physiopraxis 2013; 11(05): 8
DOI: 10.1055/s-0033-1348067
physioforum
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Briefe an die Redaktion


Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 May 2013 (online)

 

Zum Artikel „Systematisch befunden in der Neuroreha“ , physiopraxis 3/13

Schöne Testbatterie mit kleinem Anstoß

Liebe Redaktion der physiopraxis,
die Statuserhebung im Artikel „Systematisch befunden in der Neuroreha“ finde ich gut und stimmig und würde sie bis auf Kleinigkeiten in meiner Tätigkeit als Physiotherapeut im REHAB in Basel (Zentrum für Querschnittgelähmte und Hirnverletzte) mit Clinical Assessment and Decision Making ähnlich gestalten. Wer geübt ist kann in kurzer Zeit den Patienten und viele ICF-relevante Kriterien durch Assessments abchecken und die Ziele evaluieren. Geschmacksache ist es natürlich, ob man den Patienten aus Zeitgründen sich erst anund ausziehen lässt oder zuerst alles mit und dann ohne Kleidung testet. Wichtig finde ich den Hinweis, dass wenn der Patient immer wieder seinen Fuß anstößt, beim Clinical Reasoning an Neglekt zu denken.

Nun zum Stein des Anstoßes. Im Artikel wird auf Seite 39 unter Abb. 3 (Abb.) ein Romberg-Stehversuch erklärt. Das Foto zeigt jedoch eine Abänderung des Romberg-Stehversuchs bzw. eine Kombination, welche durchaus als Zeitersparnis gemacht werden kann, aber möglicherweise dem ungeübten Tester die Interpretation erschwert. Der Romberg- Stehversuch testet das Vestibulum sowie die Tiefensensibilität (posturale Kontrolle), indem der Patient mit den Füßen so nah wie möglich zusammen steht und nach Aufforderung die Augen schließt und geschlossen hält. Auf der Abbildung sieht es so aus, als ob der Patient die Augen geöffnet hat und zudem den nicht betroffenen Arm mit der palmaren Seite nach oben hält. Das ist eigentlich der eigenständige Armvorhalteversuch: Patient sitzt oder steht und hält beide Arme horizontal mit supinierten Unterarmen und geschlossenen Augen. Dies testet die Kraft und Tiefensensibilität der oberen Extremität und fällt in der interprofessionellen Reha (so auch bei uns) in die Kompetenz der Ergotherapie. Aber zur Abklärung ist es sicher erlaubt.

Die Fachliteratur kann sich auch mal verhauen. In dem Buch „Anamnese und Klinische Untersuchung“ des Thieme Verlags wird der Romberg-Stehversuch ebenfalls in Kombination mit dem Armvorhalteversuch abgebildet, ohne explizit die Abweichung zu deklarieren. Doch jede Abweichung bei der Anpassung eines standardisierten Tests/Assessments muss deklariert werden! Es macht beispielsweise einen großen Unterschied, ob ein Lasègue zur Untersuchung meningealer Reizzeichen mit einem Kopfkissen (passive Nackenflexion, meningeale Vorspannung nach kranial) gemacht wird oder nicht. Und Physiotherapeuten mit spezifischer Ausbildung sollten nicht davor zurückschrecken, Tests, welche in die ärztliche Diagnostik gehören, durchzuführen, zu kontrollieren oder zu reevaluieren.

Zum Schluss an die doch schöne Testbatterie noch die Anmerkung: Die Therapeutin könnte auf der Treppe gleich noch das Assessment „Stair Measurement Test“ durchführen, um das funktionelle Treppengehen zu testen. Dabei muss der Patient neun Stufen mit einer Höhe von mindestens 17,5 cm auf Zeit hoch und runter gehen.

Mit kollegialen Grüßen Jonas Tschopp, Physiotherapeut aus Basel

Anmerkung der Autorinnen

Sehr geehrter Herr Tschopp,
vielen Dank für Ihren konstruktiven Leserbrief. Wir stimmen Ihnen vollkommen zu: Die Abweichungen eines standardisierten Tests müssen als solche genannt werden. Sie haben recht, dass wir auf dem Foto die Kombination aus Romberg- und Armvorhaltetest, die wir als Screening benutzen, als Romberg-Test deklariert haben. Leider findet man heutzutage in der Fachliteratur selten die ursprüngliche Form des Tests, sondern unterschiedliche Ausführungen. Gerade deswegen ist es wichtig, den Begriff richtigzustellen, wie Sie es in Ihrem Brief schon getan haben.

Danke auch für die Anregung, den „Stair Measurement Test“ in die Diagnostik einzubeziehen. Wir teilen Ihre Meinung, dass die Fähigkeit, Treppe zu steigen, einen wichtigen Aspekt der Befunderhebung darstellt und mit standardisierten Assessments gemessen werden sollte. Ihre Forderung unterstützt eine Studie mit 42 Patienten nach Schlaganfall. In ihr erwies sich die benötigte Zeit zum Treppensteigen als wichtigste prädiktive Variabel für das Aktivitätslevel – im Vergleich zum 10-Meter- und 6-Minuten-Geh-Test [1]. Das Treppensteigen wurde in dieser Erhebung allerdings mit dem „Timed Up and Down Stairs Test“ gemessen [2].

Mit kollegialen Grüßen Ann Kathrin Benecke und Claudia Pott


#
#
#