Sportverletz Sportschaden 2012; 26(04): 178
DOI: 10.1055/s-0032-1333373
Für Sie notiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gonarthrose – Arthrosetherapie: Mit Geduld und Egelspucke?


Complement Therap Med 2012;
20: 1-7
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 January 2013 (online)

 
 

Eine aktuelle Studie untermauert die Wirksamkeit von therapeutischen Blutegeln bei Arthrose: Wissenschaftler der Charité Berlin stellten in ihrer randomisierten Kontrollstudie fest, dass ihren Patienten mit Gonarthrose bereits eine Anwendung half, Schmerzen zu reduzieren und die Funktion zu verbessern. Die Wirksamkeit wird dem blutverdünnenden Speichel der Parasiten zugeschrieben.
Complement Therap Med 2012; 20: 1–7

Nachdem die Begabungen der Egel zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten waren, hatten unter anderem Ärzte am UK Essen-Duisburg im Jahr 2003 die schmerzlindernde und antientzündliche Wirkung bei Patienten mit schmerzhafter Gonarthrose im Rahmen einer randomisierten Studie publiziert. Rainer Stange und Kollegen, Charité – Univeristätsmedizin Berlin, fanden die wissenschaftlichen Grundlagen für Egeltherapien jedoch unzureichend und planten daher eine randomisierte Kontrollstudie im Crossover-Design.

Die 50 teilnehmenden Patienten litten an einer Gonarthrose des Grades II nach Jaeger und Wirth. Das Alter betrug durchschnittlich 68 Jahre (± 10). Waren beide Knie betroffen, wurde das schwerer betroffene behandelt. Ausgeschlossen waren Patienten, die sich über undifferenzierte Schmerzen an beiden Knien beklagten, und Patienten mit chronisch entzündlichen Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis. Ein weiteres Haupausschlusskriterium war eine Anämie definiert als Hb < 12 bzw. <10 g / dL bei Männern bzw. Frauen sowie die dauerhafte Einnahme von Antikoagulanzien oder ASS.

Die Teilnehmer wurden zu Beginn der Studie randomisiert 2 Gruppen zugeteilt:

  • Gruppe 1 startete mit einer einmaligen Egeltherapie mit 6–8 Tieren, die über und unter der Patella sowie am medialen und lateralen Gelenkspalt angesetzt wurden. Die Knie wurden immobilisiert und die Egel verblieben am Knie, bis sie sich fallen ließen. Die betreffenden Stellen bluteten etwa 2 Stunden nach. Die Knie wurden anschließend mit Kompressionsbandagen versorgt, 2 Stunden später wurden die Patienten nach Hause entlassen.

  • Gruppe 2 erhielt als erste Intervention eine einmalige transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) in einer Stärke, die die Patienten kaum wahrnahmen. Ein Effekt wurde nicht erwartet.

Die Kontrolltermine fanden nach 3, 7 und 21 Tagen statt, 6 Wochen nach der ersten Behandlung erhielten die Patienten die jeweils andere Therapie mit nachfolgenden Kontrollintervallen wie zuvor. Die Zielparameter der Studie waren der Lequesne-Index (L.I.; ein kombiniertes Punktesystem für Schmerz und Funktion) und eine VAS von 0–10 cm anhand derer die Patienten das subjektive Ausmaß ihrer Beschwerden mitteilten. Sekundäre Parameter waren die Patientenzufriedenheit mit der Therapie in 5 Schritten von "sehr zufrieden" bis "sehr unzufrieden" und die Therapiesicherheit.

Zoom Image
(© kreativwerden /fotolia.com)

Schmerzlinderung über 9 Wochen

Von den Patienten mit der Blutegeltherapie als erste Intervention beendeten 22 von 25 die Studie nach Protokoll. Von Gruppe 2 verblieben 18 von 25, die sich der Blutegeltherapie unterzogen. Der L.I. für Schmerz und Funktion sank bei der ersten Gruppe von Tag 0 zu 21 signifikant (‣ Abb. [ 1 ]), dabei trat der Effekt bereits nach 3 Tagen ein und hielt an. Der Effekt auf den L.I., den die Autoren bei der Gruppe 2 nach der Blutegeltherapie feststellen, war ähnlich: Nach 3 Tagen hatte der Wert um 2,3 Punkte abgenommen und blieb bis zum Tag 45 (21 nach Therapie) auf diesem Niveau.

Zoom Image
Abb. 1 Zielparameter Schmerz und Funktion gemessen im Lequesne-Index (L.I.) an den Tagen 0, 3, 7 und 21 nach der jeweils ersten Therapie mit Blutegeln (Gruppe 1) oder TENS (Gruppe 2).

Die VAS-Werte waren bei den mit Egeln Therapierten um 1,6 cm (27,1 %) am 7. Tag gesunken und hielten bis zum Tag 21 in etwa den erreichten Wert von durchschnittlich 4,2. Die TENS erreichte einen Effekt von durchschnittlich etwa 8 % am Tag 3, der VAS war aber zum Tag 21 wieder auf dem Basisniveau.

Die behandelnden Ärzte bewerteten die Therapie mit Blutegeln in Gruppe 1 zu über 80 % als zufriedenstellend oder sehr zufriedenstellend. Die Patienten aus dieser Gruppe allerdings nur zu knapp 40 %. Andersherum waren Patienten, die die Egeltherapie erst nach der (unwirksamen) TENS erhalten hatten , zu etwa 65 % zufrieden oder sehr zufrieden mit den Tieren, die Ärzte zu etwa 40 %.

Fazit

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Therapie mit Blutegeln bei Gonarthrose ähnlich effektiv ist wie NSAR. Der Vorteil der Egel ist, dass sie dafür nur eine einzige Anwendung in 9 Wochen benötigen und keine nennenswerten Nebenwirkungen zu erwarten sind. Es sei nun angebracht, so Stange et al., die optimale Frequenz zu evaluieren, in der die Egel angewendet werden sollten, zumal andere Studie inzwischen vermuten lassen, dass eine höhere Therapiefrequenz eine größere Wirkung erreicht.

Hr


#
#


 
Zoom Image
(© kreativwerden /fotolia.com)
Zoom Image
Abb. 1 Zielparameter Schmerz und Funktion gemessen im Lequesne-Index (L.I.) an den Tagen 0, 3, 7 und 21 nach der jeweils ersten Therapie mit Blutegeln (Gruppe 1) oder TENS (Gruppe 2).