Aktuelle Urol 2013; 44(02): 98-99
DOI: 10.1055/s-0033-1343918
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Foley-Katheter – Harnwegsinfektionen und Traumata sind gleich häufig

Contributor(s):
Johannes Weiß

J Urol 2012;
187: 1662-1666
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Publication History

Publication Date:
16 April 2013 (online)

 
 

Zwischen 16 und 25 % der stationären Patienten werden während des Krankenhausaufenthalts mit einem Foley-Katheter versorgt. Hauptrisiko ist die bakterielle Besiedelung des Katheters mit Folge eines Harnwegsinfekts. Traumatische Verletzungen finden vergleichsweise wenig Beachtung. Eine aktuelle USamerikanische Studie hat jedoch gezeigt, dass urogenitale Verletzungen durch Foley-Katheter genauso häufig sind wie Harnwegsinfektionen.
J Urol 2012; 187: 1662–1666

mit Kommentar

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US-amerikanische Wissenschaftler bestätigten in ihrer aktuellen Studie, dass Harnwegsinfekte infolge einer bakteriellen Besiedlung des Harnkatheters genauso häufig vorkommen wie Traumata. Sie fordern ein Umdenken beim Einsatz von Foley-Kathetern, um Infektionen und unnötige Traumata zu vermeiden. (© Thieme / Alexander Fischer)

Anne-Marie Leuck, University of Minnesota / USA, und Kollegen überwachten 16 Monate lang zwischen August 2008 und Dezember 2009 an ihrer Klinik sämtliche Patienten mit einem Foley-Katheter. Eine dafür ausgebildete Krankenschwester dokumentierte an 5 Tagen pro Woche Daten zu Bakteriurien und Traumata. Hierbei unterschieden die Autoren asymptomatische Bakteriurien und manifeste Harnwegsinfekte bis zur Kathetersepsis. Die traumatischen Komplikationen umfassten auch Schmerzen. Die Autoren analysierten die Daten und berechneten daraus die Anzahl der Ereignistage pro 100 Kathetertage.

70 % der behandelten Harnwegsinfekte symptomfrei

Während der 16-monatigen Studienphase erfassten die Autoren 6513 Kathetertage, von denen an 407 (6,2 %) Urinuntersuchungen stattfanden. An 116 von 407 identifizierten sie mögliche Harnwegsinfekte (1,8 % der Kathetertage). Nur 18,1 % der potenziellen Infektionen waren klinisch manifest (21 von 116), die übrigen 81,9 % (n = 95 Bakteriurien) waren symptomlos. Obwohl symptomatische Bakteriurien häufiger antibiotisch behandelt wurden als asymptomatische (81 %: 17 von 21 vs. 41 %: 39 von 95) waren 70 % der 56 antibiotisch behandelten Harnwegsinfektionen symptomfrei.

Darüber hinaus dokumentierten die Autoren in der Studienperiode 100 Fälle katheterassoziierter Traumata (1,5 % der Kathetertage). Davon zogen 32 % (n = 32) Interventionen nach sich wie z. B. eine verlängerte Liegezeit des Katheters oder eine Zystoskopie. Der Anteil an Traumata, die eine Intervention erforderten, war vergleichbar mit dem Anteil symptomatischer Harnwegsinfekte (0,5 % vs. 0,3 %).

Fazit

In der vorliegenden Studie waren Traumata und Harnwegsinfekte, die durch einen Foley-Katheter verursacht waren, in ihrer Häufigkeit vergleichbar. Dabei wurden allerdings wesentlich mehr asymptomatische Bakteriurien antibiotisch behandelt als symptomatische Harnwegsinfekte. Die Elimination unnötiger Katheter könnte solchen Infektionen, einer unnötigen Antibiotikagabe und Traumata vorbeugen, so die Autoren.

Kommentar

Transurethrale Katheter – Fluch und Segen

Seit der Erfindung des Ballonkatheters durch FEB Foley (1935) werden heute 16–25 % aller stationären Patienten und > 90 % aller Patienten auf Intensivstationen mit einem Blasenverweilkatheter versorgt. Der transurethrale Katheter (DK) wird 8–10mal häufiger als der suprapubische Blasenverweilkatheter (SBK) eingesetzt. Die potenziellen infektiologischen Nachteile der Harnblasendrainage durch Verweilkatheter sind gut untersucht. Demnach zählen Katheter-assoziierte Harnweginfektionen mit 30–40 % zu den häufigsten nosokomialen Infektionen. Umgekehrt sind bis zu 90 % aller nosokomialen Harnweginfektionen ursächlich mit einem Harnwegkatheter assoziiert [ 1 ].

Verletzungsrisiko nicht unterschätzen!

Die praxisrelevante Versorgungsstudie aus der Abteilung für Innere Medizin und Psychiatrie des VA Medical Center in Minneapolis ist eine der wenigen klinischen Studien, die das Traumatisierungspotenzial des DK durch Fehllage, Via falsa, sog. "Ridging" (= Katheterentfernung bei nur teilentblocktem Ballon) oder die akzidentelle Selbstentfernung des geblockten Katheters systematisch dokumentiert. Der Umstand, dass die Studie nicht in einer urologischen Spezialabteilung durchgeführt wurde, verleiht den erhobenen Daten einen repräsentativen Stellenwert.

Die individuelle und sozio-ökonomische Relevanz ergibt sich aus den resultierenden urologischen Konsiliaruntersuchungen und der Notwendigkeit von Blasenspülung, Endoskopie und verlängerter Katheterdrainage bzw. dem Wechsel auf eine suprapubische Ableitung. Die Rate der DK-induzierten Verletzungen liegt dabei mit 0,5 % überraschenderweise in der gleichen Größenordnung wie das weit besser untersuchte o. g. Risiko der Katheter-assoziierten nosokomialen Harnweginfektionen mit 0,3 % bezogen auf alle Kathetertage.

Dauerkatheter-induzierte Harnröhrenverletzungen nach wie vor problematisch

Debrowolski untersuchte 255 Harnröhrenverletzungen, von denen 172 Katheterinduziert waren, während Kashefi eine Rate von 3,2 Harnröhrenverletzungen bei 1000 katheterisierten Männern ermittelt hat [ 2 ], [ 3 ]. Auch aus Deutschland (Hofstetter 1980, Schreiter 2006) gibt es Hinweise auf ein nicht zu unterschätzendes Verletzungsrisiko mit Spätfolgen [ 4 ], wonach 25 % aller Harnröhrenstrikturen beim Mann durch einen DK bzw. den transurethralen Katheterismus verursacht werden. Trotz vielfältiger Fortschritte bei der Entwicklung von Kathetertypen, -materialien und -beschichtungen und trotz zahlreicher Leitlinien für den Umgang mit Harnwegkathetern [ 5 ] stellen DK-induzierte Harnröhrenverletzungen weiterhin ein bedeutsames Problem v. a. für die betroffenen Patienten dar. Es ist ein wesentlicher Verdienst der vorliegenden Studie, die spärliche Daten- und Studienlage zu bereichern und das Problembewusstsein zu schärfen.

Die Indikationen zur DK-Anlage sind bei Operationen am unteren Harntrakt und äußeren Genitale in der Regel klar definiert und unumstritten. Gleiches gilt für den Einsatz in der Intensiv- und Notfallmedizin, wobei grundsätzlich für die Langzeitdrainage der suprapubische Katheter bevorzugt werden sollte [ 6 ]. Kritisch hinterfragt werden muss hingegen der DK-Einsatz zur sog. "Inkontinenztherapie" und Pflegeerleichterung in der konservativen Medizin, wenn Alternativen wie der intermittierende Katheterismus oder aufsaugende Medien aus Praktikabilitäts- oder Kostengründen nicht ausreichend genutzt werden.

Leitlinien umgesetzt?

Übergeordnete Kontrollmechanismen für die leitliniengerechte Umsetzung und Einhaltung von Behandlungspfaden beim DK-Einsatz fehlen und sollten auch nicht dazu führen, dass noch mehr Arbeitskraft der "weißen Berufe" weg vom Patienten und hin zu redundanter Dokumentation und Bürokratisierung verlagert wird. Erst Recht kann kein Interesse an der Einführung US-amerikanischer Verfahrensmuster bestehen, wonach Medicare seit 2008 die Behandlungskosten für nosokomiale Katheter-assoziierte Harnweginfektionen (demnächst auch Harnröhrenverletzungen?) nicht mehr erstattet und damit eine sehr einseitige und wenig differenzierte Zuweisung von Verantwortlichkeit (Schuld?) vornimmt.

Weniger bzw. kürzer ist mehr!

Allerdings liegt die Kontrolle des infektiologischen und traumatischen Gefahrenpotenzials transurethraler Blasenverweilkatheter in erster Linie beim Arzt, da nur er die Indikation zur DK-Einlage stellt. Die Katheterisierung selbst erfordert regelmäßige Schulung und eine einwandfreie aseptische Technik und kann unter diesen Voraussetzungen auch von anderen Personen durchgeführt werden. Das vorrangige Ziel ist stets eine Beschränkung des Einsatzes transurethraler Blasenverweilkatheter auf das erforderliche Minimum und die Katheterentfernung zum frühestmöglichen Zeitpunkt.

Prof. Dr. Hansjürgen Piechota, Minden


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Prof. Dr. Hansjürgen Piechota


ist Chefarzt der Urologischen Klinik am Klinikum Minden

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  • Literatur

  • 1 Piechota H et al. Chemotherapie Journal 2011; 20: 186
  • 2 Kashefi C et al. J Urol 2008; 179: 2254
  • 3 Dobrowolski ZF et al. BJU Int 2002; 89: 752
  • 4 Piechota H, Pannek J. Hyg Med 2007; 32: 338
  • 5 Conway LJ, Larson EL. Heart Lung 2012; 41: 271
  • 6 Leitlinie zur Hygiene in Klinik und Praxis: Die Harndrainage. AWMF-Leitlinienregister Nr. 029/007. Hyg Med 2008; 33: 256

  • Literatur

  • 1 Piechota H et al. Chemotherapie Journal 2011; 20: 186
  • 2 Kashefi C et al. J Urol 2008; 179: 2254
  • 3 Dobrowolski ZF et al. BJU Int 2002; 89: 752
  • 4 Piechota H, Pannek J. Hyg Med 2007; 32: 338
  • 5 Conway LJ, Larson EL. Heart Lung 2012; 41: 271
  • 6 Leitlinie zur Hygiene in Klinik und Praxis: Die Harndrainage. AWMF-Leitlinienregister Nr. 029/007. Hyg Med 2008; 33: 256

 
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US-amerikanische Wissenschaftler bestätigten in ihrer aktuellen Studie, dass Harnwegsinfekte infolge einer bakteriellen Besiedlung des Harnkatheters genauso häufig vorkommen wie Traumata. Sie fordern ein Umdenken beim Einsatz von Foley-Kathetern, um Infektionen und unnötige Traumata zu vermeiden. (© Thieme / Alexander Fischer)