Aktuelle Dermatologie 2014; 40(01/02): 17-19
DOI: 10.1055/s-0033-1344378
Eine Klinik im Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dermatologie am Universitätsklinikum Genf – aktuelle Situation und Perspektiven

Dermatology in the University Hospital Genf – Current Situation and Perspectives
W.-H. Boehncke
Chefarzt der Abteilung für Dermatologie und Venerologie, Universitätsklinikum Genf, Schweiz
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Wolf-Henning Boehncke
Chefarzt der Abteilung für Dermatologie und Venerologie
Universitätsklinikum Genf
4 Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4
1211 Genève 14
Schweiz   

Publication History

Publication Date:
15 August 2013 (online)

 

Aktuelle Situation

Das Genfer Universitätsklinikum ist das größte Krankenhaus der Schweiz und größter Arbeitgeber des Kantons Genf ([Abb. 1]). Es ist zugleich das Kantonsspital und neben dem Klinikum der Universität Lausanne Hauptträger der medizinischen Versorgung in der französisch-sprachigen Schweiz. Darüber hinaus konsultieren Patienten aus den grenznahen französischen Departements insbesondere die Ärzte der „kleinen Fächer“.


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Mit „Tarmed“ und den „Swiss-DRGs“ existieren Systeme zur Erfassung und Abrechnung ambulanter und stationärer Leistungen, die der GOÄ und den DRGs in Deutschland vergleichbar sind. Jedoch subventioniert der Kanton Genf speziell den stationären Bereich stark (derzeit Übernahme von ca. 40 % der Kosten).

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Abb. 1 Eingangsbereich des Hauptgebäudes des Genfer Universitätsklinikums.

Innerhalb des Genfer Universitätsklinikums ist die Dermatologie Teil der Abteilung der internistischen Fachdisziplinen und als solche eigentlich eine „Sektion“, wie z. B. die Kardiologie, Rheumatologie etc. Die Struktur jeder Sektion wird dadurch verkompliziert, dass die stationären Bereiche sämtlicher Sektionen zu einer Bettenabteilung zusammengefasst wurden, die organisatorisch und wirtschaftlich eigenständig ist; die medizinische Zuständigkeit liegt jedoch bei den Fachdisziplinen.

Derzeit verfügt die Dermatologie über 20 vollstationäre Betten, eine Tagesklinik und eine große Poliklinik. Jährlich werden ca. 10 000 Patienten versorgt, davon ca. 600 stationär. Dafür stehen 16 Planstellen zur Verfügung, davon 5 Oberarzt- und 3 Facharztstellen. Mehrere Stellen werden derzeit von Kollegen in Teilzeit wahrgenommen, sodass erfahrene Kräfte für die Leitung von Poliklinik, stationärem Bereich, Dermato-Onkologie, Dermato-Chirurgie, Dermato-Pathologie und dermatologische Infektiologie zur Verfügung stehen. Diese Fachkompetenz wird noch verstärkt durch 5 assoziierte Fachärzte mit Verträgen über 10 – 12,5 Arbeitsstunden pro Woche. Zwei dieser Kollegen verstärken das dermato-chirurgische Team. Je ein Kollege vertritt die Allergologie, die gynäkologische und die pädiatrische Dermatologie.

Die Konsiliartätigkeit auf dem Campus des Hauptstandortes nimmt einen breiten Raum ein, ergänzt durch feste Sprechstunden in den beiden weiteren Standorten des Klinikums. Die beiden Fotopherese-Einheiten der Sektion sind die einzigen der Westschweiz, die auch von der Dermatologie genutzte Überdruck-Kammer ist sogar ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb des gesamten Landes. Die Überdruck-Kammer in Basel wird privat betrieben und steht nicht für die allgemeine Patientenversorgung zur Verfügung ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Anlieferung der Überdruck-Kammer.

Die Genfer Dermatologie führt weiterhin die Venerologie offiziell in ihrem Titel und vertritt diese wichtige Facette des Faches aktiv auf nationaler Ebene. Erwähnenswert ist auch die gut etablierte Dermatohistopathologie, vertreten von drei dermatologischen Kollegen auf Oberarzt- bzw. Facharztniveau.

Von herausragender Bedeutung für die Versorgung der Region ist die gute Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Fachkollegen. Zwar gibt es im Kanton Genf ca. 60 niedergelassene Dermatologen, allerdings ist nur eine Minderheit medizinisch ausgerichtet. Diese haben sich offiziell zur „Gruppe Genfer Dermatologen“ zusammengeschlossen, mit der bereits ein guter Kontakt und reger Austausch besteht.

Die experimentell forschenden Mitarbeiter sind zugleich Angehörige der Abteilung für Pathologie und Immunologie der medizinischen Fakultät. Im Fakultätskomplex befinden sich auch die Forschungslabors, was die Kooperation mit den „echten“ Grundlagenforschern der Fakultät sehr fördert.

Abschließend sind die Bemühungen von Klinikum und Fakultät hinsichtlich einer qualitativ hochwertigen Weiterbildung hervorzuheben: Assistenten haben das Recht auf je 5 Stunden strukturierte und nicht-strukturierte Weiterbildung pro Woche, wobei ein Katalog die Formate für eine strukturierte Weiterbildung streng (und äußerst anspruchsvoll) definiert. Zusätzlich sind 5 Tage Kongressteilnahmen pro Jahr fester Bestandteil ihrer Verträge.

Aktuelle Entwicklungen

Die Zuschüsse des Kantons sind angenehm, machen aber auch abhängig. Vor dem Hintergrund angekündigter Subventionskürzungen in den nächsten Jahren hat die Boston Consulting Group im Auftrag des Klinikums mit „per4mance“ ein Konzept entwickelt, welches neben Einsparungen auch die gezielte Investition in zukunftstaugliche Konzepte vorsieht. Kernstück ist die Verlagerung medizinischer Aktivitäten in den ambulanten Bereich („ambularisation“). Bei der Implementierung gehört die Dermatologie zu den am stärksten involvierten Bereichen. Beschlossen ist die Halbierung der Bettenzahl, verbunden mit dem Verlust mehrerer Stellen im pflegerischen Bereich. Die Direktion des Klinikums hat sich jedoch offen für Hinweise auf das große Potenzial der Dermatologie im ambulanten Bereich gezeigt, sodass auf Basis eines von mir zusammen mit dem administrativen Leiter der Abteilung erstellten Dossiers die Beibehaltung aller Arztstellen trotz Implementierung von „per4mance“ im Laufe dieses Jahres beschlossen wurde. Zusammen mit der „Vision 2015“, welche neben einem neuen Bettenhaus und Laborkomplex auch die Schaffung zusätzlicher Forschungsflächen sowie strategische Forschungsschwerpunkte vorsieht, ergeben sich daraus positive Perspektiven für die Zukunft der Genfer Dermatologie.


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Perspektiven

Personell ist die Genfer Dermatologie derzeit gut aufgestellt ([Abb. 3]). Aufgrund der Altersstruktur ist mittelfristig eine gesunde Dynamik absehbar: Jährlich können 1 – 2 Weiterbildungsassistenten eingestellt werden, dazu sind perspektivisch aus Altersgründen mehrere Oberarztpositionen neu zu besetzen. Die bekannt guten Arbeitsbedingungen und Perspektiven führen zu zahlreichen Initiativbewerbungen, ganz überwiegend von gut bis sehr gut qualifizierten Bewerbern auch aus nicht frankophonen Ländern (erleichtert durch die flexible Haltung der Klinikumsverwaltung insbesondere im Hinblick auf die Besetzung wichtiger Funktionen). Oberarztpositionen sind zusätzlich attraktiv, weil Entfristungen möglich sind und im Fall der Habilitation auch ein Privatliquidationsrecht besteht. Daneben bieten Klinikum und Fakultät wissenschaftlich ambitionierten Nachwuchskräften die Möglichkeit, als „wissenschaftlicher Facharzt“ mehrere Jahre schwerpunktmäßig entsprechend tätig zu sein, ohne die Weiterbildung zu unterbrechen oder die klinische Tätigkeit vollständig aufgeben zu müssen.

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Abb. 3 Das Personal der Genfer Universitäts-Hautklinik.

Als Folge von „per4mance“ gehen zwar stationäre Betten, nicht aber Arztstellen verloren. Die so frei werdenden Kapazitäten stehen für die ambulante und teil- bis kurzstationäre Versorgung von Patienten zur Verfügung.

In der Poliklinik werden zukünftig mehr Weiterbildungsärzte arbeiten, unterstützt von einem zusätzlichen Facharzt für die Supervision. Seit Anfang des Jahres gibt es eine offene Sprechstunde für Patienten ohne Termin ganztags an jedem Mittwoch, an der sich bis zu 10 Ärzte beteiligen. Auf diese Weise werden die anderen Wochentage für Patienten mit Terminen und für Spezialsprechstunden weitestgehend „geschützt“. Weil an diesen Tagen nur noch maximal zwei Ärzte für die Betreuung nicht geplanter Patienten (Notfälle, Konsile etc.) gebunden sind, vergrößern sich die Kapazitäten zur Vergabe regulärer Termine. Schon jetzt konnte so die Wartezeit auf entsprechende Termine von über zwei auf unter einen Monat reduziert werden (So entfällt auch der Hauptgrund für das Erscheinen vieler Patienten ohne Termin.).

Um Patienten zu versorgen, welche wegen der Bettenreduzierung nicht mehr stationär aufgenommen werden können, werden derzeit die Kapazitäten der Tagesklinik deutlich ausgebaut. Zusätzlich werden verschiedene Varianten einer kurzstationären Therapie geprüft. Am wahrscheinlichsten ist, dass eine derzeit in der Erprobungsphase befindliche und positiv evaluierte Einheit zu diesem Zweck ausgebaut wird.

Durch die Wiederbesetzung der Leitungsposition für die Dermato-Chirurgie sind die Voraussetzung für einen deutlichen Ausbau der operativen Aktivitäten gegeben. Als Teil von „per4mance“ wird außerdem die Schaffung eines dritten Operationssaals für die Dermatologie als Maßnahme zur Förderung ambulanter Aktivitäten vorangetrieben. Gleichzeitig werden histopathologische Laborkapazitäten in unmittelbarer Nähe vom OP-Bereich etabliert, um die Ausweitung der zur Zeit noch eingeschränkt praktizierten mikroskopisch kontrollierten Chirurgie (Mohs Chirurgie) zu unterstützen.

Die bisher stark in die Dermato-Chirurgie involvierte Dermato-Onkologin gewinnt durch den Aufbau der separaten dermato-chirurgischen Einheit eigene Kapazitäten zurück und kann sich so wieder dem Ausbau ihres Bereiches widmen. Dieser wird mittelfristig ein wesentlicher Bestandteil des in Aufbau begriffenen interdisziplinären onkologischen Zentrums des Klinikums werden. Die besondere klinische Kompetenz der Genfer Dermatologie auf dem Gebiet kutaner Lymphome wird durch die entsprechende Ausrichtung einer jungen Fachärztin verstärkt.

Zukünftig werden sich die Rahmenbedingungen der dermatologischen Forschung deutlich verbessern. Schon jetzt sind die einschlägig tätigen Kollegen auch Angehörige der Abteilung für Pathologie und Immunologie der medizinischen Fakultät (siehe oben). Von den i. R. der „Vision 2015“ neu entstehenden Forschungsflächen sind 200 Quadratmeter a priori für die Dermatologie vorgesehen. Die Nutzung zusätzlicher Flächen ist an das erfolgreiche Einwerben evaluierter Drittmittel geknüpft.

Durch die Assoziation mit der Pathologie/Immunlogie können auch die technologischen Plattformen sowie die „core facilities“ der medizinischen Fakultät genutzt werden. Mittelfristig werden zusätzliche Kapazitäten in der Tierhaltung verfügbar, sodass auch ambitionierte Projekte im Zusammenhang mit Tiermodellen (wieder) möglich sind.

Thematisch wird die Entzündungsforschung ein Schwerpunkt sein. Hier bestehen Berührungspunkte mit aktuellen Aktivitäten zweier bereits in der Sektion Dermatologie etablierter Arbeitsgruppen sowie mehrerer Gruppen der Abteilung Pathologie/Immunologie sowie einiger klinischer Sektionen, darunter der Rheumatologie, der klinischen Immunologie, der Kardiologie und der Endokrinologie. Die Projekte werden translationelle Fragestellungen bearbeiten und an diverse derzeit laufende sowie geplante klinische Studien, insbesondere zur Psoriasis und Psoriasis-Arthritis, anknüpfen.


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Fazit

Schon jetzt ist die Dermatologie am Genfer Universitätsklinikum gut aufgestellt. Mit „per4mance“ und „Vision 2015“ liegen Konzepte vor, welche nicht nur auf Sparen, sondern auch auf gezielte Investitionen und die Förderung strategisch wichtiger Initiativen ausgerichtet sind. Nicht zuletzt die rege Bautätigkeit rund um das Klinikum belegt, dass seitens des Klinikums und der Fakultät alles getan wird, diese Konzepte umzusetzen. Die personellen und räumlichen Rahmenbedingungen werden sich absehbar z. T. deutlich verbessern, und ich schaue mit großer Zuversicht in die Zukunft.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Wolf-Henning Boehncke
Chefarzt der Abteilung für Dermatologie und Venerologie
Universitätsklinikum Genf
4 Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4
1211 Genève 14
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Abb. 1 Eingangsbereich des Hauptgebäudes des Genfer Universitätsklinikums.
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Abb. 2 Anlieferung der Überdruck-Kammer.
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Abb. 3 Das Personal der Genfer Universitäts-Hautklinik.