physiopraxis 2012; 10(11/12): 23-28
DOI: 10.1055/s-0032-1331593
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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03 December 2012 (online)

 

Schlaganfall – Oft mit an Bord: Schmerzen

Fast die Hälfte der Patienten nach einem Schlaganfall leidet unter Schmerzen. Das berichten Forscher nach einer Studie an 275 Betroffenen.

Etwa 46 % der Patienten berichteten sechs Monate nach dem Schlaganfall über neu aufgetretene Schmerzen. Am häufigsten betroffen waren das Schultergelenk mit rund 16 % und der Kopf mit 13 %. Über 35 % der Patienten litten unter verschiedenen Schmerzen gleichzeitig. Ein geringer Prozentsatz - 3,6 % direkt nach dem Schlaganfall, nach sechs Monaten rund 9 % - reagierte mit Schmerzen auf leichte Berührungen, Wärme- oder Kältereize. Etwa 10 % der Studienteilnehmer hatten das sogenannte Central Post Stroke Pain (CPSP), der überwiegende Teil davon waren Frauen. Über ein Drittel der Patienten war durch die Schmerzen in seiner Lebensqualität moderat bis stark beeinträchtigt.

Die Autoren fordern, Schmerzen nach Schlaganfall weiter zu untersuchen und bei der Therapie im Blick zu haben. Zudem weisen sie darauf hin, dass die Patienten möglicherweise gleichzeitig unter verschiedenen Arten von Schmerzen leiden.

hoth

Eur J Pain 2012; 16: 1128-1136


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Neurodynamik – Was beim femoral Slump Test normal ist

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femoral Slump Test: Der Patient liegt in Seitenlage und flektiert sein unteres Bein maximal im Hüftgelenk sowie seine Wirbelsäule. Dann extendiert er das zu testende obere Bein im Hüftgelenk und flektiert das Kniegelenk. Meist löst der Test ein Ziehen im ventralen Oberschenkel aus, der sich durch Nackenextension verringern lässt.
Abb. li.: Westerhuis P, Wiesner R (Hrsg.). Klinische Muster in der Manuellen Therapie. Stuttgart: Thieme; 2011.

Mit dem Femoral Slump Test (FST) prüfen Physiotherapeuten die Mechanosensitivität des N. femoralis in Seitenlage. Bislang gab es jedoch noch keine Studie, die untersuchte, welche Symptome und Gelenkwinkel dabei normal sind. Das wollten taiwanesische Forscher ändern.

Dazu rekrutierten sie 32 gesunde Probanden, zur Hälfte Männer und Frauen. Nach einem Aufwärmprogramm mit Dehnübungen dokumentierten die Autoren die Dehnfähigkeit der Hüftgelenkflexoren und Kniegelenkextensoren. Anschließend positionierten sie die Probanden in der FST-Position. Nun prüften sie die Intensität des durch den Test ausgelösten Ziehens im ventralen Oberschenkel sowie das Bewegungsausmaß der Hüftgelenkextension, während sie die Spannung des Nervensystems veränderten: über HWS-Flexion und -Extension sowie über Rumpfflexion- und -extension.

Die Autoren fanden heraus: Im Ausmaß der Hüftgelenkextension gibt es zwischen den Geschlechtern keinen Unterschied. Bei dem Test konnten die Probanden ihr dominantes Bein in der Regel weniger weit in Hüftgelenkextension bewegen als das andere. Erhöhte sich die Spannung des Nervensystems über HWS- bzw. Rumpfflexion, verringerte sich das Ausmaß der Hüftgelenkextension und umgekehrt.

josc

Man Ther 2012; 17: 126-132

Kommentar

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Die Studie bestätigt hinsichtlich der Symptome und deren Beeinflussbarkeit über HWS- und Rumpfposition das, wovon man bislang bei der Durchführung des Femoral Slump Tests ausging. Spannend ist vor allem, dass das dominante Bein beim Test weniger Hüftgelenkextension zuzulassen scheint als das andere. Natürlich war die Probandenzahl nicht riesig, und natürlich ist es wichtig, das Ergebnis durch andere Studien zu untermauern. Trotzdem schadet es nicht, bei der Interpretation des Tests in der Praxis im Hinterkopf zu haben, dass eine Seitendifferenz bei der Hüftgelenkextension möglicherweise normal ist.

Joachim Schwarz


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Lumboischialgie – Rückfallquote bei 25 Prozent

Bei rund 25 % der Patienten, die aufgrund eines LWS-Bandscheibenprolapses unter einer Lumboischialgie leiden, treten die Beinausstrahlungen trotz erfolgreicher konservativer Therapie spätestens nach einem Jahr wieder auf. Patienten, die sich langsamer erholen, haben ein höheres Rezidivrisiko. Zu diesem Schluss kamen amerikanische Forscher.

Sie hatten Patienten gesucht, die einen klinisch und per MRT bestätigten LWS-Prolaps hatten und konservativ therapiert werden sollten. Die Forscher klärten alle Teilnehmer bezüglich des Heilungsverlaufs auf und ermutigten sie, nach und nach wieder ihre Alltagsaktivitäten aufzunehmen. Zusätzlich bekam jeder eine individuell zugeschnittene Therapie. Diese bestand, je nach Bedarf, aus Physiotherapie, oraler Medikation und lumbalen Infiltrationen. Von 154 Patienten waren es am Ende 79, die nicht operiert werden mussten und bei denen die Beinschmerzen nach der Therapie für mindestens einen Monat verschwunden waren. Diese Patienten befragten die Wissenschaftler nach einem Jahr erneut.

Sie fanden heraus, dass bei 25 % von ihnen die Beinschmerzen wieder aufgetreten waren. Je länger die Patienten gebraucht hatten, diese loszuwerden, desto wahrscheinlicher war der Rückfall. Laut der Autoren zeigen die Ergebnisse, dass Rezidive nach konservativer Therapie häufig vorkommen. Sie regen unter anderem Studien an, die die Rückfallquoten bei konservativen und operativen Interventionen vergleichen.

josc

Arch Phys Med Rehabil 2012; 93: 690-695


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Bandscheibenerkrankung – Schmerzchronifizierung

Risiko einer Schmerzchronifizierung aufgrund bandscheibenbedingter Erkrankungen

Gesundh ökon Qual manag 2012; 17: 79-87


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Knie-Tep – Trotz OP: Propriozeption bleibt schlecht

Nach einer Knie-TEP-OP verbessern sich bei den Patienten zwar viele Parameter, das Defizit in der Propriozeption der unteren Extremität bleibt jedoch bestehen. So lautet das Ergebnis einer Studie australischer Forscher.

Sie untersuchten 35 Patienten, die sich kurz vor einer Knie-TEP-OP befanden, mittels des Short-form-Physiological-Profile-Assessments. Dies beinhaltet Tests für das Sehvermögen, die Kraft der knieumgebenden Muskulatur und die Propriozeption der unteren Extremität. Daneben dokumentierten die Autoren unter anderem die Zahl der Stürze, die Sturzangst sowie Schmerzen der Patienten und deren Einschränkungen im täglichen Leben. Die gleichen Tests führten sie zwölf Monate nach der OP noch einmal durch. Die Ergebnisse: Kraft, Reaktionszeit und Sturzangst verbesserten sich. Die Propriozeption im betroffenen Bein blieb dagegen ebenso unverändert wie die Anzahl der Stürze - im Mittel stürzten rund 45 % der Patienten ein Mal binnen zwölf Monaten. Erstaunlich war, dass sich zwar deren Schmerzen, Funktionsfähigkeit und Steifigkeit post-OP signifikant verbesserten, die gesundheitsbezogene Lebensqualität jedoch verschlechterte.

Laut der Autoren könnte die unverminderte Anzahl an Stürzen mit dem persistierenden Propriozeptionsdefizit in der unteren Extremität zusammenhängen.

josc

Knee Surg Sports Traumatol Arthrose 2012; 20: 1097-1103


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Gonarthrose – Krankenhausbehandlungen

Anzahl der Männer und Frauen, die im Jahr 2009 wegen einer Gonarthrose in einem deutschen Krankenhaus behandelt wurden

N11-01; IQWiG


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Chronische Rückenschmerzen – Veränderung im Gehirn sichtbar

Verschiedene Forscher sind seit einigen Jahren der Meinung, dass nicht nur der Rücken selbst, sondern auch das Gehirn an Rückenschmerzen beteiligt ist. Nun bestätigten amerikanische Wissenschaftler: Chronische Rückenschmerzen sind möglicherweise die Folge von spezifischen kortikalen Lern- und Umbauprozessen.

Die Autoren wollten mittels funktioneller Kernspintomografie herausfinden, ob bestimmte Hirnstrukturen mit Rückenschmerzen zusammenhängen. Dafür führten sie bei 39 Patienten über den Zeitraum von einem Jahr vier fMRT-Untersuchungen durch. Die Probanden litten zu Studienbeginn bereits zwischen vier und 16 Wochen unter Rückenschmerzen. Während des Untersuchungszeitraums erholten sich 20 Patienten, bei 19 wurde der Schmerz chronisch. Beim fMRT stellten die Wissenschaftler unter anderem fest, dass diejenigen Teilnehmer, deren Schmerzen sich chronifiziert hatten, einen Verlust an grauer Hirnsubstanz im Bereich der Insula und des Nucleus accumbens zeigten. Beide Regionen sind für die emotionale Bewertung von Schmerzen zuständig. Der Nucleus accumbens ist zusätzlich in emotionale Lernprozesse eingebunden. Bei den Studienteilnehmern mit chronifizierten Schmerzen war außerdem die Konnektivität zwischen dem Nucleus accumbens mit dem medialen präfrontalen Kortex erhöht. Die Vermutung der Wissenschaftler: Einer der Gründe für die Chronifizierung von Schmerzen könnte sein, dass Schmerzen in den unterschiedlichen Hirnregionen nicht korrekt bewertet werden.

jm

Nat Neurosci 2012; doi:10.1038/nn.3153


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Multiple Sklerose – Tageszeit beeinflusst nicht die Gangkapazität

Bei Patienten mit Multipler Sklerose steigt zwar die Fatigue-Symptomatik während des Tages, ihre körperliche Leistungsfähigkeit verschlechtert sich dadurch jedoch nicht. Das fanden Peter Feys aus Belgien und sein internationales Team heraus.

Die Wissenschaftler schlossen 102 Betroffene in ihre Studie ein, die in ihrer Gehfähigkeit unterschiedlich stark eingeschränkt waren. Auf der Expanded Disability Status Scale (EDSS) erreichten alle Studienteilnehmer einen Wert von maximal 6,5.

Jeweils morgens, mittags und am Nachmittag untersuchten die Wissenschaftler die Patienten. Zuerst sollten diese ihr subjektives Erschöpfungsempfinden einschätzen und dann sowohl den 10-Meter- als auch den 6-Minuten-Gehtest durchführen. Das Autorenteam konnte zeigen, dass sich die Probanden während des Tages zwar zunehmend erschöpfter fühlten, dies jedoch keinen Einfluss auf ihre Gangkapazität und die Gehgeschwindigkeit hatte.

Das Ergebnis ist laut der Autoren unter anderem wichtig für klinische Studien, da es zeigt, dass Messungen der Gangkapazität unabhängig von der Tageszeit durchgeführt werden können.

hoth

Mult Scler 2012; 18: 351-357

40.000

Euro betragen in etwa die Kosten,

die in Deutschland pro Jahr für einen Patienten mit MS aufgewendet werden müssen. Über 70 % der Erkrankten werden immunsuppressorisch behandelt.

Dtsch Arztebl 2008; 105: 113-119


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femoral Slump Test: Der Patient liegt in Seitenlage und flektiert sein unteres Bein maximal im Hüftgelenk sowie seine Wirbelsäule. Dann extendiert er das zu testende obere Bein im Hüftgelenk und flektiert das Kniegelenk. Meist löst der Test ein Ziehen im ventralen Oberschenkel aus, der sich durch Nackenextension verringern lässt.
Abb. li.: Westerhuis P, Wiesner R (Hrsg.). Klinische Muster in der Manuellen Therapie. Stuttgart: Thieme; 2011.
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