Parvizi J et al.
Management of periprosthetic joint infection: the current knowledge: AAOS exhibit
selection.
J Bone Joint Surg Am 2012;
94: e104
DOI:
10.2106 JBJS.K.01417
Was bin ich – und wenn ja wie viele? Bei fehlenden Leitlinien in Deutschland gibt
diese Übersichtsarbeit dezidierte Empfehlungen zur Diagnostik periprothetischer Gelenkinfektionen
(PPI) anhand des derzeitigen Erkenntnisstands.
Parvizi J et al. Management of periprosthetic joint infection: the current knowledge:
AAOS exhibit selection. J Bone Joint Surg Am 2012; 94: e104. doi: 10.2106 JBJS.K.01417
Einleitung
Fehlende Leitlinien bei einer Vielzahl von zur Verfügung stehenden diagnostischen
Parametern machen die Diagnostik von PPI zu einer schwierigen Aufgabe – die Therapie
zu einer Herausforderung. Immerhin sind Infektionen in bis zu 12,4 % der Fälle für
die Implantation einer Revisionsendoprothese verantwortlich [
1
]. Damit stellen sie in den USA die häufigste Ursache für eine Knie- und die dritthäufigste
Ursache einer Hüft-Revisionsprothese dar. In der Mehrzahl der Fälle sind Low-Grade-Infekte
(Spätinfekte) ursächlich, ohne lokale oder systemische Entzündungszeichen. Die amerikanische
Akademie Orthopädischer Chirurgen (AAOS) gab 2011 Richtlinien zur Diagnostik und Therapie
der PPI heraus. Die vorliegende Studie ist kein systematisches Literaturreview im
eigentlichen Sinne. Sie ist eher zu verstehen als Review der eigenen Datenbank aus
821 PPI (unter 3308 Revisionsendoprothesen) und deren Publikation mit immerhin 32
zitierten Artikeln aus der eigenen Arbeitsgruppe.
Ergebnisse
Die aktuelle Diagnostik umfasst die Zusammenschau aus klinischer Symptomatik, serologischen
Tests (BSG, CRP), mikrobiologischen Kulturen (Punktat, Blut), Histologie und einfachen
molekularen Techniken – leider derzeit unspezifisch, klinikabhängig und eher eminence-based.
Die Autoren empfehlen anhand ihrer Ergebnisse folgenden Algorithmus: Bei klinischem
Verdacht erfolgt zunächst die BSG- und CRP-Bestimmung, trotz geringer Spezifität (59
%, Sensitivität: 96 %), wobei die Grenzwerte herabkorrigiert wurden auf 31 mm / h
und 2 mg / dl. Bei pathologischem Befund folgt anschließend die Gelenkpunktion mit
mikrobieller Kulturbestimmung sowie Leukozytenzellzahlzählung und -differenzierung,
wobei bedacht werden muss, dass beide durch eine hohe Anzahl falsch positiver Ergebnisse
gekennzeichnet sind. Falls diese nun den Verdacht auf eine PPI bei negativen Ergebnissen
nicht bestätigen können, wird eine zweite Gelenkpunktion empfohlen, bevor radiologische
Methoden, mit höchster Evidenz für das FDG-PET, hinzugezogen werden. Die häufig bevorzugte
MRT- oder CT-morphologische Darstellung ist deutlich weniger bis gar nicht sensitiv.
Bei wiederholt negativem Ergebnis wird nun die histologische Analyse notwendig, jedoch
selten angewendet, da die Präparatgewinnung invasiv ist und somit einen chirurgischen
Eingriff bedeutet. Gram-Präparate haben sich in mehreren Studien als unzureichend
sensitiv und spezifisch herausgestellt.
Staphylococcus epidermidis – häufigster Erreger periprothetischer Infektionen. (©
CDC / Segrid McAllister)
Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass eine Fistel per definitionem immer in einer
PPI resultiert und zumindest hier die o. g. ätiologische Diagnostik entfallen kann.
Anders bei Eiter, welcher zu 50 % aseptisch und bspw. auf einer allergischen Reaktion
bei Metallabrieb basieren kann.
Auch wird die Entwicklung neuer Standards für die Kultivierung intraoperativer Gewebeproben
gefordert, da diese sich in bis zu 18 % der Fälle als kulturnegativ herausstellen
und somit falsche Therapien zur Folge haben – in erster Linie wird eine zweiwöchige
Inkubationszeit empfohlen (Verringerung falsch positiver Ergebnisse bei Kontaminationen,
Beweis Nicht-Standard-Pathogene im Vergleich zur einwöchigen Bebrütung).
Vielversprechend ist die Vielzahl neuer Parameter, welche jedoch erst in größeren
klinischen Studien getestet werden müssen. Hier eine Auswahl:
-
Leukozyten-Esterase, ein spezifisches, mit Neutrophilenanstieg assoziertes Enzym,
schnell und günstig nachweisbar mit kolorimetischen Tests (analog zum HWI)
-
IL-6, IL-8, VEGF und andere Proteine des inflammatorischen Weges
-
synoviales CRP mit höherer Spezifität und Sensibilität gegenüber dem Serum-CRP
Kommentar
Mit neuen sensitiveren und spezifischeren laborchemischen Analysetechniken können
PPI, wenn schon präventive Mechanismen versagen, bei richtiger Anwendung und Kombination
heute frühzeitig diagnostiziert werden. Jedoch zeigen die Unmengen leidlich guter
Konzepte, dass der Goldstand noch nicht erreicht ist, die Fehlerquoten zu hoch sind
und erst die Forschung der nächsten Jahre wird zeigen, ob die Zukunft im Bereich der
Biomarker oder gar in den Schnelltests liegt.