Sportverletz Sportschaden 2012; 26(04): 180-181
DOI: 10.1055/s-0032-1333374
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hamstring-Rehabilitation – Kettlebell Swing trainiert Semitendinosus – Leg Curl zielt auf Biceps femoris

Contributor(s):
Britta Brudermanns
Kreuzfeld Zebis Mette et al.
Br J Sports Med 2012;
DOI: 10.1136/bjsports-2011–090281.
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Publication History

Publication Date:
07 January 2013 (online)

 
 

Der mediale Hamstring kann eine exzessive dynamische Valgus- und Außenrotation des Kniegelenks während des Sports verhindern. Demzufolge scheint zur Vermeidung von Knieverletzungen ein spezifisches Training dieses Muskels sinnvoll. Mette Kreutzfeld Zebis et al. haben daher aktuell die Aktivierung des medialen und lateralen Hamstrings während 14 verschiedener therapeutischer Übungen untersucht.
Br J Sports Med 2012; doi:10.1136/bjsports-2011–090281

An der dänischen Studie beteiligten sich 16 Leistungssportlerinnen aus den Bereichen Handball (n = 8) und Fußball (n = 8). Ihr Durchschnittsalter betrug 23 Jahre. Die Frauen waren im Mittel 170,2 cm (± 6,4 cm) groß, das durchschnittliche Gewicht lag bei 66,2 kg (± 7,4 kg). Keine der Frauen hatte im Vorfeld eine Knie- oder Hamstringverletzung erlitten. Die elektromyografische Aktivität (EMG) des lateralen und medialen Hamstrings (biceps femoris: BF und semitendinosus: ST) wurde während einzelner Übungen gemessen, die der Stärkung oder zusätzlich der Balance- / Koordinationsförderung dienten. Dies geschah anhand wiederholter Einzelmessungen, die randomisiert durchgeführt wurden. Normalisiert wurde der EMG-Wert mithilfe einer EMGMessung während einer maximalen freiwilligen isometrischen Kontraktion (MVC) ‣ [ Infobox ].

Prinzip der EMG-Normlisierung

Ein Nachteil jeder EMG-Analyse ist, dass die gemessenen Amplituden sehr stark von den Messbedingungen abhängen. Um Messwerte vergleichen zu können, ist es daher sinnvoll, den Einfluss der lokalen Ableitungsbedingungen herauszurechnen. Eine Möglichkeit, die ableitungsbedingte Variabilität zu eliminieren, ist die Normalisierung des Amplitudenwerts zu einem Referenzwert, z. B. dem Innervationsniveau einer maximalen freiwilligen Kontraktion. Das Vorgehen entspricht quasi einer Kalibrierung des Systems auf einen physiologisch relevanten Referenzwert, z. B. auf den prozentualen Anteil der maximal durchführbaren Innervationskapazität.

ST-dominant bei kraftvollen Sportarten

bestimmten die Autoren, ob Unterschiede im EMG der einzelnen Übungen und Muskeln bestehen. Dabei stellte sich heraus, dass sowohl der "Kettlebell Swing" als auch der "Romanian Deadlift" sehr hohe Aktivierungen erreichten (73–115 % MVG) und dabei bis zu 20 % stärker auf den ST als den BF zielten (Δ17–22 %, p < 0,05). Während der Ausführung dieser beiden Übungen wird der Hamstring extrem gedehnt. Die höchste Belastung entsteht dabei in der Position mit der meisten Streckung – also bei gebeugter Hüfte.

Die Autoren empfehlen sowohl zweihändige Kettlebell Swings als auch den Romanian Deadlift besonders, wenn eine Steigerung der Aktivierung des Semitendinosus während einer kraftvollen Bewegung erreicht werden soll. Unter Berücksichtigung eines Transfereffekts in die gewohnte sportliche Aktivität, so die Autoren, könne dabei der Kettlebell Swing aufgrund seiner sehr explosiven und dynamischen Komponente dem Romanian Deadlift noch überlegen sein.


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BF-dominant bei Sprints und Sprüngen

Im Gegensatz dazu zielten sowohl die Leg Curls in Rückenlage mit dem Slideboard als auch die Hyperextension des Oberkörpers auf einem Tisch um mehr als 20 % stärker auf den M. biceps femoris (Δ 20–23 %, p < 0,05) un dzwar bei ebenfalls sehr hohen normalisierten EMG-Leveln (75–87 % MVG). Da die meisten akuten Muskelzerrungen den BF betreffen, könnten diese Übungen gerade für Sportler interessant sein, deren Aktivität eine Menge an Sprints oder Sprüngen umfasst. Und auch die "Nordic Hamstring Lowers", in der mediale und laterale Hamstrings in gleichem Maße angesprochen werden, könnten in der Vermeidung von Zerrungen eine interessante Rolle spielen, da die Muskeln dabei ausschließlich exzentrisch arbeiten.

Alle weiteren untersuchten Balance- / Koordinationsübungen zeigten ein gleiches Maß an ST- und BF-Aktivierung und könnten deswegen als universelle HamstringÜbungen bezeichnet werden. Damit könnten gerade diese Übungen eine wichtige Rolle in der Rehabilitation der motorischen Programme spielen. Afferentes Feedback vom vorderen Kreuzband könne wichtig sein für die Ausbildung bzw. Rehabilitation von motorischen Mustern, die die Kniestabilität optimieren, so die Autoren.

Fazit

Spezifische therapeutische Übungen für die Hamstrings können in ST-dominant oder BF-dominant unterteilt werden. Dieses Wissen sollte laut Meinung der Autoren sowohl im prophylaktischen Training als auch in der physiotherapeutischen Praxis berücksichtigt werden.


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Speziell für den Semitendinosus

Die Stärkung des ST kann helfen, Kreuzbandverletzungen zu vermeiden. Der Muskel ist in der Lage, die dynamische Valgisierung des Knies zu minimieren, in dem er das mediale Kniekompartiment komprimiert.

Kettlebell Swing (zweihändig)

  • Der Sportler verwendet eine Kettlebell mit einem Gewicht von 12 oder 16 kg, er sollte das Gewicht 20-mal im adäquaten Stil schwingen können.

  • Zunächst stellt der Sportler die Füße parallel und schulterweit auseinander.

  • Hüfte und Knie werden gestreckt während der Rücken in neutraler Position bleibt.

  • Mit beiden Händen greift der Sportler das Gewicht, dabei ist der Rücken parallel zum Boden, die Knie sind leicht gebeugt (10–15 °).

  • Der Sportler schwingt die Kettlebell kraftvoll durch die Beine nach hinten und kehrt die Bewegung schnell wieder um mit einer explosiven Extension der Hüfte, dabei schwingt er das Gewicht bis auf Brusthöhe, an dem Punkt sind Knie und Hüfte gestreckt, der Sportler steht aufrecht.


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Romanian Deadlift

  • Der Sportler steht nah an der Langhantel mit den Füßen eine Schulter breit auseinander.

  • Beim heben der Hantel ist der Rücken gestreckt, die Knie leicht gebeugt (10–15 °).

  • Der Sportler hebt die Hantel, in dem er Knie und Hüfte bis in den aufrechten Stand streckt, der Rücken bleibt zu jedem Zeitpunkt gestreckt.

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(© Grafiken: Wesker K; Prometheus – LernAtlas der Anatomie; Hrsg. Schünke M/ Schulte E/ Schumacher U; Thieme 2005)

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Speziell für den M. biceps femoris

Leg Curls in Rückenlage

  • Der Sportler liegt auf dem Rücken, die Arme entlang der Seite ausgestreckt.

  • Die Hüfte ist gestreckt und vom Boden abgehoben, ein Bein bildet die Verlängerung des Oberkörpers, das zu trainierende Bein bleibt am Boden.

  • Der Fuß des zu trainierenden Beins steht auf einem Slideboard o. ä. und wird vor und zurück gestreckt.


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Hyperextension auf dem Tisch

  • Der Sportler ist mit dem Gesicht nach unten auf einem Tisch positioniert, damit die Beine waagerecht sind. Die Füße werden fixiert.

  • Die Hüfte grenzt an die Tischkante.

  • Der Sportler beugt den Oberkörper, bis er die Dehnung im Hamstring spürt.

  • Der Sportler hebt de Oberkörper bis in die Waagerechte.


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Sehr gut für beide

Nordic Hamstring Lowers haben sich in der Prävention besonders bewährt, um Zerrungen zu vermeiden, da die Zielmuskeln dabei ausschließlich exzentrisch arbeiten.

Nordic Hamstring Lowers

  • Der Sportler kniet auf einer dicken Matte, die Füße sind am Boden fixiert, i. d. R. hält ein Partner die Knöchel.

  • Der Sportler senkt den gestreckten Oberkörper so langsam und lange wie möglich, ohne den Oberkörper fallen zu lassen.


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(© Grafiken: Wesker K; Prometheus – LernAtlas der Anatomie; Hrsg. Schünke M/ Schulte E/ Schumacher U; Thieme 2005)