Aktuelle Urol 2013; 44(02): 102-103
DOI: 10.1055/s-0033-1343921
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

LESS-Chirurgie – Komplikationsrate ähnelt der von Laparoskopien

Contributor(s):
Anna Haugg

J Urol 2012;
187: 1989-1994
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Publication History

Publication Date:
16 April 2013 (online)

 
 

Eine aktuelle retrospektive US-amerikanische Studie hat nun die Inzidenz von Komplikationen bei urologischen laparoendoskopischen Single-Site Operationen (LESS) identifiziert, sowie Faktoren, die das Komplikationsrisiko erhöhen. Das Resultat: Die Komplikationsrate von LESS-Eingriffen ist gering, ähnlich der von Standard-Laparoskopien. Mit der Identifikation von Risikofaktoren hoffen die Autoren, die Auswahl der für das Verfahren geeigneten Patienten zu vereinfachen.
J Urol 2012; 187: 1989–1994

mit Kommentar

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Laut der aktuellen USamerikanischen Studie lassen sich urologische laparoendoskopische Single-Site-Operationen mit ähnlich niedrigen Komplikationsraten durchführen wie Standard-Laparoskopien. Voraussetzung: Die Operateure müssen Erfahrung auf dem Gebiet der LESS-Chirurgie besitzen. (Abbildung aus Dejewski C et al. Geburtsh Frauenheilk 2010; 70: 123–126)

Riccardo Autorino, Cleveland Clinic, Ohio / USA, et al. analysierten die Daten von insgesamt 1163 Patienten aus 21 verschiedenen Kliniken weltweit, die zwischen August 2007 und Dezember 2010 mittels LESS operiert worden waren. Die Patienten waren durchschnittlich 51,5 (± 16,6) Jahre alt und wiesen im Mittel einen Body-Mass-Index (BMI) von 25,4 kg / m2 (± 6,6 kg / m2) auf. Bei 83,4 % der Eingriffe handelte es sich um Resektionen (v. a. Nephrektomien, Entfernung von Nierenzysten). Meist erfolgte der Zugang transperitoneal, bevorzugt über den Bauchnabel. In 12,3 % der Fälle kam ein Da-Vinci-Roboter zum Einsatz. Postoperative Komplikationen erfassten die Wissenschaftler mit einem standardisiertem Score von Clavien / Dindo innerhalb von 90 Tagen nach dem Eingriff. In die statistische Auswertung gingen neben Geschlecht, Alter des Patienten und BMI auch bereits früher erfolgte Operationen des Abdomens oder Beckens mit ein, sowie eine Einschätzung des Allgemeinzustands gemäß dem Score der American Society of Anesthesiologists (ASA) sowie des Schwierigkeitsgrads der Operation nach dem Standard Operating Procedure Score (SOP). Die Autoren dokumentierten zudem

  • Komorbiditäten,

  • die Indikation für den Eingriff,

  • die Dauer der Operation,

  • den geschätzten intraoperative Blutverlust und

  • Komplikationen während des Eingriffs.

Darüber hinaus untersuchten die Autoren, wie häufig und wann es bei den Eingriffen notwendig wurde, die Verfahrensweise zu ändern – also schließlich doch zu einer Standard-Laparoskopie mit mehreren Trokaren oder gar zur offenen Operation überzugehen.

Höhergradige Komplikationen bei 2,4 % der Patienten

In 3,3 % der Fälle kam es während des chirurgischen Eingriffs zu Komplikationen. Postoperativ wurden insgesamt 120 Komplikationen bei 109 der Patienten (9,4 %) dokumentiert. Diese waren jedoch meist nur gering ausgeprägt (Grad 1 und 2). Zu höhergradigen Komplikationen (Grad 3 und 4) kam es bei 2,4 % der Patienten (28 von 1163). Multiorganversagen (Grad 4b) oder Todesfälle (Grad 5) kamen im Studienkollektiv nicht vor. Die am häufigsten aufgetretenen Komplikationen waren Infektionen (1,9 %) und Blutungen (1,9 %).

Bei 19,6 % aller Eingriffe war es notwendig, des Verfahren auszudehnen: In 14,6 % der Fälle gingen die Operateure zur konventionellen Laparoskopie über, bei 4 % kam ein Roboter zum Einsatz und 1,1 % wurden via Bauchschnitt operiert. Nötig war dies v. a. bei onkologischen Indikationen. Signifikant häufiger zu höhergradigen Komplikationen kam es bei rekonstruktiven Eingriffen, bei Patienten mit einem SOP von ≥ 3, und einer Operationsdauer ≥ 3 Stunden.

Fazit

Urologische LESS-Chirurgie lässt sich – zumindest von Operateuren, die in dem Verfahren geübt sind – mit ähnlich niedrigen Komplikationsraten durchführen wie Standard-Laparoskopien. Die vorliegende Analyse sei hilfreich, künftig den Outcome verschiedener Kliniken besser vergleichen zu können, so die Autoren. Außerdem sollen die Resultate dazu dienen, modifizierbare Risikofaktoren vorab zu identifizieren und dadurch zielgerichtet die geeigneten Patienten für urologische Eingriffe mittels LESS auszuwählen.

Kommentar

Single-Site-Chirurgie in der Urologie – eine sichere Alternative?

Die laparoendoskopische Single-Site-Chirurgie (LESS) stellt eine Erweiterung der bisherigen minmal-invasiven Techniken dar. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass für die Operation lediglich ein einziger kleiner Zugang benötigt wird. Ziel ist eine weitere Reduktion der Morbidität und zugleich eine optimierte Kosmetik bis hin zur narbenlosen Chirurgie.

Multizentrische Analyse der Risikofaktoren

In der vorliegenden Arbeit von Autorino et al. handelt es sich um eine multizentrische Analyse der Risikofaktoren für eine Konversion und auch für Komplikationen im Allgemeinen. Sie ist eine der größten bis dato dokumentierten Serien, sie beinhaltet 1163 Patienten und ist daher als aussagekräftig zu werten. Darüber hinaus liegt in der Vielzahl der teilnehmenden Zentren und der Verschiedenheit der eingesetzten Systeme ein weiterer positiver Aspekt.

Komplikationsrate liegt sehr niedrig bei 3,3 %

Insgesamt fällt eine sehr niedrige intraoperative Komplikationsrate von lediglich 3,3 % auf. Dies zeigt, dass LESS hauptsächlich von bereits erfahrenen Operateuren eingesetzt wurde. Dieser Aspekt muss in jedem Fall hervorgehoben werden: LESS sollte nach erfolgter Lernkurve in der Laparoskopie stehen. Außerdem sollte eine sehr sorgfältige Patientenselektion (niedriger BMI, keine Voroperationen, kleine Niere etc.) erfolgen, um sicher und erfolgreich zu operieren. Ein weiterer Ratschlag ergibt sich aus der Konversionsrate zur Minilaparoskopie und zur Standardlaparoskopie. Diese lagen bei nahezu 20 % respektive 15 %. Dies zeigt, dass die Sicherheit und onkologische Effizienz über der bloßen Kosmetik steht, also der LESS-Eingriff nicht erzwungen wird, wenn technische Schwierigkeiten auftreten. V. a. Neueinsteiger sollten eine frühe "Konversion" zur Minilaparoskopie in Erwägung ziehen, um die Gefahr eines schlechten Ergebnisses zu minimieren.

LESS: sichere Modifikation der Standardlaparoskopie

Die Autoren konnten einige Risikofaktoren für derartige Ereignisse identifizieren: u. a. besteht ein erhöhtes Risiko bei primär onkologischen Eingriffen, bei verlängerter OP-Zeit, bei Beckeneingriffen und bei Roboter-assistierten Operationen. Daraus ergeben sich Folgen was die Patientenselektion betrifft. In unserer persönlichen Erfahrung fielen ebenso pelvine Operationen und größere Nierentumoren als technisch besonders anspruchsvoll auf. Primäre LESS-Eingriffe an kleineren Nieren sind sicherlich eine empfehlenswerte Indikation, um den Einstieg zu finden. Die postoperative Komplikationsrate wurde mit fast 10 % errechnet, wobei schwere Komplikationen nur bei 2,3 % der Patienten eintraten. Auch hier zeigt sich, dass LESS eine sichere Modifikation der Standardlaparoskopie darstellt, wenn sie von erfahrenen Operateuren durchgeführt wird.

Intrakorporale Naht: eine Limitation des LESS-Eingriffs

Es ist nicht verwunderlich, dass schwere Komplikationen v. a. bei Indikationen mit hohem Schwierigkeitsgrad eintraten. Andererseits ist es bedenklich, dass auch rekonstruktive Eingriffe – eigentlich ideal für LESS – signifikant mit schweren Komplikationen assoziiert sind. Dieser Aspekt zeigt, dass v. a. die intrakorporale Naht eine Limitation der LESS darstellt. Besonders die Pyeloplastik ist für LESS geeignet, da es sich meist um junge Patienten mit hohem kosmetischem Anspruch handelt. Hier ist der Einsatz zunächst verlockend und zugleich risikoreich. Wir beobachten eine leichte Gegenbewegung, wobei die Pyeloplastik primär mit einem zusätzlichen 3 mm-Instrument durchgeführt wird, um ein optimales funktionelles Ergebnis zu erzielen. Auch so wird ein de facto narbenloser postoperativer Zustand erreicht. Weiterhin wurde auch gezeigt, dass extreme OP-Zeiten das Risiko stark erhöhen. Auch hier gilt: frühes Einsetzten eines 3 mm-Instruments schützt vor schweren Komplikationen.

Fazit

Die Studie von Autorino et al. ist eine hilfreiche Basis in der Beratung von Patienten und in der Fallselektion, die bis dato mehr oder weniger subjektiv erfolgte. Wir sehen LESS hauptsächlich als eine Ergänzung der konventionellen Laparoskopie und als Wegbereiter für die miniaturisierte Laparoskopie, die bis jetzt – aufgrund der wenigen verfügbaren Hilfsinstrumente (Clipzangen etc.) – nur sehr eingeschränkt einsetzbar ist. Keinesfalls ist LESS in Konkurrenz zur Laparoskopie oder Robotik zu betrachten, hinsichtlich der Belastung des Organismus ist kaum ein Unterschied festzustellen. LESS ist ideal für Patienten mit hohen Ansprüchen an die Kosmetik, gleichzeitig darf aber nie die Sicherheit kompromittiert werden.

Prof. Dr. Christian Schwentner, Tübingen


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Prof. Dr. Christian Schwentner


ist leitender Oberarzt an der Universitätsklinik für Urologie Tübingen

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Laut der aktuellen USamerikanischen Studie lassen sich urologische laparoendoskopische Single-Site-Operationen mit ähnlich niedrigen Komplikationsraten durchführen wie Standard-Laparoskopien. Voraussetzung: Die Operateure müssen Erfahrung auf dem Gebiet der LESS-Chirurgie besitzen. (Abbildung aus Dejewski C et al. Geburtsh Frauenheilk 2010; 70: 123–126)