Einführung
Vertragsärztlich tätigen Radiologen drohen nach einer bisher in der Praxis wenig beachteten
Entscheidung des Sozialgerichtes Marburg vom 20.07.2011 (Az.: S 12 KA 286/10) Honorarverluste,
wenn sie bei der erstmaligen Installation der technischen Ausstattung oder bei der
Gründung von Zweigpraxen (Nebenbetriebsstätten) keine Genehmigung zur Durchführung
und Abrechnung von radiologischen Leistungen nach den seitens der Partner der Bundesmantelverträge
gemäß § 135 Abs. 2 SGB V vereinbarten Qualitätssicherungsvereinbarungen besitzen.
Dies gilt nach der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie auch dann, wenn
bei Veränderungen der technischen Ausstattung nicht rechtzeitig eine Änderung der
Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Leistungen beantragt wurde. Besonders
im Fachgebiet der Radiologie bedarf ein Vertragsarzt neben seiner Zulassung zur vertragsärztlichen
Versorgung einer Reihe von Genehmigungen, um bestimmte vertragsärztliche Leistungen
erbringen und abrechnen zu dürfen. So bestehen neben der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik
und -therapie gemäß § 135 Abs. 2 SGB V weitere Qualitätssicherungsvereinbarungen wie
die Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie, die Kernspintomografie-Vereinbarung,
die Qualitätssicherungsvereinbarung zur MR-Angiografie, die Ultraschall-Vereinbarung,
die Mammografie-Vereinbarung sowie nach § 75 Abs. 7 SGB V weitere Richtlinien der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Verfahren zur Qualitätssicherung. Der vertragsärztlich
zugelassene oder ermächtigte Radiologe sowie ein Medizinisches Versorgungszentrum
(MVZ) haben ohne eine entsprechende Genehmigung keinen Vergütungsanspruch gegenüber
der Kassenärztlichen Vereinigung für die nicht oder nicht mehr genehmigten radiologischen
Leistungen (Anmerkung: In der RöFo 2012, Seiten 848 bis 851 haben wir schwerpunktmäßig
die Voraussetzungen für die Erteilung und den Widerruf von Abrechnungsgenehmigungen
in der Radiologie nach § 135 Abs. 2 SGB V behandelt. Der Schwerpunkt jenes Beitrages
lag in dem Widerruf, den Widerrufsfolgen und den Rechtsmitteln gegen einen Widerruf.
Dieser Beitrag setzt sich mit dem Erfordernis der Genehmigung und Veränderungen in
der Ausübung der radiologischen Tätigkeit hinsichtlich der apparativen Ausstattung
und räumlicher Veränderungen auseinander).
Sachverhalt der Entscheidung
Sachverhalt der Entscheidung
Der Kläger war als Facharzt für Radiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Er besaß eine Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von computertomografischen
Leistungen von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. In der Genehmigung waren
die apparative Ausstattung, ein Computertomograf Typ A und der Standort des Gerätes
angegeben. Anfang Mai 2009 teilte der Kläger der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung
unter Vorlage der entsprechenden Anzeigenbestätigung des Regierungspräsidiums der
Stadt, als der zuständigen Behörde nach § 3 Abs. 1 Röntgenverordnung mit, dass ein
Wechsel der apparativen Ausstattung zur Monatsmitte vorgenommen werden solle. Der
Wechsel sollte nicht von dem Computertomograf Typ A, sondern vom Typ B zu Typ C erfolgen.
Er beantragte eine entsprechende Genehmigung rückwirkend zum 01.03.2009. Bereits im
Jahre 2007 war der Computertomograf Typ B der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung
durch einen anderen Arzt der Gemeinschaftspraxis mitgeteilt worden, als die Praxis
noch nicht als Gemeinschaftspraxis, sondern lediglich als Apparategemeinschaft betrieben
worden war. Der Arzt hatte erklärte, der Computertomograf Typ B werde in der Apparategemeinschaft
betrieben, in der der spätere Kläger Gesellschafter war. Die Kassenärztliche Vereinigung
erteilte dem Kläger eine Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung computertomografischer
Leistungen mit der apparativen Ausstattung Typ B, obwohl dieser die Genehmigung des
Typ C beantragt hatte. Gegen die Genehmigung erhob der Kläger zunächst Widerspruch
und später – erfolglos – Klage vor dem Sozialgericht Marburg.
Inhalt der Entscheidung
Nach der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie ist die Ausführung und
Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie, der Strahlentherapie und
Nuklearmedizin im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch die an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Ärzte erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche
Vereinigung zulässig. § 2 der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und – therapie über
die „Genehmigungspflicht“ lautet:
„Die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie, der Strahlentherapie
und Nuklearmedizin im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch die an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Ärzte ist erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche
Vereinigung zulässig. […]“
Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Arzt die Erfüllung der Voraussetzungen der
fachlichen Befähigung (Abschnitt B der Vereinbarung) und der apparativen Ausstattung
(Abschnitt C und Anlagen I bis III der Vereinbarung) nachweist. Das Verfahren richtet
sich nach Abschnitt D der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und –therapie (§ 3 Satz
1 und 2). Auf die Details des Verfahrens nach der Vereinbarung kam es in der Entscheidung
des Sozialgerichtes Marburg nicht an.
Dem Antrag auf Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen
Radiologie sind nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik
und –therapie insbesondere u. a. beizufügen:
-
Zeugnisse gemäß § 16 Abs. 1 oder 2 für den Nachweis der fachlichen Qualifikation;
erforderliche Bescheinigungen für den Strahlenschutz;
-
Nachweis der Erfüllung der Anforderungen an die apparative Ausstattung gemäß den Anlagen
I bis III, der Nachweis kann durch die Gewährleistung des Herstellers, dass das verwendete
Gerät diesen Anforderungen entspricht, geführt werden;
-
die Genehmigung nach § 3 Abs. 1 der Röntgenverordnung oder die Betriebserlaubnis (Bauartzulassung
des Röntgenstrahlers und Strahlenschutzmaßnahmen) nach § 4 Abs. 1 der Röntgenverordnung.
Zum Nachweis der Erfüllung der Anforderungen an die apparative Ausstattung gehört
auch die Anzeigenbestätigung der Aufsichtsbehörde nach § 3 Abs. 1 der Röntgenverordnung.
Diese Unterlagen legte der Radiologe der Kassenärztlichen Vereinigung erst am 11.05.2009
vor.
Dem Kläger war nur die Durchführungs- und Abrechnungsgenehmigung für den Computertomograf
Typ A mit Bescheid vom 10.12.2007 erteilt worden. Der Kläger argumentierte gegenüber
dem Sozialgericht Marburg, dass ein anderer Gesellschafter der Apparategemeinschaft,
die der Kassenärztlichen Vereinigung zuvor angezeigt worden war, einen Genehmigungsantrag
für den Computertomograf Typ B gestellt habe. Er meinte, der Antrag des Mitgesellschafters
der Apparategemeinschaft gelte zugleich für ihn, weil die Kassenärztliche Vereinigung
von der Apparategemeinschaft Kenntnis hatte. Das Sozialgericht Marburg folgte dieser
Argumentation nicht, sondern war der Auffassung, dass von der Kassenärztlichen Vereinigung
als Träger öffentlicher Verwaltung nicht verlangt werden könne, dass sie aufgrund
des Hinweises, das Gerät werde in einer Apparategemeinschaft betrieben, erkennen müsse,
dass auch für den in der Apparategemeinschaft tätigen Arzt ein Antrag auf Genehmigung
gestellt werden solle. Die Kassenärztliche Vereinigung hatte letztlich erst durch
ein Schreiben des klagenden Radiologen am 07.09.2009 erfahren, dass dieser einen bis
dahin für seine Person vertragsärztlich ungenehmigten Computertomograf einsetzte.
Für das Sozialgericht Marburg war ein weiterer Aspekt von Bedeutung, der unabhängig
von den Fragen der Apparategemeinschaft bestand. Entscheidend sei, dass die Unterlagen
für die Genehmigung erst mit der Vorlage der Anzeigebestätigung der Behörde nach §
3 Abs. 1 Röntgenverordnung am 11.05.2009 vollständig bei der Kassenärztlichen Vereinigung
vorlagen. Nach den Vorschriften der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und –therapie
seien die Unterlagen vor Erteilung der Genehmigung zu überprüfen und die Ausführung
und Abrechnung von Leistungen der Leistungen der diagnostischen Radiologie erst nach
Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung zulässig. Eine Erteilung
der Genehmigung vor einer Vorlage der erforderlichen Unterlagen könne nicht erfolgen.
Wie in der Praxis häufig, erfolgte die Genehmigung nicht lediglich für die Zukunft
nach Wirksamwerden des Durchführungs- und Abrechnungsbescheides, sondern rückwirkend
ab dem Zeitpunkt des Eingangs des letzten geforderten Nachweises. Eine darüber hinausgehende
Möglichkeit, die Genehmigung für die Vergangenheit zu erteilen, besteht nach der Vereinbarung
zur Strahlendiagnostik und -therapie nicht. Dies gilt nach Auffassung des Sozialgerichts
Marburg generell für die Genehmigungserteilung nach Vereinbarungen zur Qualitätssicherung,
soweit die Genehmigung wie im Falle der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie
als Maßnahme der Qualitätssicherung ausdrücklich als Abrechnungsvoraussetzung formuliert
sei.
Radiologisch tätige Vertragsärzte sollten unbedingt beachten, dass im System der vertragsärztlichen
Leistungserbringung der Grundsatz gilt, dass eine für bestimmte spezialisierte Leistungen
erforderliche Genehmigung vor der Leistungserbringung erteilt sein muss und weder
rückwirkend erteilt werden, noch nach ihrer Erteilung Rückwirkungen für einen vor
der Erteilung liegenden Zeitpunkt entfalten kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil
vom 28.01.1998, Az.: B 6 KA 93/96 R; Urteil vom 28.01.1998, Az.: B 6 KA 41/96 R).
Die Unzulässigkeit einer Rückwirkung wird in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes
damit begründet, dass sich dies aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie
vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung
auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt sei, ergebe.
Mit dieser Beschränkung sei verbunden, dass den Vertragsärzten die Berechtigung zur
Erbringung von Leistungen förmlich zuerkannt worden sein müsse (vgl. Bundessozialgericht,
Urteil vom 28.01.1998, a.a.O.).
Genehmigung einer Zweigpraxis
Genehmigung einer Zweigpraxis
Im Zusammenhang mit Zweigpraxen besteht in der Praxis häufig ein vermeidbarer Irrtum,
der auf die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Zulassungsausschuss für Ärzte
und der Kassenärztlichen Vereinigung zurückgeht. Soll z. B. durch einen angestellten
Arzt, der bei einem vertragsärztlich tätigen Radiologen tätig ist, in einer Zweigpraxis
Sprechstunden abgehalten werden, bedarf es für diese Tätigkeit ebenfalls der Genehmigung
der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV. Sofern die Zweigpraxis
außerhalb des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung liegt, ist für die Erteilung
der Genehmigung der Zulassungsausschuss zuständig, in dessen Bezirk der angestellte
Arzt die Tätigkeit aufnehmen will. Sollen darüber hinaus Leistungen in der Zweigpraxis
erbracht werden, für die eine Qualitätssicherungsvereinbarung nach § 135 Abs. 2 SGB
V existiert, wie durchgängig im radiologischen Bereich, bedarf es zusätzlich einer
Abrechnungsgenehmigung für die Leistungen durch die Kassenärztliche Vereinigung, in
dessen Zuständigkeitsbereich die Zweigpraxis liegt.
Häufiger ist allerdings der Fall anzutreffen, dass ein Vertragsarzt aufgrund einer
durch die Kassenärztliche Vereinigung erteilte Durchführungs- und Abrechnungsgenehmigung
für eine Zweigpraxis in dem Glauben ist, dass damit auch die Tätigkeit in der Zweigpraxis
genehmigt wäre. Die Kassenärztliche Vereinigung prüft durch die zuständige Abteilung
der Qualitätssicherung nur, ob die 3 Kriterien der Qualitätssicherungsvereinbarungen
erfüllt werden: besondere Kenntnisse und Erfahrungen, eine besondere Praxisausstattung
und Anforderungen an die Versorgungsqualität. Ob die Voraussetzungen nach der Ärzte-Zulassungsverordnung
vorliegen, muss dagegen ungeachtet der Qualität der Zweigpraxis die Sicherungsstellungsabteilung
bzw. der Zulassungsausschuss feststellen. Vor Beginn der Durchführung und Abrechnung
von Leistungen in einer Zweigpraxis, die der Genehmigung einer Qualitätssicherungsvereinbarung
unterliegen, müssen daher 2 Genehmigungsbescheide vorliegen.
Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassung und Ausblick
Die besonderen Genehmigungsanforderungen für Leistungen nach den Qualitätssicherungsvereinbarungen
gemäß § 135 Abs. 2 SGB V bestehen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes
für den gesamten Bereich der Durchführungs- und Abrechnungsgenehmigungen. Vor der
Durchführung und Abrechnung von Leistungen, die nach einer Qualitätssicherungsvereinbarung
genehmigungspflichtig sind, muss daher die Antragstellung auf Erteilung der Genehmigung
unter Vorlage sämtlicher geforderter Unterlagen erfolgen. Sie mag in vielen Bereichen
ein überzogener Formalismus sein, weil die betroffenen Belange seitens der Kassenärztlichen
Vereinigungen nicht unmittelbar erkennbar sind und Risiken für die Versicherten nicht
bestehen, weil die Genehmigung für den Betrieb von Röntgeneinrichtungen nach § 3 Abs.
1 RöV durch die zuständige Behörde bereits vorher erteilt worden sein muss. Der Einsatz
eines durch die Kassenärztliche Vereinigung nicht genehmigten Computertomograf oder
Kernspintomograf steht der Abrechnung von Leistungen, die mit diesem Gerät erbracht
wurden, an gesetzlichen krankenversicherten Patienten daher entgegen, sodass der Vergütungsanspruch
seit der Inbetriebnahme vollständig, ggf. bei späterer Kenntnis der Kassenärztlichen
Vereinigung auch rückwirkend entfällt. Daher sollten Radiologen bei jeder Änderung
der apparativen Ausstattung nicht nur an die Anzeige gegenüber der nach § 3 Abs. 1
RöV zuständigen Behörde, sondern in der vertragsärztlichen Versorgung auch an die
Neuerteilung der Durchführungs- und Abrechnungsgenehmigung nach der jeweiligen Qualitätssicherungsvereinbarung
gemäß § 135 Abs. 2 SGB V denken. Soweit Vertragsärzte im Rahmen von Zweigpraxen tätig
werden, ist unbedingt darauf zu achten, dass sowohl der Genehmigungsantrag für die
Tätigkeit in der Zweigpraxis nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV, als auch der Antrag auf Erteilung
bzw. Ergänzung einer Durchführungs- und Abrechnungsgenehmigung durch die Abteilung
Qualitätssicherung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung erteilt wird.
Das Sozialgericht Marburg hat in seiner Entscheidung hervorgehoben, dass von der Kassenärztlichen
Vereinigung nicht verlangt werden könne, dass sie aufgrund des Hinweises, das Gerät
werde in einer Apparategemeinschaft betrieben, hieraus schließen müsse, dass auch
für den in der Apparategemeinschaft tätigen Arzt ein Antrag auf Genehmigung gestellt
werden soll. Gleiches gilt auch für eine Berufsausübungsgemeinschaft nach § 33 Abs.
2 Ärzte-ZV und ein Medizinisches Versorgungszentrum nach § 95 Abs. 1 SGB V, wenn es
zu Änderungen der apparativen Ausstattung kommt. Für jeden in einer BAG oder einem
MVZ tätigen Radiologen muss daher eine Abrechnungsgenehmigung bei der Kassenärztlichen
Vereinigung eingeholt werden.
René T. Steinhäuser
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