Dialyse aktuell 2013; 17(3): 115
DOI: 10.1055/s-0033-1345084
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Immer noch ein Stiefkind

Christian Schäfer
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Publication Date:
15 April 2013 (online)

Was tun, wenn die Politik einfach nicht reagiert? Geht es um ein wichtiges Thema, dann darf man sich zurecht aufregen. So kann man den Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbandes Pflegemanagement e. V. Peter Bechtel gut verstehen, der am 5. März seine Verwunderung über Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) kundtat. Was war passiert? Vorausgegangen war ein offener Brief Bechtels an die Bundeskanzlerin vom 8. Januar, in dem er die Dringlichkeit von grundlegenden Reformen im Pflegesektor anmahnte. Er legte Merkel nahe, dies doch zur Chefsache zu machen und bot ein persönliches Gespräch zur Klärung aller wichtigen Punkte an. Hierzu erfolgte nach Angaben des Bundesverbande Pflegemanagement e. V. bis Anfang März (auch nach einer Erinnerung Anfang Februar) keine Reaktion. Angesichts des wachsenden Bewusstseins der Wahlberechtigten in Deutschland für das Thema Pflege könnte es nicht nur ein gesundheitspolitischer, sondern auch ein wahlstrategischer Fehler sein, Gesprächsangebote wie diese zu ignorieren.

Die Pflege ist nach dem gescheiterten Jahr der Pflege 2011 und den mehr oder weniger guten Versuchen, das Versäumte 2012 doch noch nachzuholen, wohl auch im Bundestagswahljahr 2013 noch ein Stiefkind. Die Frage bleibt, ob es andere besser machen? Das weiß man nicht. Zumindest hat sich aber Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) in Berlin dahingehend geäußert, dass die Reform der Pflegeversicherung Teil einer Agenda 2020 sein müsse, wie die Ärzte Zeitung am 11. März berichtete. Man darf gespannt sein – wie die Wahlen ausgehen und ob sich im Pflegebereich endlich etwas Entscheidendes tut. Eines ist klar: Irgendwann wird die Zeit kommen – denn werden die Probleme zu groß, müssen die Politiker handeln, sonst verlieren sie zu viele Wählerstimmen.

Am 19. März kam dann noch etwas hinzu, das neben anderer Auswirkungen auch dazu beiträgt, die stiefmütterliche Behandlung der Pflege zu festigen: Kurz vor dem Druck dieser Ausgabe der Dialyse aktuell beschloss der Gemeinsame Bewertungsausschusses der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), die Einzel- und Wochenpauschale in der Dialyse zu reduzieren. Dies soll mengenabhängig gestaffelt ab dem 1. Juli 2013 geschehen. Die Eindämmung von Kostensteigerungen in Ehren – aber dies könnte zur Folge haben, dass die sowieso schon knapp mit Dialysefachkräften besetzten Dialysezentren das Personal noch mehr reduzieren; oder statt Fachpersonal eher geringer bezahlte, nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte einstellen. Dies ginge dann letztendlich auf Kosten der Patientensicherheit und der Mitarbeiter – Stress, eine höhere Zahl an Krankheitstagen, eine vermehrte Diagnose des Burn-out-Syndroms und gefährliche Vorfälle am Patienten wären vorprogrammiert. Nephrologen, Pflegeverbände und Patienten hatten bereits im Februar intensiv hiervor gewarnt, als KBV und GKV schon einmal über die Absenkung der Pauschale diskutiert hatten .

Es bleibt im Sinne aller zu hoffen, dass dieses Szenario trotz all dieser berechtigten Bedenken nicht wahr wird. Leider tragen diese ökonomischen Faktoren aber in jedem Fall dazu bei, Ärzte und Pflegekräfte gefühlsmäßig weiter auseinander zu bringen und deutlicher in 2 Lager zu teilen. Das Gegenteil (eine Annäherung und eine einzige Blickrichtung) wäre vernünftig – gerade angesichts der in Deutschland knapper werdenden Res-sourcen, des Personalmangels und der aufgrund der demografischen Entwicklung steigenden Patientenzahlen.

Der wissenschaftliche Schwerpunkt dieser Ausgabe der Dialyse aktuell behandelt ab Seite 128 ein Thema, das gleichermaßen Ärzte und Pflegekräfte anspricht: Viruserkrankungen und Hygiene im Umfeld der Dialyse. Ich hoffe, dies kann ein wenig dazu beitragen, dass Ärzte und Pflegekräfte das, was im Zentrum aller Bemühungen stehen sollte, vermehrt aus einem Blickwinkel betrachten können: die bestmögliche medizinische Versorgung der Patienten. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre und – so Sie dies vorhaben – viel Erfolg beim Ausfüllen des CME-Bogens zum Schwerpunkt dieser Ausgabe.