Dialyse aktuell 2013; 17(04): 211-212
DOI: 10.1055/s-0033-1345749
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ein wichtiger Mineralstoff – Magnesium bei CKD-Patienten

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Publication Date:
14 May 2013 (online)

 
 

Magnesiumionen (Mg2+) sind für alle Körperzellen von essenzieller Bedeutung, weil sie für die katalytischen Prozesse von über 300 Enzymen notwendig sind. Wie neue Studien zeigen, besteht bei einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) mit gestörter Mineralstoffbalance eine Relation zwischen dem Magnesiumspiegel und kardiovaskulären Ereignissen. Andere Arbeiten zu Mineralstoffwechselstörungen deckten das Zusammenspiel zwischen Kalzium- und Magnesiumionen und die Gründe für das Ungleichgewicht dieser Kationen bei CKD und dessen Folgen auf.

In die Kohortenstudie [ 1 ] zu kardiovaskulären Ereignissen waren 283 CKD-Patienten in den Stadien 3–5 aufgenommen worden. Einzigartig an der Studie ist, dass sie bei den Studienteilnehmern den Magnesiumspiegel als kardiovaskulären Risikofaktor in Verbindung mit anderen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Krankheiten bewertete. Zur Evaluierung der Risikofaktoren diente unter anderem die nicht invasive Bestimmung der flussvermittelten Vasodilatation (FMD: Flow-Mediated Dilatation) der Arteria brachialis als Parameter für die Endothelfunktion. Die Patienten wurden bis zum Eintritt eines tödlichen oder nicht tödlichen kardiovaskulären Ereignisses nachbeobachtet, wobei die mittlere Nachbeobachtungszeit 38 Monate betrug. Im Ergebnis zeigte sich, dass die FMD signifikant niedriger und das intakte Parathormon (iPTH) sowie der systolische Blutdruck signifikant höher in der Gruppe mit Magnesiumspiegeln unterhalb des Median gegenüber der Gruppe mit Magnesiumspiegeln oberhalb des Median lag. Des Weiteren wurde eine starke positive Korrelation zwischen FMD und den Magnesiumwerten gefunden. So war in der univariaten Analyse ein höherer Magnesiumspiegel mit einer geringer ausgeprägten endothelialen Dysfunktion verbunden.

Signifikante Prädiktoren

Als unabhängige signifikante Prädiktoren für kardiovaskuläre Ereignisse erwiesen sich

  • die FMD,

  • die Magnesiumwerte,

  • das hsCRP (hochsensitives C-reak-tives Protein) als Marker für eine Inflammation,

  • der HOMA-Index (HOMA: HOmeostasis Model Assessment) als Marker für eine Insulinresistenz,

  • eine Hypertonie,

  • der Diabetesstatus,

  • das Albumin,

  • Kalzium sowie Phosphat im Serum,

  • iPTH und

  • die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR).

In der multivariaten Analyse mit Einschluss aller oben erwähnten signifikanten Vorhersageparameter waren Magnesium und die eGFR mit der FMD stark positiv korreliert. Alle diese Resultate unterstützen die Hypothese, dass höhere Magnesiumspiegel vor einer Endothelschädigung schützen können.

Während der Studienperiode verstarben 28 Patienten an kardiovaskulären Ursachen; insgesamt traten 83 nicht tödliche kardiovaskuläre Ereignisse auf. Als die Studienteilnehmer in 2 Gruppen je nach der Höhe der medianen Magnesiumwerte eingeteilt wurden, ergaben sich bei den CKD-Patienten mit Serum-Magnesium-Spiegeln von unter 2,05 mg/dl signifikant höhere kardiovaskuläre Sterblichkeitsraten als bei denjenigen mit Werten über 2,05 mg/ml (Abb. [ 1 ]).

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Abb. 1 Nach 38 Monaten betrug die Überlebensrate in der Gruppe mit Serum-Magnesium-Werten von weniger als 2,05 mg/ml 81 % im Vergleich zu 97 % in der Gruppe mit Werten von mindestens 2,05 mg/ml (p < 0,001).

Wie die Autoren der Beobachtungsstudie betonen, zeigte sich Magnesium als kardiovaskulärer Risikofaktor für CKD-Patienten. Die FMD und Magnesiumwerte waren in der Studie stark positiv korreliert und höhere Magnesiumspiegel mit einer besseren Überlebensrate verbunden. Demnach scheint das Mineral ein unabhängiger Prädiktor für eine zukünftige kardiovaskuläre Komplikation zu sein. Dies konnte zum ersten Mal in dieser Studie an Patienten mit verschiedenen CKD-Stadien gezeigt werden.

Warum Magnesium diese Effekte aufweist, ist nach wie vor unklar. Hypothesen zufolge kann eine Hypomagnesiämie zu einem verstärkten Eintritt von Kalzium in die vaskulären glatten Muskelzellen führen, was einen erhöhten Gefäßtonus und koronare Spasmen auslöst. Beobachtungen deuten weiter darauf hin, dass Magnesium seine Wirkung an Kalziumkanälen in vaskulären glatten Muskelzellen entfaltet, was zu einer Verringerung des peripheren vaskulären Widerstands führt. Anscheinend wird eine Vasodilatation durch die Blockierung des Kalziumeinstroms in die Zellen und durch die kompetitive Hemmung der Kalziumbindung vermittelt.

Ein anderer möglicher Mechanismus der Beziehung zwischen Magnesium und der endothelialen Funktion könnte sein, dass das Mineral die Anfälligkeit für freie Radikale verringert und auf diese Weise die Plättchenaggregation und -adhäsion hemmt. Dies könnte zu einer verbesserten endothelialen Funktion durch einen antiinflammatorischen Effekt beitragen. Diese Hypothese wird durch epidemiologische Studien unterstützt, in denen die Zufuhr von Magnesium mit der Konzentration von CRP invers assoziiert war.


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Magnesium und Kalzium

Neben Magnesium sind auch Kalziumionen (Ca2+) an vielen physiologischen Funktionen im menschlichen Körper beteiligt. Das Zusammenspiel zwischen Magnesium und Kalzium wurde in den letzten Jahren durch die Forschungen über Mineralstoffstörungen bei chronischen Nierenerkrankungen mit sekundärem Hyperparathyreoidismus teilweise aufgeklärt [ 2 ] und könnte als Grundlage für neue Therapieoptionen bei Störungen der Mineralstoffhomöostase dienen.

Bisher wurde ein Rezeptor identifiziert, der für die Aufrechterhaltung der Magnesium-Kalzium-Homöostase wichtig ist: der extrazelluläre kalziumsensitive Rezeptor (CaSR: Ca2+-Sensing Receptor). Der Rezeptor, der unter anderem in der Nebenschilddrüse vorkommt, kontrolliert die periphere Kalziumhomöostase in der Niere, den Knochen und im Darm, indem CaSR die Sekretion von Parathormon (PTH) als Reaktion auf niedrige zirkulierende Kalziumspiegel moduliert. Bei einer Hyperkalzämie hemmt CaSR die Freisetzung von PTH und stimuliert die Sekretion von Calcitonin. Dies wirkt als Abwehrmaßnahme gegen eine Hyperkalzämie, indem die durch Osteoklasten vermittelte Knochenresorption herabgesetzt wird.


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Modulation der PTH-Sekretion

Magnesium kann die PTH-Sekretion in ähnlicher Weise modulieren, denn höhere Spiegel des Mineralstoffs hemmen unter anderem die PTH-Freisetzung. So konnte in Studien mit Dialysepatienten eine inverse Beziehung zwischen PTH im Plasma und dem Magnesiumgehalt im Dialysat beobachtet werden [ 3 ], [ 4 ].

Studien zufolge korrelieren die zirkulierenden Magnesiumspiegel auch invers mit vaskulären Kalzifikationen bei Patienten im CKD-Stadium 5 [ 5 ] und mit der Intima-Media-Dicke (IMT) bei Dialysepatienten [ 6 ]. So konnte durch eine 2-monatige Magnesiumsupplementation die IMT signifikant positiv beeinflusst werden, was protektiv im Hinblick auf die Entwicklung einer Atherosklerose wirken könnte. Da kardiovaskuläre Krankheiten bei etwa der Hälfte der Dialysepatienten als Ursachen für einen frühzeitigen Tod gelten, ist die Überwachung der Magnesium-, Kalzium- und Phosphatwerte bei CKD-Patienten essenziell.


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Bedeutung der Phosphatbinder

Wenn sich die Nierenfunktion verschlechtert, werden Phosphatbinder benötigt, um die Phosphatwerte möglichst kontrolliert zu senken. Werden magnesiumbasierte Phosphatbinder eingesetzt, könnte das Mineral möglicherweise den PTH-Spiegel durch seinen calcimimetischen Effekt auf den CaSR in den Nebenschilddrüsen normalisieren und zur gleichen Zeit das kardiovaskuläre Risiko über eine CaSR-Modulation positiv beeinflussen. Ein moderater Magnesiumanstieg durch Verwendung magnesiumhaltiger, kalziumreduzierter Phosphatbinder scheint gerechtfertigt, da eine zunehmende Zahl an Publikationen die positiven Auswirkungen in diesem Zusammenhang beschreiben [ 7 ], d. h. in Summe: Ein hochnormaler Magnesiumspiegel "scheint bei Dialysepatienten invers mit dem Fortschreiten der Gefäßverkalkungen und Mortalität korreliert zu sein" [ 8 ], [ 9 ].

Wie die Autoren weiter betonen, könnten sich aufgrund dieser Mechanismen weitere Untersuchungen mit der Fragestellung lohnen, ob Ca/Mg-Kombinationspräparate einen nützlichen Kompromiss zwischen Effektivität, reduziertem Hyperkalzämierisiko und positiven Effekten auf das kardiovaskuläre System bieten.


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Neue Hypothesen

Während die hormonelle Regulation der Kalziumreabsorption und -mobilisation aus Geweben weitgehend erforscht worden ist, ist dies für Magnesium noch nicht geschehen. Bisher sind der Wachstumsfaktor EGF (Epidermal Growth Factor) und Östrogene die einzigen bekannten magnesiotropen Hormone, die direkt den Magnesiummetabolismus über die Stimulation des epithelialen Magnesiumkanals TRPM6 beeinflussen.

Wie oben beschrieben, hat CaSR eine einzigartige Bedeutung bei der Erfassung von systemischen und lokalen Schwankungen der Kalzium- und Magnesiumkonzentrationen. Gegenwärtig werden Calcimimetika, die auf den CaSR wirken, bei der Kontrolle des sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) von CKD-Patienten eingesetzt. Diese Maßnahme senkt zirkulierende PTH-, Phosphat- und Kalziumspiegel, was zu einer Abnahme der vaskulären Kalzifikationen führen kann.

Interessanterweise beeinflusst auch extrazelluläres Magnesium bei hohen Phosphat- und Kalziumkonzentrationen die vaskuläre Kalzifikation und die osteogene Differenzierung. Hypothesen zufolge können Calcimimetika ebenso wie Magnesium lokale Mechanismen aktivieren, die vor einem ektopen Mineralisationsprozess schützen. Diese Beobachtung generierte einige bisher nicht geprüft Hypothesen. Dazu gehört

  • die Existenz von alternativen CaSR-Isoformen, die sensitiv auf 2-wertige Kationen wie Kalzium und Magnesium reagieren,

  • des Weiteren die Existenz eines bisher unbekannten Magnesiumsensors und

  • drittens die Aufklärung der Funktion von intrazellulärem Magnesium bei der Regulierung von CaSR-vermittelten Ereignissen, die zum Einstrom von Kalzium führen.

Die enge Verknüpfung des Kalzium- und Magnesiummetabolismus legt nahe, dass die Homöostase beider 2-wertiger Kationen während der Therapie von Mineralstoffwechselstörungen sorgfältig überwacht werden sollte.


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Effekt auf proinflammatorische Faktoren

Magnesium hat Untersuchungen zufolge auch noch andere positive Eigenschaften. So scheinen normale bis hohe Magnesiumspiegel mit einem erniedrigten Interleukin-6-Spiegel sowie anderen Faktoren für eine systemische Entzündung wie TNF-α (Tumor-Nekrose-Faktor alpha) und hsCRP verbunden zu sein [ 10 ]. Des Weiteren war einer Literaturrecherche zufolge Magnesium in normalen Serumkonzentrationen mit einer niedrigen Prävalenz an Diabetes mellitus assoziiert. Nach einem Myokardinfarkt zeigte die gezielte Einnahme von Magnesium eine protektive Wirkung auf Reperfusionsschäden, die mit proinflammatorischen Faktoren wie IL-6 verknüpft waren.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Phosphat bei Niereninsuffizienz – neue Aspekte" auf dem 37. Nephrologischen Seminar, Heidelberg, und vom Symposium "Verbessertes Outcome durch gezielte Therapie bei CKD-3/4-Patienten" auf der 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Hamburg. Beide Symposien wurden von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg, veranstaltet.

Der Autor ist freier Journalist.


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  • Literatur

  • 1 Kanbay M et al. Am J Nephrol 2012; 36: 228-237
  • 2 Ferrè S et al. Kidney Int 2012; 82: 1157-1166
  • 3 Navarro JF et al. Am J Kidney Dis 1999; 34: 43-48
  • 4 Navarro JF et al. Perit Dial Int 1999; 19: 455-461
  • 5 Tzanakis I et al. Nephrol Dial Transplant 1997; 12: 2036-2037
  • 6 Turgut F et al. Int Urol Nephrol 2008; 40: 1075-1082
  • 7 Ishimura E et al. Magnes Res 2007; 20: 237-244
  • 8 Küchle C, Heemann U. Nephrologe 2012; 7: 121-129
  • 9 de Francisco AL et al. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 3707-3717
  • 10 Baraliakos X et al. Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2013; 1: 27-28

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  • 1 Kanbay M et al. Am J Nephrol 2012; 36: 228-237
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  • 3 Navarro JF et al. Am J Kidney Dis 1999; 34: 43-48
  • 4 Navarro JF et al. Perit Dial Int 1999; 19: 455-461
  • 5 Tzanakis I et al. Nephrol Dial Transplant 1997; 12: 2036-2037
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  • 9 de Francisco AL et al. Nephrol Dial Transplant 2010; 25: 3707-3717
  • 10 Baraliakos X et al. Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2013; 1: 27-28

 
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Abb. 1 Nach 38 Monaten betrug die Überlebensrate in der Gruppe mit Serum-Magnesium-Werten von weniger als 2,05 mg/ml 81 % im Vergleich zu 97 % in der Gruppe mit Werten von mindestens 2,05 mg/ml (p < 0,001).