ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2013; 122(03): 111
DOI: 10.1055/s-0033-1341303
Colloquium
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vielfalt der Implantologie auf der Internationalen Dental-Schau – Titanoberflächenbeschichtung für bessere Einheilung – Werkstoffalternative in Sicht

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Publication Date:
12 March 2013 (online)

 

Heute lässt sich eine Implantat-Überlebensrate zwischen 90 und 94 % nach 10 Jahren erreichen [ 1 ] . Dennoch stellen sich die Forschungsabteilungen der Dentalindustrie immer wieder von neuem der Frage: Wie lässt sich der Erfolg weiter steigern? Aktuelle Antworten lässt die kommende Internationale Dental-Schau (IDS) in Köln, vom 12.–16. März 2013, erwarten.

Die hohen Erfolgsquoten beruhen zu einem großen Teil auf dem Ausnahmewerkstoff Titan. Denn hier handelt es sich um ein Metall mit ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften (z. B. Druck- und Biegefestigkeit) – ideal für den Einsatz als Zahnimplantat. Hinzu kommt die Bioverträglichkeit. Sie beruht auf der passivierenden Oxidschicht an Titanoberflächen. Sie wird bis zu etwa 200 nm dick und besteht hauptsächlich aus Titandioxid. Der Körper erkennt im Endeffekt nur die äußerste Hülle, die für ihn wie eine Fläche mit basischen (OH–) und sauren (H+) Gruppen "aussieht".

Titan ist zwar nicht vollkommen inert und kann unter geeigneten Bedingungen korrodieren (Anwesenheit von anderen Metallen oder von Fluorid im sauren Milieu), was aber für den niedergelassenen Implantologen nach den Erfahrungen der letzten 40 Jahre in der Regel keine klinische Relevanz besitzt. Insbesondere kann Titan nicht mit Stoffwechselvorgängen interferieren. Zu dieser Schlussfolgerung muss kommen, wer 2 auf der Hand liegende Tatsachen akzeptiert hat: Sowohl Titan als auch sein Hydroxid besitzen nur eine geringe Löslichkeit im Körper. Darüber hinaus neigt Titan kaum zur Chelatbildung – und wenn, dann bildet es stabile Komplexe, die im Körper nicht weitertransportiert werden. Damit ist die Biokompatibilität dieses Werkstoffs manifest. Ausnahmen – wie etwa die komplette Metallunverträglichkeit einer Patientin [ 2 ] – sind gemäß dem Stand der Wissenschaft allenfalls anekdotischer Natur.

Dennoch versuchen Dentalforscher, das geeignete Material immer weiter zu verbessern.

So wird ein Top-Implantatwerkstoff zum Supermaterial

Die erste Heilungsphase (Osseokonduktion) wird hauptsächlich von der Oberflächenrauigkeit bestimmt. Die besten Resultate, gemessen am BIC-Wert (Knochen-Implantat-Kontaktfläche), erzielt man im Allgemeinen mit mittleren Rauigkeiten (3-D-Rauigkeit Sa = 1–2 μm), was die meisten Hersteller auch in ihren Produkten realisiert haben.

Implantatoberflächen lassen sich darüber hinaus aber auch recht gezielt modellieren, um z. B. die Erfolgswahrscheinlichkeit von Frühimplantationen zu erhöhen. Dazu schafft man größere Rauigkeiten, z. B. durch das Plasmasprayverfahren (TPS), durch Sandstrahlen mit Keramik­partikeln, durch Säureätzung oder durch anodische Oxidation. Aber Achtung: Alle Sa-Werte sind Durchschnittswerte. Bei 7 µm 3-D-Rauigkeit kann an einigen Stellen eine 50-µm-Pore dabei sein. Zu viele zu große Poren eröffnen jedoch krankheitserregenden Keimen einen Zugang.

Es gibt aber für die Zukunft auch Ideen, wie sich die mikrobielle Besiedlung gerade in der Phase direkt nach einer Implantation stoppen ließe. So ist eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut in Mainz dabei, Beschichtungen mit kunststoffähnlichen Plasma­polymeren und Zink freisetzenden Strukturen zu testen. Keime kön­nen auf solchen Oberflächen weder siedeln noch sich vermehren.

Durch andere herstellungstechnische Modifikationen lässt sich ein Hauptvorteil des Titans verstärken, die Bildung der bereits erwähnten "Oxid-Haut". Diese Schicht kann mit einer zum Eloxal-Verfahren (elektrolytische Oxidation von Aluminium) analogen Oberflächenbehandlung verstärkt werden. Die steigert möglicherweise sogar das osseokonduktive Potenzial von Typ-4-Knochen.

In diese Richtung zielt auch eine Beschichtung mit Kalziumphosphat. Darüber hinaus könnte man sich zur Förderung des Einheilungsprozesses eine Einlagerung von Wachstumsfaktoren oder eine Oberflächenmodifikation mit biologisch aktiven Molekülen (BMPs) vorstellen.


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So könnte das Superimplantat von morgen aussehen

Jenseits aller Modifikationen stellt sich wie von selbst eine ganz andere Frage. Wenn Titanoberflächen eigentlich eine Titanoxid-Haut sind, dann erkennt der Körper doch wohl kein Metall, sondern eher ein Metalloxid, sprich: eine Oxidkeramik. Warum dann nicht gleich bekannte Dentalkeramiken einsetzen?

Neue und teilweise vielversprechende Fallberichte und auch Studienergebnisse zu Zirkonoxid-Implantaten wurden über die vergangenen Jahre immer wieder vorgestellt. Vor allem stellte eine Arbeitsgruppe im März 2012 eine erhebliche Knochenneubildung im Bereich von Zirkonoxid-Implantaten, die sich seit 3 Jahren in situ befanden, fest [ 3 ]. Auch das Weichgewebe erholte sich. Einschränkend muss gesagt werden, dass bisher keine Langzeitergebnisse zu Zirkonoxid-Implantaten vorliegen.

Für den IDS-Besucher empfiehlt es sich, auf alle vorstehend beschriebenen Aspekte zu achten und Hersteller danach zu fragen. Insbesondere können spezielle Beschichtungen die Einheilung von Titanimplantaten fördern und Sofortimplantationen, ggf. mit der Option zur Sofortbelastung, häufiger möglich machen. Zir­konoxidimplantate stellen möglicherweise eine Alternative dar, wobei das Niveau der klinischen Absicherung bei Titan nach über 40 Jahren immer intensiverer Anwendung naturgemäß höher liegt.

Dr. Christian Ehrensberger, Frankfurt/Main


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  • Literatur

  • 1 Bahat O. Int J Oral Maxillofac Implants 2000; 15: 646-653
  • 2 Plassmann HJ. Quintessenz Zahntech 2006; 32: 48-56
  • 3 Kohal R. Zirkonoxid-Implantate auf dem Prüfstand. Vortrag am 7. März 2012 im Radisson Blu Hotel, Zurich Airport

  • Literatur

  • 1 Bahat O. Int J Oral Maxillofac Implants 2000; 15: 646-653
  • 2 Plassmann HJ. Quintessenz Zahntech 2006; 32: 48-56
  • 3 Kohal R. Zirkonoxid-Implantate auf dem Prüfstand. Vortrag am 7. März 2012 im Radisson Blu Hotel, Zurich Airport