ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2013; 122(05): 258
DOI: 10.1055/s-0033-1345761
Colloquium
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einblick in die systematische Entwicklung elektrischer Zahnbürsten – "Die schönste Motivation für den Forscher ist der nachgewiesene Patientennutzen"

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Publication Date:
08 June 2013 (online)

 

    A. Hilscher

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    Ein ansprechendes Design plus High-tech und gleichzeitig eine sanfte und sichere Anwendung sowie eine hohe klinische Effektivität – diese vielfältigen Anforderungen an Elektro­zahnbürsten stellen für die Forschungsabteilungen eine tägliche Herausforderung dar. Einen Blick hinter die Kulissen gewährt in unserem Interview Alexander Hilscher, Abteilungsleiter Forschung & Entwicklung, Procter & Gamble, Kronberg.

    ? Herr Hilscher, es ist schon gut 60 Jahre her, dass die Marke Oral-B antrat, die Vorsorge des Patienten zu optimieren. Was macht die Entwicklung von Zahnbürsten für Sie persönlich nach wie vor zu einer spannenden Aufgabe?

    Alexander Hilscher: Die Herausforderungen kommen von ganz unterschiedlichen Seiten. Stets sind zunächst die Anforderungen des Patienten zu ermitteln, dann eine genau darauf abgestimmte Zahnbürste zu entwickeln, und schließlich muss deren Nutzen in umfangreichen Prüfungen bewertet werden. Dabei spielen Verfahren der Konsumentenforschung ebenso eine Rolle wie der Ideenreichtum eines Produktdesigners und die Methodik aussagekräftiger klinischer Untersuchungen.

    ? Frage: Lassen Sie uns diese drei Schritte im Einzelnen beleuchten. Wie gehen Sie bei der Erstellung des Anforderungsprofils der Patienten vor?

    A. Hilscher: Bei diesem essentiellen Schritt kommt es darauf an, sowohl die ausdrücklichen wie auch die latent vorhandenen Bedürfnisse immer besser zu erfassen. Viele Experten betrachten die latenten Anforderungen, deren sich die Patienten nicht bewusst sind, sogar als die wichtigsten, wenn es um Innovationen geht. Darum greifen wir sogenannte Fokusgruppen heraus, führen ausführliche Einzel-Interviews durch, beobachten Patienten in ihrer häuslichen Umgebung, werten Fragebögen und Rückmeldungen aus.
    Selbstverständlich sind sowohl die Anforderungen der Patienten als auch diejenigen der zahnärztlichen Teams in Betracht zu ziehen. Ihre Patienten sind zwar an einer guten Mundgesundheit interessiert, doch sprechen sie oft mehr von weißen Zähnen, einem attraktiven Lächeln, frischem Atem und problemlosen Zahnarztbesuchen. Zu den Anforderungen, derer sich Patienten selten bewusst sind, gehört – um ein besonders wichtiges Beispiel zu nennen – eine längere Putzzeit und damit ein besseres Ergebnis.

    ? Wie kommen Sie, im zweiten Schritt, von diesen Ergebnissen zu einer neuen elektrischen Zahnbürste?

    A. Hilscher: Das oszillierend-rotierende Putzprinzip hat Oral B im Jahre 1991 eingeführt und danach kontinuierlich weiterentwickelt, unter anderem durch die Erhöhung der Bewegungsgeschwindigkeit des Bürstenkopfes und die Ergänzung um pulsierende Bewegungen. Diese lassen die Borsten insbesondere besser in die Zahnzwischenräume eindringen und steigern dort die Plaqueentfernung. Damit ist das 3D-Putzsystem seit Jahren der unbestrittene Goldstandard elektrischer Zahnbürsten.
    Zu den jüngsten Innovationen zählen Elektrozahnbürsten mit persönlichem Feedback, konkret: die Oral-B Triumph mit SmartGuide. Bei ihr misst ein sogenannter SmartChip kontinuierlich die Putzzeit sowie den Andruck und zeigt diese Daten auf einem kabellosen Display an. Beispielsweise bekommt der Patient mitgeteilt, wann er – im 30-Sekunden-Takt – von einem Quadranten auf den nächsten übergehen soll. Auf noch detailliertere Informationen, wie etwa "Führen Sie die Zahnbürste jetzt von 27 nach 26!" wurde bewusst verzichtet. Denn nach psychologischen Studien würde dies den Anwender schlicht überfordern.

    ? Innovationen wie die pulsierenden Zusatzbewegungen müssen nun im dritten Entwicklungsschritt ihren Nutzen unter Beweis stellen. Wie gehen Sie dabei vor?

    A. Hilscher: Grundsätzlich stützen wir uns stets auf umfangreiche klinische Studien. In unseren Laborstudien, die wir im Forschungs- und Entwicklungs-Zentrum in Kronberg im Taunus durchführen, legen wir großen Wert auf Praxisnähe. Dazu gehört heute die Anwendung von Fluoreszenzverfahren, die dem Zahnarzt aus der Kariesdiagnostik ein Begriff sind. Wir verwenden sie zur Sichtbarmachung von Plaque im Rahmen der Reinigungsleistungs­bewertung. Ferner nutzen wir Putzroboter, um die Reinigungsleistung schon im frühen Prototypenstadium zu bewerten.
    Unabhängige, systematische Bewertungen der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur durch die renommierte Cochrane Collaboration haben gezeigt: Elektrische Zahnbürsten mit oszillierend-rotierender Bewegung reduzieren Plaque kurzfristig stärker als eine Handzahnbürste und helfen, die Gingivitis langfristig zu reduzieren.

    ? Wie sehr ins Detail gehen denn diese Untersuchungen? Sie werden ja nicht den Zusatznutzen des erwähnten 30-Sekunden-Timer-Feedbacks im Einzelnen objektivieren können, oder?

    A. Hilscher: Doch, da sprechen Sie sogar eine besonders interessante Innovation an. Uns hat natürlich interessiert, wie erfolgreich dieses Produktmerkmal sich auswirkt. So hat sich in einer vergleichenden Untersuchung dazu herausgestellt, dass die Gruppe der "Oral-B Triumph mit SmartGuide-Putzer" gegenüber einer Kontrollgruppe von "Handzahnbürsten-Putzern" fünfmal so oft das Ziel eines zweimal täglichen 2-minütigen Zähneputzens erreichte. Solche Bestätigungen geben unseren Forschern und Designern natürlich immer neuen Schwung für die Entwicklung innovativer Zahnbürsten für eine weiter verbesserte Mundpflege.

    Das Interview führte Dr. Christian Ehrensberger, Frankfurt/Main.

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