physiopraxis 2012; 10(10): 22-23
DOI: 10.1055/s-0032-1329726
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Sébastian Garai und Christian Horváth – Die Trainingsforscher

Eva Trompetter

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Publication Date:
19 October 2012 (online)

 

Um am öffentlichen Leben teilhaben zu können, ist die Gehfähigkeit enorm wichtig. Zwei Schweizer Bachelorstudenten untersuchten, mit welchem Therapieansatz Menschen nach Schlaganfall am besten Gehen lernen: mit aufgabenorientiertem Training oder Krafttraining?


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(Abb.: Sébastian Garai)
Die Freunde Sébastian Garai (li.) und Christian Horváth (re.) …

... sind 34 und 32 Jahre alt und leben in Winterthur. Bevor sie sich für die Physiotherapie entschieden haben, waren sie in anderen Berufen tätig: Sebastian Garai hat als Haupt- und Realschullehrer gearbeitet, Christian Horväth war zuletzt Bauleiter im Gartenbau. Nach langjährigem Wirken in diesen Berufen war für die beiden die Zeit reif für eine Neuorientierung. Interessant an der Physiotherapie erschienen ihnen die Vielfalt der Therapiemöglichkeiten, der intensive Kontakt mit den Patienten und die Aussicht, wieder mehr mit den Händen arbeiten zu können. Mittlerweile haben sie ihr vierjähriges Bachelorstudium an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften abgeschlossen und sind wieder ins Berufsleben zurückgekehrt. Sebastian Garai arbeitet in der Schulthess Klinik Zürich, Christian Horväth in der Privatpraxis Seuziphysio AG.

Gehgeschwindigkeit nach Schlaganfall erhöhen

Die Bachelorarbeit

Die Teilhabe am öffentlichen Leben ist sehr stark damit assoziiert, wie mobil ein Mensch ist. Entsprechend bedeutet es Patienten nach Schlaganfall sehr viel, ihre Gehfähigkeit wiederzuerlangen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Geschwindigkeit. Sie gilt bei Patienten nach Schlaganfall als Indikator beziehungsweise Prädikator (Vorhersagevariable) für die Gehfähigkeit: Bei einer Geschwindigkeit von unter 0,66-0,8 m/s außer Haus gilt die Gehfähigkeit als eingeschränkt. Zwei Therapieansätze, die in der Gangrehabilitation zum Einsatz kommen, sind das Krafttraining und das aufgabenorientierte Training. Sebastian Garai und Christian Horväth sind in ihrer Bachelorarbeit der Frage nachgegangen, wie sich diese Ansätze bei Patienten nach Schlaganfall speziell auf Kraft, Gehgeschwindigkeit und Partizipation auswirken. Die Studenten interessierte außerdem, ob der jeweilige Therapieeffekt vom Erkrankungsstadium abhängt und inwieweit das Krafttraining eine vorhandene Spastizität beeinflusst. Dazu führten die beiden Physiotherapeuten eine Literaturrecherche durch, in die sie verschiedene Reviews einbezogen. Letztendlich eigneten sich sieben, deren Qualität das Duo mit dem QUO-ROM-Statement (Quality of Reporting of Meta-Analysis) beurteilten. Die Güte der einzelnen in die Reviews aufgenommenen Studien bewerteten sie mit der PEDro-Skala.


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Ergebnisse

Sébastian Garai und Christian Horváth haben herausgefunden, dass …

  • > der durch die untersuchten Therapieansätze zu erreichende Kraft- und Geschwindigkeitszuwachs beim Gehen abhängig von der Erkrankungsphase ist.

  • > sich die Kraft der Patienten durch Krafttraining je nach Erkrankungsstadium um 28 (chronische Phase) bis 288« (akute/subakute Phase) steigern lässt, eine Verbesserung der Gehgeschwindigkeit aber nicht durchgängig nachweisbar ist.

  • > durch das aufgabenorientierte Training dagegen ein Zuwachs in der Gehgeschwindigkeit von 0,13 bis 0,16 m/s (chronische Phase) und von 0,28 m/s (subakute Phase) erreicht werden kann.

  • > die Daten hinsichtlich der Auswirkungen auf Partizipation aufgrund fehlender Definitionen und Messinstrumente unzureichend/ inkonsistent sind und deshalb nicht funktionell interpretiert werden können.

  • > der dem Krafttraining nachgesagte negative Einfluss auf die Spastizität bisher nicht nachgewiesen werden konnte.


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Fazit

Zusammenfassend können Sebastian Garai und Christian Horväth festhalten, dass ...

  • > aufgabenorientiertes Training zur Verbesserung der Gehgeschwindigkeit einem Krafttraining überlegen zu sein scheint.

  • > ein Krafttraining dennoch nicht unterschätzt werden darf, da es auf struktureller Ebene die Voraussetzungen für die Gehfähigkeit schafft.

  • > weitere Studien untersuchen sollten, ob eine verbesserte Gehgeschwindigkeit auch mit Veränderungen auf Partizipationsebene einhergeht.

Eva Trompetter

→ Garai S, Horváth C. Krafttraining und aufgabenorientiertes Training nach Schlaganfall (UMNL) - Auswirkungen auf Körperfunktionen und Strukturen, Aktivitäten und Partizipation. Beurteilung der aktuellen Evidenz mit Schwerpunkt auf der Verbesserung der Gehgeschwindigkeit. Bachelorarbeit an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften; 2011


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(Abb.: Sébastian Garai)