Oropharynx-Karzinome nach Mundschleimhautplastik?
Die vorliegende Studie untersucht die Prävalenz der oralen HPV-Besiedelung bei klinisch
gesunden Männern über einen Zeitraum von 7 Jahren. Das Humane Papilloma Virus (HPV)
ist sowohl oral wie auch genital ein bekannter Risikofaktor für die Entstehung von
Karzinomen. HPV wird sowohl genital wie auch oral übertragen. Daher ist in Deutschland
eine Impfung für Frauen bzw. weibliche Jugendliche verfügbar und empfohlen, die Durchimpfungsrate
beträgt aber nur ca. 40 %. Eine Impfung der männlichen Jugendlichen wird zurzeit nicht
empfohlen, trotz der Tatsache, dass auch im männlichen Urogenitaltrakt und im Oropharynx
das HPV für Karzinome verantwortlich gemacht wird.
Die vorliegende Studie untersucht die Besiedelung mit HPV oral und genital, ohne einen
Schwerpunkt auf die klinische Relevanz zu legen. Zwar wird das Vorkommen von klinischen
oralen Läsionen erwähnt, jedoch ist die Patientenzahl zu klein und das Follow-up von
7 Jahren zu kurz, um aus der Besiedelung auf die Inzidenz von Karzinomen zu schließen.
HPV-Impfung auch bei jungen Männern empfehlenswert?
Wie im zugehörigen Editorial Comment von Barbagli und Kollegen erwähnt (Barbagli G,
Sansalone S, Lazzeri M. Eur Urol 2012; 62: 1071–1073), stellt sich die Frage, warum
wir uns als Urologen damit beschäftigen sollten. Die Gründe sind vielfältig: Einerseits
sind wir mit dem Wissen um die genitale Übertragung des HPV in der Verantwortung,
unseren Patienten dieses Wissen weiterzugeben, dass es sich bei den gefährdeten Menschen
nicht nur um die Frauen handelt, sondern auch Männer durch HPV ein Karzinomrisiko
haben. Andererseits stellt sich die Frage, ob wir uns politisch dafür einsetzen sollten,
die Impfung auch bei Jungen bzw. jungen Männern zu empfehlen, um eine weitere Durchseuchung
der Bevölkerung zu vermeiden. Wenn dies gelingen sollte, sind wir die Ansprechpartner
sowohl für die Beratung wie auch die Durchführung der Impfung.
Nicht zuletzt benutzen wir die Mundschleimhaut als Material für rekonstruktive Eingriffe
an der Harnröhre. Ob eine HPV-Besiedelung der Mundschleimhaut eine klinische Relevanz
hat, wird in Zukunft diskussionswürdig sein.
HPV-Besiedlung der oralen Mucosa mit der des Genitaltrakts assoziiert
Zwar hat der Großteil der Männer mit HPV-Besiedelung der Mundschleimhaut auch eine
HPV Besiedelung im Genitaltrakt, aber nicht alle, d. h., dass wir wenigstens bei einem
Teil der Männer den HPV in den Genitaltrakt übertragen. Ob diese Übertragung im Verlauf
sowieso stattgefunden hätte, ist unklar. Und ob das zu einer Übertragung auf die Partnerinnen
führt, ist auch unklar, da diese sich auch vorher schon oral oder genital anstecken
können.
Abschließend bleibt die Frage nach der Konsequenz. Im Editorial Comment von Barbagli
et al. wird das präoperative Screening auf orale HPV empfohlen und bei Nachweis ein
Ausweichen auf andere Materialien zur Rekonstruktion. Das halte ich zum momentanen
Zeitpunkt für zu weit gegriffen. Die klinischen Auswirkungen der HPV-infizierten Mundschleimhaut
auf den Genitaltrakt für den Patienten und auch die Partnerinnen sind zurzeit noch
vollkommen unklar.
Wir haben zur Rekonstruktion der Harnröhre nach Ausschluß von Kontraindikationen zurzeit
kein besseres Material als die Mundschleimhaut und wissen um die Langzeitkomplikationen
nach Verwendung von Haut oder Vorhaut. Diese Mundschleimhaut bei präoperativem Nachweis
von HPV bei einer Durchseuchung der männlichen Bevölkerung nach der Studie von bis
zu > 30 % nicht zu verwenden, ist nach der derzeitigen Datenlage nicht vertretbar.
Weitere Studien zur Prävalenz von HPV und auch zur Inzidenz von Karzinomen nach Rekonstruktion
mit Mundschleimhaut der Patienten und deren Partnerinnen wären wünschenswert.
Dr. Silke Riechardt, Hamburg