Diabetes aktuell 2012; 10(07): 341-342
DOI: 10.1055/s-0032-1331334
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diabetes Programm Deutschland – Per Marathonlauf gegen den Diabetes

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Publication Date:
27 November 2012 (online)

 
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Prof. H.-G. Predel

Nach dem Erfolg im vergangenen Jahr ist das "Diabetes Programm Deutschland" 2012 erneut an den Start gegangen: Rund 140 Diabetiker wurden unter sportwissenschaftlicher Begleitung auf den Köln-Marathon vorbereitet, 89 von ihnen haben den Lauf erfolgreich absolviert. Damit wurde bereits zum zweiten Mal belegt, dass sich das zielgerichtete sportliche Training auszahlt und dass ein regelmäßiges Bewegungsprogramm Diabetikern hilft, durch körperliche Aktivität ihre Stoffwechsellage zu verbessern.

Noch sind die Daten für 2012 nicht komplett ausgewertet, die Ergebnisse vom Vorjahr aber können sich auf jeden Fall sehen lassen: Die meisten Teilnehmer schafften es, das bei der Eingangsuntersuchung, die eine umfassende Leistungsdiagnostik beinhaltete, vereinbarte sportliche Ziel der zu absolvierenden Teilstrecke von 7, 10, den Halbmarathon mit 21 Kilometern oder sogar die gesamte Strecke von 42 Kilometern zu erreichen.

Steigerung der Fitness, Besserung der Stoffwechselsituation

"Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis", berichtet einer der Initiatoren des Programms, Prof. Dr. Hans-Georg Predel, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule in Köln. "Wir haben davon abgesehen bei den Diabetikern im Verlauf des sechsmonatigen vorbereitenden Trainings eine sehr erfreuliche Besserung der Stoffwechselsituation beobachten können". So war als Folge des Lauftrainings bei den Teilnehmern eine ausgeprägte Besserung der Blutzuckerwerte und auch des HbA1c-Wertes zu verzeichnen. Die Diabetiker nahmen durchweg an Gewicht ab und waren insgesamt körperlich leistungsfähiger als vor Beginn des Trainings.

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"Es hat mich überrascht und besonders gefreut, dass wir bei einigen Teilnehmern mit zunächst manifestem Diabetes eine komplette Normalisierung der Stoffwechselparameter allein durch das Lauftraining erzielt haben", betont Predel. Ein weiteres erfreuliches Ergebnis: "Bei nahezu allen Teilnehmern konnte infolge der Besserung der Stoffwechselsituation die Dosierung der notwendigen Antidiabetika reduziert werden", sagt der Sportmediziner. Bei den Befragungen gaben die Patienten außerdem eine deutlich verbesserte Lebensqualität an.

Bei dem "Diabetes Programm Deutschland", das unter anderem vom Biopharma-Unternehmen UCB unterstützt wird, haben in diesem Jahr erstmals auch Sportgruppen nicht nur aus Köln und Düsseldorf, sondern auch aus Bonn, Frankfurt und Berlin teilgenommen. Alle Teilnehmer erhalten zunächst einen umfassenden Gesundheitscheck bei ihrem Hausarzt oder Diabetologen und trainieren anschließend 6 Monate lang in kleinen Gruppen mit geschulten Lauftrainern. Eine Leistungsdiagnostik zu Beginn der Trainingsphase ist die Basis für den an die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit angepassten Trainingsplan. Trainingsziel ist die Teilnahme am Köln-Marathon, wobei Teilstrecken von 10, oder 21 Kilometer, aber auch die gesamte Marathonstrecke als individuelles Leistungsziel vereinbart werden können.


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Keine Hypoglykämien riskieren

Während des Laufs wird an vorgegebenen Kontrollpunkten der Blutzucker bestimmt, um sicherzustellen, dass die Läufer durch den beim Sport gesteigerten Stoffwechsel keine Hypoglykämien entwickeln. Das ist laut Predel ein sicherheitsrelevanter Aspekt, der unbedingt gewährleistet sein muss: "Wir motivieren Diabetiker generell zu regelmäßiger körperlicher Aktivität. Diese sollte eine zentrale Säule der Diabetestherapie darstellen", mahnt der Kölner Sportmediziner.

Auch die Wahl der verordneten Antidiabetika könne ein wichtiger Beitrag sein, das Hypoglykämierisiko zu mindern: "Es sollten Wirkstoffe verabreicht werden, die möglichst kein substanzspezifisches Hypoglykämierisiko bergen", so Predel.


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Antidiabetika ohne Hypoglykämierisiko bevorzugen

Zu den Antidiabetika, die das Hypoglykämierisiko mindern, gehören praktisch alle Wirkprinzipien, die ihre antidiabetische Wirkung über das Darmhormon Glucagon-Like-Peptid-1 (GLP-1) entfalten. Dieses Hormon stimuliert bei Nahrungsaufnahme glukoseabhängig die Insulinsekretion in den Betazellen und reduziert zugleich die Glukagonsekretion der Alphazellen in den pankreatischen Inseln. Wirkmechanismen, die hier angreifen, führen laut Prof. Dr. Winfried Beil von der Medizinischen Hochschule Hannover zur Normalisierung der Glukosespiegel ohne Induktion von Hypoglykämien [ 1 ]. Denn die Insulinsekretion wird durch das Hormon nur dann gesteigert, wenn der Blutzucker steigt oder zu hoch ist.

Ein Beispiel sind die sogenannten DPP-4-Hemmer. Sie hemmen das Enzym Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4), das GLP-1 rasch inaktiviert. Dadurch bleibt die Hormonwirkung und damit die Insulinausschüttung nach Nahrungsaufnahme länger bestehen. Der Glukosespiegel wird normalisiert, ohne dass das Hypoglykämierisiko steigt. "Das ist ein eindeutiger therapeutischer Fortschritt", so die Bewertung des Wirkprinzips durch Predel. Die blutzuckersenkende Wirkung wird zudem gewichtsneutral vermittelt. Die DPP-4-Hemmer sind theoretisch mit allen anderen antidiabetischen Wirkprinzipien kombinierbar. Besonders günstig ist laut Beil die Kombination eines DPP-4-Hemmers mit Metformin, da so synergistische Wirkprinzipien genutzt werden. Denn Metformin steigert die Bildung von GLP-1, während DPP-4-Hemmer dessen Abbau hemmen.


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DPP-4-Hemmer – keine einheitliche Substanzklasse

Inzwischen sind bereits mehrere DPP-4-Hemmer für die Diabetestherapie verfügbar. Den verschiedenen Wirkstoffen ist gemeinsam, dass sie die Insulinsekretion glukoseabhängig stimulieren und über die GLP-1-Wirkung die Glukagonfreisetzung hemmen. Allerdings handelt es sich bei den DPP-4-Hemmern nach Beil nicht um eine einheitliche Substanzklasse. Vielmehr unterscheiden sich die einzelnen Vertreter der Gruppe von Antidiabetika in ihren pharmakodynamischen und auch in ihren pharmakokinetischen Eigenschaften.

Entsprechend der vorliegenden Daten zeigt laut Beil der Wirkstoff Vildagliptin den schnellsten Wirkeintritt und erhöht im direkten Vergleich den GLP-1-Spiegel signifikant stärker als Sitagliptin. Die Substanzen unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Elimination, was Auswirkungen auf das Risiko von Arzneimittelinteraktionen hat. So wird Sitagliptin primär unverändert durch Transporter renal ausgeschieden, während Vildagliptin extrahepatisch hydrolysiert und als inaktiver Metabolit renal eliminiert wird. Saxagliptin wird nach Angaben des Pharmakologen hauptsächlich durch das Cytochrom P450-System metabolisiert.

"Vildagliptin ist damit der DPP-4-Hemmer mit dem geringsten Potenzial für Arzneimittelinteraktionen", schreibt der Wissenschaftler. Dieser Aspekt ist aus seiner Sicht relevant, da es sich bei Typ-2-Diabetikern sehr häufig um ältere Patienten handelt, die oft mehrere Begleiterkrankungen aufweisen und bei denen folglich eine Polypharmazie eher die Regel als die Ausnahme darstellt.


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Besonders vorteilhaft: Kombination von DPP-4-Hemmung und Metformin

Im Krankheitsverlauf benötigen viele Typ-2-Diabetiker zusätzlich zu Metformin ein weiteres orales Antidiabetikum. Als besonders günstig bewertet Beil aufgrund der synergistischen Wirkeffekte die Kombination von DPP-4-Hemmer und Metformin, wie sie beispielsweise mit der Fixkombination von Vildagliptin und Metformin realisiert ist.

Die unterschiedlichen Eigenschaften der Substanzen erklären sich nach Beil durch das voneinander abweichende pharmakologische Profil. So handelt es sich bei Sitagliptin um einen kompetitiven reversiblen Hemmstoff der DPP-4, während Vildagliptin kovalent an das Enzym gebunden wird. Der Wirkstoff ist damit ein "slow substrat", was bedeutet, dass zwischen Vildagliptin und dem DPP-4-Enzym eine starke Bindung besteht und die Substanz nur langsam umgesetzt wird. Saxagliptin wird zwar ebenfalls kovalent gebunden, allerdings zu einem Metaboliten umgesetzt, der zweifach wirkschwächer ist. Unterschiede zeigen sich auch beim Wirkeintritt, der bei Vildagliptin deutlich rascher als bei Sitagliptin erfolgt. "Nach einer halben Stunde sind 95 % der DPP-4-Aktivität gehemmt", schreibt Beil. In einem direkten Head-to-Head-Vergleich wurde nach seinen Angaben außerdem ermittelt, dass Vildagliptin die GLP-1-Konzentration nach der Mahlzeit signifikant stärker steigert als Sitagliptin und auch die Glukagonsekretion statistisch eindeutig stärker supprimiert.


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Auswirkungen auf die HbA1c-Werte

Die unterschiedlichen Wirkprofile haben Auswirkungen auf die HbA1c-Senkung: Zwar fehlen zu diesem Parameter bislang noch direkte Head-to-Head-Vergleiche, nach den Angaben in den Fachinformationen ist aber die placebokorrigierte Reduktion des HbA1c unter einer Monotherapie mit Sitagliptin (0,6–0,8 %) und Vildagliptin (0,5–0,7 %) innerhalb von 18–24 Wochen vergleichbar, während die HbA1c-Senkung für Saxagliptin 0,4–0,6 % beträgt.

Kombiniert mit einer vorbestehenden Metformin-Therapie führt Sitagliptin nach seinen Angaben zu einer zusätzlichen HbA1c-Senkung von 0,7 % und Saxagliptin von 0,8 %. Ausgeprägter ist die zusätzliche HbA1c-Reduktion mit 1,1 % unter Vildagliptin in Kombination mit Metformin. Für Vildagliptin liegen auch publizierte Studiendaten für ältere Patienten > 75 Jahren vor. Dabei wurden gleichgute Resultate für die HbA1c-Senkung wie bei den jüngeren Patienten gezeigt. In dieser Patientengruppe wurden für Vildagliptin sowohl hinsichtlich der HbA1c-Senkung, als auch der Verträglichkeit vergleichbar gute Resultate gezeigt wie bei jüngeren Typ-2-Diabetikern.

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Abb. 1 HbA1c-Senkung mit Kombination Vildagliptin + Metformin/SH im Vergleich zu anderen DPP-4-Hemmern.

Auf Basis dieser Daten wurde für Vildagliptin der Hinweis "Vorsicht bei Patienten älter als 75 Jahren" aus den Fachinformationen entfernt.


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Geringeres Hypoglykämierisiko

Für den bevorzugten Einsatz von DPP-4-Hemmern in der Diabetestherapie spricht nach Beil insbesondere die Tatsache, dass bei der Monotherapie mit diesen Wirkstoffen praktisch kein Hypoglykämierisiko besteht. Metaanalysen belegen, dass Sitagliptin und Vildagliptin als Monotherapie wie auch als Kombinationstherapie weniger Hypoglykämien induzieren als andere orale Antidiabetika. "Es wäre zu wünschen, dass die DPP-4-Hemmer im Flussdiagramm der Diabetestherapie die Sulfonylharnstoffe in den Hintergrund drängen", so die abschließende Bewertung des Pharmakologen. Sitagliptin und Saxagliptin sind bereits zur Kombination mit Insulin zugelassen. Für Vildagliptin wurden aktuell zwei Indikationserweiterungen erteilt. Zum einen kann Vildagliptin ab sofort sowohl in Monoform (Jalra®) als auch in der Fixkombination mit Metformin (Icandra®) bei Typ-2-Diabetikern als Add-on zu Insulin eingesetzt werden, wenn Diät und Bewegung zusätzlich zu einer stabilen Insulindosis zu keiner adäquaten glykämischen Kontrolle führen. Ferner kann die Dreifach-Kombination mit Metformin und Sulfonylharnstoff eingesetzt werden, wenn Diät und Bewegung zusätzlich zu einer Zweifachtherapie mit diesen Arzneimitteln den Blutzucker nicht ausreichend senken können.


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Fazit

Die Erfolge des "Diabetes Programm Deutschland" unterstreichen die enorme Bedeutung regelmäßigen körperlichen Trainings auf den Kohlenhydratmetabolismus bei Diabetikern. Die sportliche Aktivität führt zu eindeutigen Verbesserungen der Stoffwechsellage, doch ist unbedingt zu gewährleisten, dass die Patienten nicht durch Hypoglykämien gefährdet werden. Beitragen hierzu können Antidiabetika wie die DPP4-Hemmer, wobei es sich nicht um eine einheitliche Substanzklasse handelt und das besondere Wirkprofil der einzelnen Substanzen zu beachten ist.

Christine Vetter, Köln

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch UCB Pharma.


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  • Literatur

  • 1 Beil W. Diabetes, Stoffwechsel und Herz 2011; 20: 79-84
  • 2 Pscherer S et al. Perfusion 2011; 24: 206-211

  • Literatur

  • 1 Beil W. Diabetes, Stoffwechsel und Herz 2011; 20: 79-84
  • 2 Pscherer S et al. Perfusion 2011; 24: 206-211

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Prof. H.-G. Predel
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Abb. 1 HbA1c-Senkung mit Kombination Vildagliptin + Metformin/SH im Vergleich zu anderen DPP-4-Hemmern.