Einleitung
Die Koinzidenz von Psoriasis vulgaris und atopischer Dermatitis ist insgesamt bei
grundsätzlich entgegengesetzten zugrundeliegenden zellulären Immunmechanismen selten
[1]. Die Zahlenangaben schwanken in der Literatur von 1,7 bis 16,7 %. Insgesamt scheint
häufiger die Psoriasis vulgaris auf eine vorbestehende atopische Dermatitis zu folgen
als umgekehrt [1]
[2]
[3].
Ustekinumab ist ein IgG1-Antikörper gegen die p40-Untereinheit von IL-12 und IL-23
und hemmt dadurch die an der Pathogenese der Psoriasis zentral beteiligten TH1- und
TH17-Immunantworten. Dies könnte zu einer Verschiebung in Richtung TH2-Immunphänotyp
führen, wie er bei der akuten atopischen Dermatitis dominiert.
Kasuistik
Anamnese
Wir berichten über eine 51-jährige Patientin mit generalisierten, stark pruriginösen,
ekzematösen Läsionen nach fünf-monatiger Ustekinumab-Therapie bei Psoriasis vulgaris.
Im Vorfeld seien bereits verschiedene andere Behandlungsmaßnahmen der Psoriasis zum
Einsatz gekommen (Fumarsäureester, Ciclosporin A und Lichttherapie). Laut Angaben
der Patientin sei es jeweils ca. 2 – 3 Wochen nach subkutaner Applikation von Ustekinumab
zur Ausbildung zunächst lokalisierter Ekzeme in den Beugen gekommen; nach der 3. Injektion
hätten sich generalisiert juckende Hautveränderungen entwickelt.
Klinischer Befund
Klinisch zeigte sich ca. drei Wochen nach letztmaliger Anwendung von Ustekinimab das
Vollbild einer atopischen Dermatitis mit deutlicher Xerosis cutis, beugenbetonten
Lichenifikationen und Exkoriationen ([Abb. 1]) bei fehlenden psoriasiformen Hautveränderungen. Allerdings bestanden Tüpfelnägel,
Ölflecken und distale Onycholysen sämtlicher Finger- und Zehennägel, wie sie für die
Psoriasis typisch sind ([Abb. 2]). Asthma bronchiale oder allergische Rhinokonjunktivitis wurden anamnestisch verneint.
Auch hätten zuvor niemals ekzematöse Hautveränderungen bestanden. Die Familienanamnese
war positiv für die Psoriasis (Mutter betroffen) und negativ für atopische Erkrankungen.
Der Erlanger-Atopie-Score betrug 19 Punkte. Im dermatologischen Lebensqualitätsindex
ergab sich mit 27 Punkten eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität; subjektiv
deutlich mehr als unter der Psoriasis vulgaris zuvor.
Abb. 1 Exkoriierte Ekzemherde in den Beugen.
Abb. 2 Lichenifikation der Handgelenke bei psoriasiformen Nagelveränderungen.
Labor
Laborchemisch zeigten sich bis auf eine Bluteosinophilie von 24,4 % keine wesentlichen
Auffälligkeiten. Das Gesamt-IgE lag bei 2151 kU/l, in der spezifischen IgE-Bestimmung
(RAST) ergaben sich Typ-I-Sensibilisierungen gegen Lieschgras-, Roggen-, Birken- und
Beifußpollen, sowie gegen D. pteronyssinus, Katzen- und Hundeschuppen. In einem mikrobiologischen
Abstrich aus dem Nasenvorhof konnte Staphylococcus aureus nachgewiesen werden.
Histologie
Histologisch zeigte sich eine oberflächliche, perivaskuläre, spongiotische Dermatitis
mit Eosiniophilie, welche unter Berücksichtigung der Klinik mit einer atopischen Dermatitis
vereinbar war.
Therapie und Verlauf
Unter Lokaltherapie mit potenten Kortikosteroiden, rückfettender Hautpflege und lokal
desinfizierenden Maßnahmen (Betamethason-Oxychinolin-Creme, Mometason-Salbe und Prednicarbat-Salbe)
ließ sich eine rasche Befundbesserung erzielen. Begleitend erfolgte, auch in Hinblick
auf die vorbestehende Psoriasis vulgaris, die Einleitung einer UVB-311 nm-Lichttherapie.
Der zu Beginn stark ausgeprägte Juckreiz sprach gut auf orale Antihistaminika an.
Diskussion
Bei insgesamt seltener Koinzidenz von atopischer Dermatitis und Psoriasis vulgaris
ist trotz überwiegend entgegengesetzter Immunpathomechanismen ein spontanes Zusammentreffen
beider Erkrankungen nicht ausgeschlossen [1]
[2]
[3]. Es existieren auch Fälle mit zeitgleichem Auftreten von Läsionen einer Psoriasis
vulgaris und atopischen Dermatitis, wobei histologisch und immunologisch die typischen
Charakteristika beider Erkrankungen gesichert werden konnten [4]. Eine entscheidende Rolle scheint in dem von uns berichteten Fall jedoch der Einsatz
des immunmodulatorischen Medikaments Ustekinumab gespielt zu haben. Dieses hemmt durch
Bindung an die p40-Untereinheit von IL-12 und IL-23 die Aktivierung von TH1- und TH17-Zellen
und unterbindet damit die in der Pathogenese der Psoriasis wichtigen Signaltransduktionswege,
welche insbesondere über IL-17, IL-22, Interferon α sowie Interferon γ unterhalten
werden. In dessen Folge könnte es durch eine konsekutiv gesteigerte TH2-Immunantwort
mit vermehrter Produktion von IL-4, IL-5 und IL-13 bei einer bis dahin unbekannten
und klinisch stummen atopischen Diathese zur Auslösung einer manifesten atopischen
Dermatitis gekommen sein, bei der dieses Zytokinmuster führend ist [5]. Die Hemmung von IL-12 führt zusätzlich zu einer Hemmung der Produktion von Tumor-Nekrose-Faktor
α und Interferon γ, was einen partiellen TNF α-Inhibitionseffekt von Ustekinumab bewirkt.
Es existieren Berichte, wonach Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) α-Antagonisten, die zur
Therapie der Psoriasis vulgaris und auch der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wurden,
in der Lage waren, neben multiplen anderen kutanen Veränderungen sowohl atopieartige
Ekzeme als auch Psoriasisläsionen auszulösen [6]. Über ähnliche Effekte bei zusätzlicher Hemmung der TH1- und TH17-Zellen durch den
IL-12- und IL-13-Transduktionsweg ist jedoch bisher wenig bekannt. Erst kürzlich berichteten
Pernet et al. über eine beinahe identische Kasuistik bei einer 82-jährigen Patientin,
welche nach Anwendung von Ustekinumab erstmals eine atopische Dermatitis entwickelt
hatte [7]. Bei dieser Patientin war ebenfalls zuvor keine atopische Diathese bekannt. Sie
entwickelte keine ekzematösen Reaktionen auf in der Vergangenheit angewandte TNF α-Antagonisten
wie Adalimumab und Etanercept, was, auch in Hinblick auf unsere Patientin, auf einen
spezifischen Effekt von Ustekinumab schließen lässt.