541,8 und 457,0 kN/m. Mit anderen Worten: Mit der gleichen Kraft wie seine Konkurrenten kann Bolt den Körper bei jedem Schritt weiter voran bringen. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen Beneke und Taylor, wenn sie die größere Beinlänge von Bolt den Berechnungen zugrunde legen: Auch die "Beinsteifigkeit" ist mit 21,0 kN/m geringer als bei Gay (31,0) und Powell (28,4).

Letztlich seien dies nur Modellberechnungen, schreiben die beiden Forscher. Am liebsten würden sie direkte Messungen an den Athleten durchführen – die Chance, dass sich die Weltklasseläufer bei einem Wettbewerb verkabeln lassen, schätzen sie allerdings als eher gering ein.

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Wer beim Sprint am schnellsten ins Ziel will, braucht nicht nur Kraft und schnelle Bewegungen. Eine effiziente Schrittlänge und günstige vertikale Steifigkeit verschaffen Usain Bolt den Vorsprung..(©PhotoDisc)

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Lob nach Deutschland

Auch der schnellste Mann der Welt benötigt schon mal ärztliche Betreuung, um erfolgreich zu sein. Vor den Olympischen Spielen in London hatte sich Bolt wegen Rückenproblemen von Dr. Müller-Wohlfahrt behandeln lassen. "Ein Stück dieser Medaille geht auch nach Deutschland", so Bolt. Der Orthopäde und seine Kollegen geben ihr Wissen in dem Fachbuch "Muskelverletzungen im Sport" weiter, das 2010 im Thieme Verlag erschienen ist.


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Wer beim Sprint am schnellsten ins Ziel will, braucht nicht nur Kraft und schnelle Bewegungen. Eine effiziente Schrittlänge und günstige vertikale Steifigkeit verschaffen Usain Bolt den Vorsprung..(©PhotoDisc)