Siewe J et al.
Injuries and overuse syndromes in powerlifting.
Int J Sports Med 2011;
32: 703-711
Diese Studie zeigt auf, dass das Powerlifting zu den sichersten Sportarten überhaupt
zählt und klärt so manchen Sportmediziner über die Prävention und Therapie auf.
Injuries and overuse syndromes in powerlifting. Int J Sports Med 2011; 32: 703–711
Einleitung
Kraftdreikampf (Powerlifting) ist eine kompetitive Disziplin des Gewichthebens. Sie
erfreut sich weltweit wachsender Beliebtheit und die Trainingsmethoden werden quasi
durchgängig in allen Sportdisziplinen angewandt. Ziel ist in drei Versuchen das maximale
Gewicht im Kreuzheben (Deadlift), der Kniebeuge (Squat) und dem Bankdrücken (Benchpress)
zu bewegen. Dabei müssen strenge Regeln beachtet werden. Weltrekorde in der offenen
Klasse im Superschwergewicht der Männer sind 455 kg (Kilogramm) Kniebeuge, 345 kg
Bankdrücken, 380 kg Kreuzheben. Um diese Leistungen zu erzielen müssen immense Trainingsvolumina
absolviert werden, die bei den Athleten zu Beschwerden führen können. Diese Sportart
ist den meisten Sportärzten weitestgehend unbekannt ist und sie sind häufig mit den
chronischen und akuten Beschwerden in Verbindung mit dem Leistungsanspruch überfordert.
Ziel dieser Studie war es die Problembereiche, sowie die Verletzungsmuster zu identifizieren
und Ratschläge zu Therapie und Prävention zu geben.
Studiendesign
In einer epidemiologischen Studie wurden 245 (219 männlich, 26 weiblich) kompetitive
und Elite-Powerlifter per Fragebogen interviewt. Neben generellen Fragen (Geschlecht,
Alter, Gewicht) wurden die maximalen Gewichte, Trainingsgewohnheiten, Hilfsmittel
und Aufwärmroutine erfragt. Die Athleten sollten im Weiteren Aussagen über Beschwerden,
Verletzungen, Operationen und Medikamente in ihrer gesamten Kariere treffen.
Ergebnisse
Die Probanden wurden aus 97 Vereinen ausgewählt. 92 % der Athleten hatten zumindest
einen nationalen und internationalen Titel gewonnen. 43,3 % der Athleten beklagten
Beschwerden während des Trainings. Die Verletzungsrate betrug 0,3/Jahr (1 Verletzung
in 1000 Stunden Training). Weder extrinsische noch intrinsische Faktoren schienen
diese Zahl zu beeinflussen. Die Benutzung eines Gewichthebergürtels war assoziiert
mit Verletzungen der Lendenwirbelsäule. Insbesondere Frauen und Athleten > 40 Jahre
waren vermehrt an der oberen Extremität verletzt. Hilfsmittel schienen insgesamt mit
Beschwerden der unterstützen Region assoziiert zu sein. Der größte Anteil der Athleten
ist durch die beklagten Beschwerden nicht in der Trainingsroutine beeinflusst.
Kommentar
In der vorgestellten Studie ist es gelungen ein relativ genaues Bild über Verletzung
und Überlastungssyndrome im Powerlifting zu geben. Es werden diverse Vorurteile ausgeräumt.
So konnte gezeigt werden, dass dieser Sport zu den sichersten Sportarten überhaupt
zählt und dass Traumata, wie sie gerne in Falldarstellungen und in der Laienpresse
dargestellt werden eine untergeordnete Rolle spielen. Die Autoren setzen sich in der
Diskussion hervorragend mit der Literatur auseinander und stellen quasi jedes ihrer
Ergebnisse auch in einen therapeutischen Kontext. Die Nachteile des Studiendesigns
werden klar dargestellt. Insbesondere der retrospektive Charakter der Studie kann
zu Verzerrungen der Ergebnisse führen. Außerdem wurden kumulative Verletzungen über
die gesamte Karriere angegeben. Nicht genannt wurde ein möglicher „selection bias“,
der sich aus dem hohen Niveau der Athleten ergibt. In der Studie wurden Sportler nicht
erfasst, die auf dem Weg zum Hochleistungsathlet den Sport verletzungsbedingt gänzlich
beenden mussten. Die Dopingproblematik wird leider in der Arbeit nicht erwähnt. Insbesondere
vor dem Hintergrund, dass Powerliftingtechniken in zum Teil hohen Volumina aus der
Trainingsroutine vieler Sportarten nicht mehr wegzudenken ist (z. B. Kniebeuge für
Volleyballer und Basketballer, Bankdrücken für Kugelstoßer), ist diese Arbeit für
jeden Sportarzt sehr lesenswert.
Das Kreuzheben ist nur eine Disziplin des Powerlifting, das sich immer mehr Beliebtheit
erfreut.(Foto: Photodisc)