Pneumologie 2013; 67(03): 140
DOI: 10.1055/s-0033-1341341
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hot Topic – Spontanatmungeffekt vs. druckunterstützte Beatmung im prolongierten Weaning: eine randomisierte Studie aus Chicago

Contributor(s):
Bernd Schönhofer
Jubran A, Grant BJB, Duffner LA et al.
Effect of pressure support vs unassisted breathing through a tracheostomy collar on weaning duration in patients requiring prolonged mechanical ventilation.

JAMA 2013;
309: 671-677
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Publication History

Publication Date:
05 March 2013 (online)

 

    Hintergrund Intensivpatienten, die eine künstliche Beatmung über einen Zeitraum von mehr als 21 Tagen benötigen, machen inzwischen 13 % der künstlich Beatmeten aus. Diese langzeitbeatmeten Patienten müssen vom Beatmungsgerät entwöhnt werden (Weaning). Die zunehmende Menge an Fällen hat zu einer Spezialisierung v. a. in den im WeanNet zusammengeführten pneumologischen Weaning-Zentren geführt.

    Methoden In der im JAMA publizierten prospektiven Langzeitstudie hat das Autorenteam aus Chicago über einen Zeitraum von 10 Jahren die beiden gebräuchlichsten Weaningmethoden Druckunterstützung (PSV) und spontane Atmungsversuche (SBT) direkt verglichen. Für ihre Studie unterzogen sie zunächst 500 Patienten, die im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 für längere Zeit (> 21 Tage) beatmet worden waren, einem Screening über 5 Tage (120 Stunden). Dabei atmeten die tracheotomierten Patienten spontan. Die Patienten, die während der spontanen Atmungsversuche keinen wesentlichen Stress entwickelten, galten als vom Respirator entwöhnt und wurden aus der Studie ausgeschlossen (n = 184). Insgesamt 316 Patienten erwiesen sich im Screening als beatmugspflichtig; hiervon wurden weitere 4 Patienten aufgrund von hoher Komorbidität ausgeschlossen. 312 Patienten wurden anschließend in 2 Gruppen stratifiziert und zwar abhängig vom Zeitpunkt, zu dem sie das vorhergehende Screening nicht mehr toleriert hatten: die "early failure group" (0 – 12 Stunden) und die Gruppen, bei der die spontanen Atmungsversuche erst spät scheiterten, die "late failure group" (12 – 120 Stunden). In jeder Gruppe wurden die Patienten in 1 – 4 Kategorien je nach zugrundeliegender Erkrankung aufgeteilt. In jeder der Kategorien wurden die Patienten entweder einer druckunterstützten Beatmung (PSV, n = 152) oder dem Spontanatmen (SBT, n = 160) zugewiesen.

    Ergebnisse Von 152 Patienten in der druckunterstützten Gruppe wurden 68 (44,7 %) entwöhnt, 22 (14,5 %) starben. Von 160 Patienten aus der SBT-Gruppe wurden 85 entwöhnt (53,1 %) und 16 (10 %) starben. Unter der Gesamtgruppe der Randomisierten lag die durchschnittliche Entwöhnungszeit bei 15 Tagen (Interquartile Range [IQR]: 8 – 25). Sie erwies sich dabei als kürzer unter SBT als unter PSV (19 Tage, IQR: 12 – 31, p = 0,004). Unter den Patienten, die die Studie beendeten (n = 194), war die mittlere Entwöhnungszeit unter SBT kürzer als unter PSV: 13 Tage vs. 19 Tage. Die Hazard-Ratio (HR) für eine erfolgreiche Entwöhnungsrate lag, nach Justierung der klinischen Kovarianten in den Basisdaten, bei SBT höher als bei PSV (HR 1,43, 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,03 – 1,98, p =0,0033). Die schnellere Entwöhnung durch spontane Atmungsversuche gegenüber der Druckunterstützung trat lediglich in der Spätversagergruppe auf (HR 3,33, 95 %-KI 1,44 – 7,70, p = 0,005). Dagegen waren die Entwöhnungszeiten beider Methoden in der Frühversagergruppe gleichwertig. Auch bei der Mortalität waren die Unterschiede nicht besonders groß, weder nach 6 (55,92 % vs. 51,25%) noch nach 12 Monaten (66,45% vs. 60 %). Nebenwirkungen (Pneumonie, Arrythmien und Pneumothorax) traten in den beiden Gruppen nahezu gleich häufig auf.

    Jubran A, Grant BJB, Duffner LA et al. Effect of pressure support vs unassisted breathing through a tracheostomy collar on weaning duration in patients requiring prolonged mechanical ventilation. JAMA 2013; 309: 671-677

    Kommentar

    Die Studie unterstreicht, dass im prolongierten Weaning mit der SBT-Technik im Vergleich zu PSV eine frühere Entwöhnung vom Respirator möglich ist. Außerdem zeigt sie, dass die Vorhersage eines späteren Weaning-Erfolgs abhängig davon ist, ob die Patienten beim Atmungs- Screening früh oder später wieder beatmungspflichtig sind (hier als " early und late failure" bezeichnet): In der Gruppe, die erst spät versagt hatte, war das Weaning deutlich früher erfolgreich. Allerdings war die Mortalität nach 6 und nach 12 Monaten sowohl unter PSV als auch unter SBT ausgeprägt. Etwas missverständlich ist der Begriff "late failure" für die Patienten, deren spontane Atmungsversuche spät – erfahrungsgemäß vorwiegend infolge der Atmungsmuskulaturschwäche – beendet wurden. Eigentlich ist das die Erfolgsgruppe, denn gerade diese Patienten sind mit höhere Wahrscheinlichkeit vom Respirator entwöhnbar. Die Ergebnisse der Studie sind bedeutend, da sie einen wichtigen Bereich des klinischen Alltags unserer Weaning-Zentren bzgl. prolongiertem Weaning in eine prospektiven Studie erfasst. Gerade bei der in der Abschlussphase befindlichen S2-Leitlinie zum prolongierten Weaning wurde uns aktuell schmerzlich klar, dass es kaum Studien zu diesem Themenkomplex auf hohem wissenschaftlichem Niveau gibt.

    Die Take-home-Message der Studie ist:

    • Auch im prolongierten Weaning gehören regelmäßig durchgeführte Spontanatmungsversuche zum festen Bestandteil der Weaningstrategie.

    • Eine relativ große Anzahl von Patienten waren nach Übernahme in die Weaningeinheit defacto nicht mehr respiratorpflichtig. Das heißt: In der Wartezeit vor Verlegung der Patienten mit prolongierter Beatmung in ein Weaning-Zentrum darf das Team der verlegenden Intensivstation nicht in therapeutische Lethargie verfallen.

    Der besondere Wert dieser hochrangig publizierten Studie ist, dass ihre simple Take-home-Message zum Stellenwert der Spontanatmung im pronlogierten Weaning aufgrund des hohen Verbreitungsgrades von JAMA in die allgemeine Intensivmedizin transportiert wird.


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