Transfusionsmedizin 2013; 03(01): 1-2
DOI: 10.1055/s-0033-1341547
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

DGTI Jahrestagung 2012 in Graz – Innovation fördern und die klassische Transfusionsmedizin pflegen

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Publication Date:
28 March 2013 (online)

 

Die Schwerpunkte der 45. Jahrestagung der DGTI (11.–14. September 2012) in Graz waren "Zell,- Immun-, Gewebetherapie und regenerative Medizin", wie der Tagungspräsident Prof. Dr. Gerhard Lanzer in seinem Grußwort an die Kongressteilnehmer hervorhob. Er betonte, dass "die klinische Transfusionsmedizin, die Herstellungs-, Diagnose-, Anwendungs- und Sicherheitsbereiche von Blutkomponenten nicht vernachlässigt" werden dürfen. Entsprechend bunt und facettenreich war die Tagung.
Gleichwertig und auch gleichzeitig fanden Veranstaltungen klassischer und innovativer transfusionsmedizinischer Bereiche wie Zelltherapie, Klinische Transfusionsmedizin, Donor Management und Biobanking, Hämostaseologie und Donor Safety statt.

Zentrale Fortbildung Klinische Transfusionsmedizin

Teil des Vorprogramms war die Zentrale Fortbildung Klinische Transfusionsmedizin, die gemeinsam von den Fachgesellschaften BDT, DGTI, GTH, DGHO, DGAI und ÖGBT ausgerichtet wurde. Gleichzeitig fanden das MTA-Forum, das OperatorInnenseminar und die Zukunftswerkstatt statt. Die Zukunftswerkstatt war eine Neuerung bei der diesjährigen Jahrestagung der DGTI: Hier lernten Jungforscher methodische Möglichkeiten der Transfusionsmedizin am Zentrum für Medizinische Forschung (ZMF) der Medizinischen Universität Graz kennen und konnten Forschungsnetzwerke für die Zukunft knüpfen. Die Sektionsseminare konnten über die ganze Tagungszeit hinweg besucht werden.


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Eröffnungsveranstaltung und Preise

Das Prinzip Zweiklang aus klassischer Transfusionsmedizin und innovativen neuen transfusionsmedizinischen Bereichen wurde bei der Eröffnungsveranstaltung reflektiert: Zur Einstimmung der Tagung hielt Prof. Heinz Redl die zukunftsweisende Karl-Landsteiner-Vorlesung mit dem Titel "Neue Potentiale der Transfusionsmedizin aus den Forschungen der regenerativen Medizin". Es wurden zwei Preise verliehen: Der Fritz-Schiff-Preis 2012 ging an Professor Dr. Tamam Bakchoul (Greifswald) für seine Arbeit "Etablierung eines Mausmodells zur in vivo Charakterisierung humaner anti-thrombozytärer Antikörper". Den Philip-Levine-Preis 2012 erhielt Herr Professor Dr. Tobias Legler (Göttingen) für seine herausragenden wissenschaftlichen Untersuchungen auf dem Gebiet der Immunhämatologie.

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Abb. 1 Der Fritz-Schiff-Preis 2012 ging an Professor Dr. Tamam Bakchoul (Greifswald) für seine Arbeit "Etablierung eines Mausmodells zur in vivo Charakterisierung humaner anti-thrombozytärer Antikörper". Die Preisüber-gabe erfolgte durch Professor Dr. Wolfgang Mempel (links), erster Fritz-Schiff Preisträger 1976 (Quelle: Thieme Verlag).
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Abb. 2 Professor Dr. Gregor Bein (links) bei der Verleihung des Philip-Levine-Preises 2012 an Professor Dr. Tobias Legler aus Göttingen (rechts) (Quelle: Thieme Verlag).

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Hauptprogramm

Die demografische Entwicklung war der rote Faden, der sich durch die ersten Veranstaltungen des Hauptprogrammes zog. Während in der ersten Sitzung der Fokus auf der Spendersicherheit und der Motivationsforschung von Blutspendern lag, hatte die folgende Sitzung das Management der verfügbaren Blutprodukte zum Thema. Wim de Kort aus Nijmegen (Niederlande) führte die Untersuchungen zu den Beweggründen der Spende und denen der Abwesenheit von der Spende an. So konnte er nachweisen, dass der Mehraufwand, einen neuen Dauerspender zu gewinnen extrem hoch sei gegenüber dem, den man betreiben müsse, um Dauerspender, die temporär nicht spenden dürfen, weiterhin zu behalten. Als derzeit einzige Gruppe, in denen man noch signifikant neue Blutspender gewinnen könne, stellte er Frauen zwischen 40 und 50 Jahren heraus, die nach der Geburt und Erziehung der Kinder "abgeholt" werden müssen. Er warb dafür, angesichts der demografischen Entwicklung, den gesellschaftlichen Stellenwert der Blutspende höher zu setzen, indem etwa für die Vollblutspende ein arbeitsfreier Tag veranschlagt werden könne, um diejenigen, die spenden können und dürfen zu unterstützen. Silke Boenigk aus Hamburg stellte anschaulich die Schwierigkeiten heraus, Migranten oder Spender mit Migrationshintergrund für die Blutspende zu gewinnen.

Dennoch sollten diese Anstrengungen nicht aufgegeben werden. Michael Müller-Steinhardt aus Mannheim ging auf die Gründe ein, derer wegen Personen von der Blutspende temporär oder dauerhaft zurückgestellt werden und wagte einen Ausblick, indem er den Istzustand an die demografische Entwicklung anpasste. Angesichts einer absehbaren Differenz zwischen Bedarf und verfügbaren Blutprodukten warb er nicht nur dafür, die Mobilisation von Blutspendern voranzutreiben, sondern auch die Gründe für eine Rückstellung kritisch zu hinterfragen.

In weiteren Plenarsitzungen wurden Gen- und Zelltherapie diskutiert. Besonders die Stellung von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) wurde im Kontext hämatopoetischer Zell- und Gentherapie mehrmals hervorgehoben. Regulatorische Aspekte der Zell- und Gewebetherapie bekamen erneut einen großen Raum.

In diesem Jahr besonders hervorzuheben waren die vielfältigen wissenschaftlichen Sessions der DGTI-Sektionen. So wurden Fortschritte gerade auch in der Ökonomisierung der pränatalen Blutgruppenbestimmung in Hinblick auf vermeidbare Rhesusprophylaxen präsentiert. Weiterhin aktuell war bei der diesjährigen Tagung die bakterielle Testung von Blutprodukten sowie der Nachweis einer CMV-Infektiosität mittels NAT-Testung. Der Fokus der Session über hämatopoetische und nicht-hämatopoetische Progenitorzellen lag auf der Qualität der gewonnenen Zellen: Wie können genetische / chromosomale Instabilität und bakterielle Kontamination sicher nachgewiesen werden?

In den Sitzungen zur klinischen Transfusion wurden praktische Aspekte die die Behandlung von Spendern betreffen, wie die HÄS-Belastung oder G-CSF-Gabe kritisch hinterfragt aber auch ebenso die Wirkungen und unerwünschten Wirkungen der gegebenen Präparate diskutiert: So wurde in einem Beitrag eine Serie von Granulozytentransfusionen in einer Patientenkohorte der gleichen hämatologischen Erkrankung präsentiert. In einem weiteren Beitrag wurde das Handling von Patienten mit starker Blutungsneigung bei extrakorporaler Photopherese dargestellt.

Der Kongress belegte deutlich die Notwendigkeit trotz der rasanten wissenschaftlichen Entwicklungen auf zelltherapeutischer Ebene die klassischen Bereiche der Spende, der Produktsicherheit, des Produktmanagements und der immunhämatologischen Diagnostik nicht zu vernachlässigen, um eine nachhaltige Entwicklung des Fachs Transfusionsmedizin zu erreichen.

Den knapp 1000 Kongressteilnehmern wurde ein umfangreiches, facetten- und kontrastreiches Programm präsentiert, das die Vielfalt des Faches Transfusionsmedizin eindrücklich belegte. Das Format des DGTI-Kongress war in diesem Jahr durch eine Reihe von Parallelveranstaltungen geprägt, die einen direkten Wissensaustausch zwischen den Arbeitsgruppen ermöglichten. Etwas kurz kamen dabei allerdings die Postersessions. Hier wünschte man sich unter den Teilnehmern für die Zukunft eine stärke Berücksichtigung im Programm. Insgesamt war der DGTI-Kongress 2012 in Graz eine Reise wert. Beim Abschied verabredete man sich bereits für "den DGTI" 2013 in Münster.

Dr. Meike Goebel, Dr. Torsten J Schulze, Mannheim
E-Mail:
Torsten.Schulze@medma.uni-heidelberg.de


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Abb. 1 Der Fritz-Schiff-Preis 2012 ging an Professor Dr. Tamam Bakchoul (Greifswald) für seine Arbeit "Etablierung eines Mausmodells zur in vivo Charakterisierung humaner anti-thrombozytärer Antikörper". Die Preisüber-gabe erfolgte durch Professor Dr. Wolfgang Mempel (links), erster Fritz-Schiff Preisträger 1976 (Quelle: Thieme Verlag).
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Abb. 2 Professor Dr. Gregor Bein (links) bei der Verleihung des Philip-Levine-Preises 2012 an Professor Dr. Tobias Legler aus Göttingen (rechts) (Quelle: Thieme Verlag).