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DOI: 10.1055/s-0033-1344379
Hyperbare Sauerstofftherapie bei therapierefraktärem Pyoderma gangraenosum
Hyperbaric Oxygen Therapy in a Case of Refractory Pyoderma Gangraenosum- Zusammenfassung
- Abstract
- Anamnese
- Erstbefund
- Befunde diagnostischer Untersuchungen
- Therapie und Verlauf
- Diskussion
- Literatur
Zusammenfassung
Die hyperbare Sauerstofftherapie führt im Gewebe zu zahlreichen Effekten, welche pathogenetisch für die Behandlung schlecht heilender Wunden von großer Bedeutung sind. Wir berichten hier über den erfolgreichen Einsatz dieser Modalität bei einem Patienten mit therapierefraktärem Pyoderma gangraenosum. Dabei kam es nach vorherigem Nicht-Ansprechen auf eine kombinierte immunsuppressive Therapie nach 16 Behandlungen zu einer deutlichen Befundverbesserung. Unsere Beobachtung unterstreicht das große Potenzial dieser Modalität im dermatologischen Fachgebiet. Vor dem routinemäßigen Einsatz derselben bei dermatologischen Indikationen sind jedoch systematische klinische Studien sowie Untersuchungen zur Kosteneffektivität erforderlich.
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Abstract
Hyperbaric oxygen therapy induces numerous effects within injured tissue, which are pathogenetically relevant in the context of treating chronic wounds. We here report on a patient suffering from a refractory pyoderma gangraenosum, in whom this modality resulted in a profound improvement of the signs and symptoms after 16 treatment sessions. Our observations underline the huge potential of this approach in dermatology. Prior to incorporating this treatment into daily practice, systematic clinical studies and cost effectiveness analyses need to be performed.
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Seit 2009 bietet das Universitätsklinikum in Genf als einzige nicht-private Einrichtung die Möglichkeit einer hyperbaren Sauerstofftherapie an ([Abb. 1]) [1]. Unter den elektiv therapierten Indikationen finden sich u. a. therapierefraktäre Wunden sowie weitere dermatologisch relevante Diagnosen. Wir berichten nachfolgend über einen Patienten mit Pyoderma gangraenosum, der erfolgreich unter Einsatz der hyperbaren Sauerstofftherapie behandelt werden konnte.
Abb. 1 Hyperbare Sauerstofftherapie an der Universitätsklinik Genf. Kontrollstand (a) und das Innere der Druckkammer (b).




Anamnese
Ein 53-jähriger Patient wurde uns aufgrund eines sich schnell ausbreitenden Ulkus im Bereich der linken Wade vorgestellt. Die Ulzeration begann drei Wochen vor Vorstellung in unserer Ambulanz, ohne dass ein vorausgehendes Trauma erinnerlich war.
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Erstbefund
Anlässlich der Erstvorstellung des Patienten fand sich im Bereich der linken Wade ein ca. 10 × 10 cm großes superfizielles Ulkus mit Nekrosen. Der Ulkusrand war rötlich-violett verfärbt und unterminiert. Der Patient gab im Bereich des linken Unterschenkels starke Schmerzen an. Aufgrund von Anamnese und Klinik stellten wir die Verdachtsdiagnose eines Pyoderma gangraenosum.
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Befunde diagnostischer Untersuchungen
Im Bereich des Ulkusrandes erfolgte eine Biopsie. Histologisch fand sich ein dichtes, gemischtes, leukozytäres Infiltrat im Bereich der Dermis mit zahlreichen neutrophilen Granulozyten sowie eine fibrinoide Nekrose kleiner und mittelgroßer Gefäße. Zusätzlich waren einige tiefe Gefäße thrombosiert.
Außerdem erfolgten umfangreiche Laboruntersuchungen zum Ausschluss zugrunde liegender Erkrankungen einschließlich chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, hämatologischer Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder Malignomen [2]. Sämtliche Befunde lagen im Normbereich. Somit stellten wir die Diagnose eines idiopathischen Pyoderma gangraenosum.
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Therapie und Verlauf
Initial führten wir eine orale Therapie mit Methylprednisolon in einer Dosierung von 125 mg pro Tag über drei Tage durch, gefolgt von einer oralen Prednisolontherapie in einer Dosierung von 0,6 mg/kg/Tag. Die topische Therapie erfolgte mit Antiseptika sowie Tacrolimus 0,1 %-Salbe.
Unter dieser Therapie zeigte sich jedoch eine Progredienz des Befundes mit zunehmenden Nekrosen, sodass wir uns zur zusätzlichen Gabe von Ciclosporin A in einer Dosierung von 4 mg/kg/Tag entschlossen. Darunter konnte lediglich eine Stabilisierung des klinischen Befundes bei fortbestehenden starken lokalen Schmerzen erreicht werden ([Abb. 2 a]).


Da für die Therapie des Pyoderma gangraenosum kein konsentierter Algorithmus existiert, diskutierten wir mit dem Patienten diverse weitere Optionen. Dieser entschied sich für den Versuch einer hyperbaren Sauerstofftherapie.
In den darauf folgenden gut drei Wochen erfolgten täglich von Montag bis Freitag entsprechende Therapien über eine Zeit von 95 Minuten und bei einem Druck von 2,5 bar. Während des gesamten Behandlungszeitraumes blieb die immunsuppressive Begleitmedikation (Prednisolontherapie 0,6 mg/kg/Tag, Ciclosporin A 4 mg/kg/Tag) konstant.
Während der hyperbaren Sauerstofftherapie zeigte sich eine deutliche Verbesserung des Befundes ([Abb. 2 b]): Die Nekrosen verschwanden ebenso wie die Rötung im Bereich des Ulkusrandes; daneben setzte eine substanzielle Re-Epithelialisierung ein. Zusätzlich gab der Patient kaum noch Schmerzen an. Trotz des positiven Verlaufes stimmte die Krankenversicherung des Patienten einer Fortsetzung der hyperbaren Sauerstofftherapie nicht zu. Seitdem kommt es unter Fortsetzung der kombinierten immunsuppressiven Therapie weiter zu einer zögerlichen Befundverbesserung.
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Diskussion
Die hyperbare Sauerstofftherapie wird seit gut 50 Jahren bei diversen Indikationen therapeutisch genutzt [1]. Dieser Therapieeffekt beruht auf der Verbesserung des Sauerstoffpartialdruckes im Gewebe als Folge der Erhöhung desselben in der den Patienten umgebenden Atmosphäre. Insbesondere folgende Effekte werden dabei als therapierelevant angesehen [3] [4]:
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Aufgrund des hohen Sauerstoffpartialdruckes diffundiert derselbe weiter ins Gewebe hinein, wo er die Oxygenierung verbessert.
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Man beobachtet eine verbesserte Elastizität der Erythrozyten, die sich positiv auf deren Fließeigenschaften insbesondere in Kapillarbetten auswirkt.
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Eine Sauerstoffübersättigung in gesundem Gewebe führt dort zu einer Vasokonstriktion, sodass dieses vor eventuellen Hyperoxieschäden geschützt ist; zugleich werden hypoämische/pathologisch veränderte Gewebe verstärkt perfundiert.
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Hyperbarer Sauerstoff ist bakterizid für anaerobe Keime und wirkt bakeriostatisch auf aerobe Bakterien. Zusätzlich wird die Phagozytoseaktivität mononukleärer Zellen erhöht.
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Fibroblasten und Endothelzellen zeigen eine erhöhte Proliferationsrate und Aktivität, Kollagensynthese und Angiogenese sind gesteigert.
Die Relevanz aller o. g. Effekte für die Therapie des Pyoderma gangraenosum ist evident. Und der hier geschilderte Fall dokumentiert eindrucksvoll das therapeutische Potenzial dieser Modalität, jedoch liegen bislang keinerlei kontrollierte klinische Studien für diese Indikation vor. Seitens des European Commitee for Hyperbaric Medicine werden jährlich Empfehlungen hinsichtlich potenzieller Indikationen publiziert [5]. Analoge Empfehlungen existieren seitens der Undersea and Hyperbaric Medical Society ([Tab. 1]). Das Evidenzniveau für die verschiedenen Indikationen ist jedoch sehr unterschiedlich. Schweizer Krankenversicherungen erstatten derzeit die Therapiekosten lediglich für die Behandlung der chronischen Osteomyelitis, diabetischer Ulzera sowie der Dekompressionskrankheit [6]. Neben der Problematik der Kostenerstattung seitens der Kostenträger ist die begrenzte Zahl von Therapieeinrichtungen ein limitierender Faktor für den breiteren Einsatz dieser Modalität.
Luft-/Gasembolie |
Kohlenmonoxid-Vergiftung |
Gasbrand (Clostridien-Myositis und -Nekrose) |
Akute traumatische Ischämie (z. B. Kompartmentsyndrom) |
Dekompressionskrankheit |
Arterielle Insuffizienz (zentrale retinale arterielle Okklusion, spezielle „Problemwunden“) |
Schwere Anämie |
Intrakranielle Abszesse |
Nekrotisierende Weichteilinfektionen |
(therapierefraktäre) Osteomyelitis |
Weichteil- oder Knochennekrosen infolge ionisierender Strahlung |
Gefährdete Hauttransplantate oder Lappenplastiken |
Verbrennung |
Idiopathischer plötzlicher sensoneuraler Hörverlust |
Das Potenzial der hyperbaren Sauerstofftherapie gerade im dermatologischen Fachgebiet ist groß. Bevor dieser Ansatz jedoch Relevanz für den Praxis-Alltag gewinnen kann, sind systematische klinische Studien einschließlich Untersuchungen zur Kosteneffektivität zu fordern. Dann erst wird es sinnvoll sein, dass Dermatologen über eine systematische Kooperation mit einschlägigen Therapieeinrichtungen nachdenken.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Green Y, Berney JY. Indications électives à l’oxygénothérapie hyperbare. Rev Med Suisse 2009; 5: 1615-1618
- 2 Carron PN, Yerly S, Ksontini R et al. Pyoderma gangrenosum: défi diagnostic et thérapeutique. Rev Med Suisse 2008; 4: 1938-1943
- 3 Khanderlwal S, Kaide C. Hyperbaric Oxygen Therapy. Chapter e18.1. New York: McGraw-Hill; 2010
- 4 Thom SR. Oxidative stress is fundamental to hyperbaric oxygen therapy. J Appl Physiol 2009; 106: 988-995
- 5 Wattel F, Marroni A, Mathieu D. European Committee for Hyperbaric Medicine (ECHM) to coordinate, promote and study the development of clinical hyperbaric medicine in Europe. Minerva Anestesiol 2000; 66: 733-748
- 6 Les autorités fédérales de la Confédération suisse Annexe 1 (art.1) Prise en charge par l’assurance obligatoire des soins de certaines prestations dournies par les médecins. http://www.admin.ch/ch/f/rs/832_112_31/app1.html
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Green Y, Berney JY. Indications électives à l’oxygénothérapie hyperbare. Rev Med Suisse 2009; 5: 1615-1618
- 2 Carron PN, Yerly S, Ksontini R et al. Pyoderma gangrenosum: défi diagnostic et thérapeutique. Rev Med Suisse 2008; 4: 1938-1943
- 3 Khanderlwal S, Kaide C. Hyperbaric Oxygen Therapy. Chapter e18.1. New York: McGraw-Hill; 2010
- 4 Thom SR. Oxidative stress is fundamental to hyperbaric oxygen therapy. J Appl Physiol 2009; 106: 988-995
- 5 Wattel F, Marroni A, Mathieu D. European Committee for Hyperbaric Medicine (ECHM) to coordinate, promote and study the development of clinical hyperbaric medicine in Europe. Minerva Anestesiol 2000; 66: 733-748
- 6 Les autorités fédérales de la Confédération suisse Annexe 1 (art.1) Prise en charge par l’assurance obligatoire des soins de certaines prestations dournies par les médecins. http://www.admin.ch/ch/f/rs/832_112_31/app1.html





