Müssen wir beim Staging von PCa-Patienten umdenken?
Mit der Standardisierung der operativen Technik und dem Fortschreiten der Bestrahlungstechniken
fand in den vergangenen 5 Jahren ein Umdenken bei der Therapie des Prostatakarzinoms
(PCa) statt. Mittlerweile gilt die Therapie mit kurativer Zielsetzung selbst bei Patienten
mit hohem Risikoprofil für eine Metastasierung nicht mehr als obsolet [
1
]. Voraussetzung für die adäquate Beratung dieser Patienten und die anschließende
Therapieplanung ist ein möglichst exaktes Staging. Als Goldstandard gilt die Knochenszinitgraphie
(Ganzkörperszintigraphie, GKS) zur Detektion ossärer Filiae und die Computertomographie
(CT) des Abdomens und Beckens zum Nachweis einer Lymphknotenbeteiligung [
2
]. Da die diagnostische Genauigkeit beider Verfahren für eben diese Fragestellung
eingeschränkt ist, ziehen unklare Befunde nicht selten Folgeuntersuchungen nach sich.
Daher erscheint der Gedanke attraktiv, die Fragestellung nach einer systemischen Beteiligung
beim Prostatakarzinom mit einer einzigen MRT-Untersuchung zu beantworten.
GK-MRT scheint dem GKS überlegen
In der vorliegenden Studie untersuchen Lecouvet und Kollegen den Stellenwert der Ganzkörper
Magnetresonanztomographie (GK-MRT) im Vergleich zu GKS und CT beim Staging von Prostatakarzinompatienten
mit hohem Risiko einer systemischen Beteiligung [
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]. Eingeschlossen wurden dabei sowohl Patienten vor einer geplanten kurativen Therapie,
als auch Männer mit biochemischem Rezidiv. In der Studie zeigte sich eine höhere Sensitivität
für das GK-MRT bei der Detektion von Knochenmetastasen im Vergleich zum GKS bei ähnlicher
Spezifität. Von 55 Männern, die im GKS als metastasenfrei eingestuft worden waren,
konnten bei 7 (Gutachter 1) bzw. 8 Männern (Gutachter 2) im GK-MRT Knochenmetastasen
nachgewiesen werden. Die Sensitivität und Spezifität bei der Diagnose von Lymphknotenmetastasen
zwischen dem GK-MRT und dem CT unterschied sich dagegen nicht. Die Autoren kamen zu
dem Schluss, dass die GK-MRT dem Szintigramm überlegen ist und die diagnostische Genauigkeit
bei der Lymphknotendiagnostik mindestens so gut ist wie die des CT.
Heterogenes Patientenkollektiv
Um eine aussagekräftige Patientenzahl für diese aufwändige prospektive Studie rekrutieren
zu können, wurde ein sehr heterogenes Patientenkollektiv eingeschlossen. Dabei wurden
Patienten mit primärer Karzinomdiagnose, sowie Patienten mit biochemischem Rezidiv,
teils unter hormondeprivativer Therapie eingeschlossen. Dies scheint unter der Maßgabe
vertretbar, da das Studiendesign darauf ausgelegt war, die beiden diagnostischen Strategien
zu vergleichen und nicht die Auswirkung auf das Staging und die folgende Therapie
zu untersuchen.
Statistischer Bias durch Abhängigkeit von Test und Goldstandard
Ein Nachteil aller diagnostischen Studien ist, dass die tatsächliche Anzahl positiver
Ereignisse, in diesem Fall also Metastasen, nicht bekannt ist – aus nachvollziehbaren
Gründen schloss die lokale Ethikkommission eine systematische histologische Sicherung
auffälliger Befunde aus. Aus diesem Grund waren die Autoren der Studie darauf angewiesen,
den wahrscheinlichsten Zustand der Patienten als Konsensus der Ergebnisse aller durchgeführten
Untersuchungen und des klinischen Followup zu erheben (sog. best value comparator,
BVC). Obwohl dieses Vorgehen wissenschaftlich akzeptiert ist, muss jedoch bei der
Interpretation der Studienergebnisse beachtet werden, dass diese Methode zu einer
Überschätzung der diagnostischen Leistung des GK-MRT führt, da die Ergebnisse dieser
Untersuchung ebenfalls in den BVC eingehen.
Beeinflussung der Ergebnisse durch Experten-Befundung?
Die Befundung von MRT-Bildern erfordert viel Erfahrung – bei der Befundung von Prostata-MRTs
ist die Abhängigkeit der diagnostischen Genauigkeit und der Erfahrung des Radiologen
bekannt [
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]. Da die beteiligten Radiologen in dieser Studie über eine ausgewiesene Erfahrung
mit GK-MRT verfügen, ist zu erwarten, dass die guten Ergebnisse nicht auf die Allgemeinheit
übertragen werden können. Zur Beantwortung dieser Frage befindet sich nach Angaben
der Autoren eine multizentrische Studie in Planung.
Einfluss der besseren Sensitivität auf die Therapie
Zwar weisen die Autoren ausdrücklich darauf hin, dass das Ziel der Untersuchung die
Evaluation der Methoden und nicht ihr Einfluss auf das klinische Vorgehen war. Dennoch
muss bei der Einführung neuer diagnostischer Untersuchungen, insbesondere wenn sie
potenziell kostenintensiv sind, kritisch hinterfragt werden, ob eine bessere Leistung
auch eine Auswirkung auf die Therapie hat. Es bleibt zu hoffen, dass die geplante
multizentrische Studie einen Ansatz zur Beantwortung dieser Frage liefert. Natürlich
kann die bessere Sensitivität der GK-MRT bei der Diagnostik von Skelettmetastasen
dazu beitragen, bei Hochrisikopatienten eine Übertherapie zu vermeiden, jedoch ist
fraglich, ob ein Patient unter biochemischem Progress bei fortgeschrittenem Prostatakarzinom
an Lebensqualität gewinnt, wenn er frühzeitig von asymptomatischen ossären Metastasen
erfährt.
GK-MRT ja – aber nicht für alle
Derzeit scheint es verfrüht das Ende der traditionellen Bildgebung mit GKS und CT
einzuläuten. Vorteile dieser Verfahren sind die gute Verfügbarkeit, die geringen Kosten
und die relativ leichte Interpretation der Daten auch für Nicht-Radiologen. Ob die
diagnostische Überlegenheit der GK-MRT diese Punkte aufwiegen kann bleibt abzuwarten.
Auf jeden Fall muss der Einsatz dieser neuen Methode kritisch von den potenziellen
Konsequenzen für den Patienten abhängig gemacht werden. Derzeit scheint das primäre
Staging vor Therapieplanung neu diagnostizierter Prostatakarzinompatienten mit hohem
Risiko für eine Fernmetastasierung eine geeignete Indikation darzustellen.
PD Dr. David Schilling, Frankfurt / Main