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DOI: 10.1055/s-0033-1344364
Erfolgreiche Behandlung einer erworbenen reaktiv perforierenden Dermatose mit Allopurinol
Successful Treatment of Acquired Reactive Perforating Collagenosis with AllopurinolZusammenfassung
Wir berichten über eine 78-jährige Patientin mit einer ausgeprägten Riesenvariante einer erworbenen reaktiv perforierenden Dermatose (ERPD). Hierbei handelt es sich um eine seltene Dermatose unklarer Genese, die insbesondere mit Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus assoziiert ist, aber auch sekundär nach anderen Hauterkrankungen auftreten kann. Unter Therapie mit 100 mg Allopurinol/d, optimierter Blutzuckereinstellung und Lokaltherapie mit potenten Kortikosteroiden kam es zu einer raschen Rückbildung der Läsionen. Es wurde mehrfach über einen günstigen Effekt von Allopurinol bei dieser Erkrankung berichtet, wobei der Wirkmechanismus möglicherweise in einer Hemmung der Vernetzung von Kollagen besteht.
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Abstract
We report on a giant form of an acquired reactive perforating collagenosis in a 78-year old women. The pathogenesis of this rare skin disease is still unknown. Commonly, association with diabetes mellitus and renal failure is observed. Furthermore, scratching or isotopic occurrence in lesions of other skin diseases are discussed as possible trigger factors. We started treatment with Allopurinol 100 mg/d, optimized diabetes therapy and used potent topical corticosteroids for local therapy. By this we saw a quick and significant regression of the leasions. Several reports described a favourable effect of Allopurinol in this disease, possibly induced by an inhibition of collagen cross-linking.
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Einleitung
Zu den primär perforierenden Dermatosen gehören die perforierende Follikulitis, die Elastosis perforans serpiginosa, die Hyperkeratosis follicularis et perifollicularis in cutem penetrans (M. Kyrle) und die reaktiv perforierende Dermatose bzw. Kollagenose, von der eine hereditäre und eine erworbene Form (ERPD) existiert. Allen gemeinsam ist die transepidermale Elimination veränderter dermaler Substanzen, im Falle der ERPD von Kollagen. Bei dieser besteht eine enge Assoziation mit chronischer Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus. Als Auslöser werden auch Kratzartefakte sowie isotope Auslösungen durch andere Hauterkrankungen diskutiert, wobei die genaue Pathogenese noch ungeklärt ist.
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Kasuistik
Ananmnese
Wir berichten über eine 78-jährige Patientin mit einer ausgeprägten Riesenvariante einer ERPD. Ab August 2011 kam es am gesamten Stamm mit Betonung des Rückens und Gesäßes zu stark juckenden, teils erythematösen und exkoriierten Papeln. Unter Lokaltherapie mit externen Steroiden stagnierten die Beschwerden, heilten jedoch nicht ab. Von September bis Oktober 2012 wurde eine Creme-PUVA-Therapie durchgeführt, die keine Besserung erbrachte. Ab Ende Oktober 2012 kam es zu einer erneuten massiven Befundprogredienz. Anamnestisch war ein insulinabhängiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Niereninsuffizienz und ein Z. n. Harnblasen-Karzinom 1995 mit Anlage einer Neoblase bekannt.
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Klinischer Befund
In der klinischen Untersuchung fanden sich zahlreiche scharf begrenzte flache Ulzerationen bis 4 × 4 cm Durchmesser am gesamten Rücken, Gesäß, an den Oberschenkeln und den Oberarmen beidseits ([Abb. 1]). Diese zeigten einen entzündlichen, leicht erhabenen Randwall und waren mit einem flächigen Pfropf aus festhaftenden, glatten, grünlich-bräunlichen Krusten ausgefüllt. An den Armen bestand eine teilweise köbnerartige Anordnung innerhalb von Kratzspuren; der Rücken blieb an unerreichbaren Arealen frei. Der Juckreiz wurde mit 7 – 8/10 in der visuellen Analogskala angegeben.


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Labor
Laborchemisch zeigten sich erhöhte Harnsäurewerte von 484 µmol/l (Norm 137 – 363 µmol/l), ein HbA1c von 7,8 % (Norm bis 6,2 %) und ein Kreatinin von 82 μmol/l /(Norm 44 – 80 μmol/l) bei einer GFR von 59 ml/min/1,73 (Norm > 60 ml/min/1,73).
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Histologie
Histologisch zeigte sich der Befund einer ulzerierenden Dermatitis mit basophil degeneriertem Kollagen und umgebender suppurativ-granulomatöser Entzündungsreaktion, der mit einer erworbenen reaktiv perforierenden Dermatose vereinbar war.
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Therapie und Verlauf
Wir begannen eine Therapie mit 100 mg Allopurinol/d und optimierten die Blutzuckereinstellung. Extern applizierten wir auf nicht nekrotische Herde Clobetasol-Salbe 0,05 % und auf Herde mit Nekrosen Betamethasonvalerat-Oxychinolin-Creme jeweils 2 × täglich. Aufgrund des Juckreizes applizierten wir mehrfach täglich Polidocanol 3 %-Harnstoff 5 % in DAC-Basiscreme. Hierunter kam es nach 2 Wochen zu einem Sistieren und binnen 6 Wochen ([Abb. 2]) zu einer deutlichen Rückbildung der Beläge unter Hinterlassung teils narbiger, hypopigmentierter Areale. Bei der Wiedervorstellung nach fünf Monaten präsentierte sich die Patientin mit narbig abgeheilten Plaques am Stamm ([Abb. 3]).




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Diskussion
Bei unserer Patientin konnte anhand des klinischen und histologischen Bildes im Zusammenhang mit nachgewiesenen Stoffwechselstörungen die Diagnose einer erworbenen reaktiv perforierenden Dermatose (ERPD) gestellt werden. Die von Faver 1994 [1] für diese Erkrankung vorgeschlagenen drei diagnostischen Kriterien waren erfüllt: Histologisch basophil verändertes Kollagen in einer napfartigen epidermalen Einsenkung, klinisch nabelförmige Papeln oder Knoten mit zentralem festhaftenden Pfropf und ein Auftreten im Alter > 18 Jahren [1]. Weniger papulöse, flächige Riesenformen wie bei unserer Patientin sind jedoch nur vereinzelt beschrieben [2]
Die Erkrankung wurde als reaktive perforierende Kollagenose erstmals 1967 von Mehregan beschrieben [3]. Es existiert eine hereditäre Form vor dem Auftreten des 18. Lebensjahres und eine erworbene Form im späten Erwachsenenalter. Meist besteht eine gleichzeitige Niereninsuffizienz oder ein Diabetes mellitus. Weiterhin scheint durch Juckreiz und Kratzen ein superfizielles Bagatelltrauma der Haut eine Rolle zu spielen [4], erkennbar an der Neigung zu einem Köbnereffekt, der auch experimentell ausgelöst werden konnte [5]. Darauf weisen auch Berichte eines isotopischen Auftretens einer ERPD innerhalb von Läsionen anderer hautschädigender Erkrankungen hin, insbesondere nach einem Herpes zoster [6]. Die Pathogenese der Erkrankung ist nach wie vor ungeklärt. In jedem Falle kommt es zur Degeneration von Kollagenfasern, die nach Perforation der Epidermis in vertikalen Bündeln an die Hautoberfläche ausgeschleust werden. Dies geschieht möglicherweise durch einen Regenerationsprozess der Epidermis zwischen nekrotischen Massen und retikulärer Dermis, durch den die Kollagenfasern nach oben gezogen werden [7]. Der zentrale Pfropf besteht aus Debris, Keratin und Resten von Kollagenfasern, wobei Kollagen IV und VII als Bestandteile der Basalmembran nachgewiesen werden konnten [8]. Eine kausale Therapie ist nicht bekannt, doch existieren mehrere Berichte über eine deutliche Besserung durch Gabe von Allopurinol [9] [10]. Erstmals wurde darüber von Krüger et al. berichtet [9], die hinsichtlich des Wirkmechanismus des Allopurinols die Hemmung der Xanthinoxidase und daran geknüpft über einen antioxidativen Effekt eine Hemmung der Vernetzung von Kollagen diskutierten, die vor allem im Rahmen einer diabetischen Stoffwechsellage vermehrt sei. Hoque et al. [2] beschrieben jedoch einen Fall einer ERPD ohne Vorliegen eines Diabetes mellitus, der im Übrigen ebenfalls auf Allopurinol ansprach. Über den Nutzen einer Fototherapie liegen widersprüchliche Berichte vor [1] [6] [12]. In unserem Falle war eine der Diagnosestellung vorausgehende Fototherapie ohne Erfolg. Daneben stehen topische und symptomatische Behandlungsmaßnahmen wie Kortikosteroide, Tretinoin, Capsaicin oder Polidocanol zur Verfügung.
Zusammenfassend handelt es sich bei der erworbenen reaktiv perforierenden Dermatose um eine vergleichsweise seltene, aber wahrscheinlich unterdiagnostizierte Hauterkrankung im Zusammenhang mit Stoffwechselstörungen, vor allem bei Diabetes mellitus. Entscheidend ist die optimierte Behandlung der Grunderkrankung unter Vermeidung des Auftretens von Juckreiz, wobei Allopurinol offenbar unabhängig vom Auslösemechanismus einen günstigen Effekt zeigt.
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Interessenkonflikt
Prof. S. Beissert hat Vortragshonorare von Janssen-Cilag erhalten.
Die anderen Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Faver IR, Daoud MS. Acquired reactive perforating collagenosis. Report of six cases and review of the literature. J Am Acad Dermatol 1994; 31: 916-919
- 2 Hoque SR, Amee M, Holden CA. Acquired reactive perforating collagenosis: four patients with a giant variant treated with allopurinol. Br J Dermatol 2006; 154: 759-762
- 3 Mehregan AH, Schwartz OD, Livingood CS. Reactive perforating collagenosis. Arch Dermatol 1967; 96: 277-282
- 4 Theile-Oche S, Schneider LA, Reinhold K et al. Acquired perforating collagenosis: is it due to damage by scratching?. Br J Dermatol 2001; 145: 173-174
- 5 Yuzuk S, Trau H, Stempler D et al. Reactive perforating collagenosis. Int J Dermatol 1985; 24: 584-586
- 6 Scola N, Gambichler T, Altmeyer P et al. Erworbene reaktive perforierende Kollagenose nach Herpes Zoster als isotopische Antwort?. Hautarzt 2011; 62: 683-687
- 7 Yanagihara M, Fujita T, Shirasaki A et al. The pathogenesis of the transepithelial elimination of the collagen bundles in acquired reactive perforating collagenosis. A light and electron microscopical study. J Cutan Pathol 1996; 23: 398-403
- 8 Herzinger T, Schirren CG, Sander CA et al. Reactive perforating collagenosis – transepidermal elimination of type IV collagen. Clin Exp Dermatol 1996; 21: 279-282
- 9 Krüger K, Tebbe B, Krengel S et al. Erworbene reaktiv perforierende Dermatose. Hautarzt 1999; 50: 115-120
- 10 Querings K, Balda BR, Bachter D. Treatment of acquired reactive perforating collagenosis with allopurinol. Br J Dermatol 2001; 145: 174-176
- 11 Kreuter A, Gambichler T. Acquired reactive perforating collagenosis. CMAJ 2010; 182: E184
- 12 Gambichler T, Altmeyer P, Kreuter A. Treatment of acquired perforating dermatosis with narrowband ultraviolett B. J Am Acad Dermatol 2005; 52: 363-364
Korrsespondenzadresse
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Literatur
- 1 Faver IR, Daoud MS. Acquired reactive perforating collagenosis. Report of six cases and review of the literature. J Am Acad Dermatol 1994; 31: 916-919
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- 12 Gambichler T, Altmeyer P, Kreuter A. Treatment of acquired perforating dermatosis with narrowband ultraviolett B. J Am Acad Dermatol 2005; 52: 363-364





