Laryngorhinootologie 2013; 92(11): 725-731
DOI: 10.1055/s-0033-1348249
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gonosomale Trisomien. Fünf Fallberichte mit Literaturübersicht

Gonosomal Trisomy Syndrome. Five Case Reports and Review of Literature
C. Schwemmle
1   Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
,
M. Jungheim
1   Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
,
M. Ptok
1   Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
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Publication Date:
08 August 2013 (online)

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Zusammenfassung

Aneuploidien der Geschlechtschromosomen sind die häufigsten chromosomalen Auffälligkeiten bei Menschen und kommen in einer Häufigkeit bei 1:400 Individuen vor. Hierzu zählen auch die gonosomalen Trisomien (GT), im englischen Sprachraum sex chromosome trisomy (SCT) genannt. Sie bezeichnen das 3-fache Vorkommen von Geschlechtschromosomen (47,XXX, 47,XXY, 47,XYY). Bei Patienten mit gonosomalen Trisomien gibt es keine typischen Symptome, jedoch sind Dysmorphien und Besonderheiten im Längenwachstum beschrieben worden, außerdem sind Epilepsien und psychiatrische Auffälligkeiten sowie psychomotorische Retardierungen, Spracherwerbsstörungen und Kommunika­tionsstörungen aus dem autistischen Formenkreis bekannt. Speziell bei Spracherwerbsstörungen wenden sich die Patienteneltern zum Ausschluss einer Hörstörung möglicherweise als erstes an einen HNO-Arzt. Wir berichten über 4 Kinder und einen jungen Erwachsenen, die zur Beurteilung des Hörvermögens vorstellig wurden. Bei 2 Jungen (47,XXY; 47,XYY) und einem jungen Mann (47,XYY) war eine GT bereits vor der Vorstellung in domo bekannt, bei einem Mädchen und einem Jungen wurde die Diagnose durch eine humangenetische Untersuchung auf unsere Veranlassung gesichert (47,XXX; 47,XXY). Hauptsymptomatik war bei den 4 Kindern eine Spracherwerbsstörung (SES), bei dem jungen Erwachsenen bestanden Schwierigkeiten beim Hören im Störschall. Auch bei ihm war eine allgemeine Entwicklungsretardierung und Spracherwerbsstörung bekannt. 2 der Patienten hatten zusätzlich diskrete faziale Auffälligkeiten. Unsere Fallberichte sollen ermutigen, bei fazialen Auffälligkeiten, Entwicklungsauffälligkeiten und Spracherwerbsstörungen auch gonosomale Trisomien differenzialdiagnostisch mit einzubeziehen.

Abstract

Gonosomal Trisomy Syndrome. Five Case Reports and Review of Literature

Gonosomal trisomies (GT) or so called sex chromosome trisomies (SCTs) are the most common chromosomal abnormalities in humans. The addition of extra X and/or Y chromosomes leads to neurodevelopmental differences, with increased risk for developmental delays, cognitive impairments, executive dysfunction, and behavioural and psychological disorders. Attentional problems, hyperactivity, autistic spectrum disorders and impulsivity are commonly described. Rates of language and communication problems are high in all 3 trisomies. Especially in cases of language impairment ENT specialists may be the main contact to rule out hearing loss. Here, we present 5 patients with SCT. In 2 boys and a young man, SCT was already known (47,XXY; 47,XYY; 47,XYY), in 2 cases we initiated genetic investigation (47,XXX; 47,XXY). Main symptom of the 4 children was a language delay; the young man reported had a history of mild language and motor coordination delay, too. Main complaints of the adult patient were problems with speech-in-noise perception. Furthermore 2 of the patients had mild facial dysmorphic features. The prognosis of the development in patients with SCT is variable, depending on severity of the manifestations and on quality and timing of treatment. Furthermore, in children with motor development/language delay a chromosomal analysis may be initiated at least at the request of the parents to clarify the etiology of developmental abnormalities. If the suspicion of hearing impairment as the cause of problems is not confirmed in a patient, ENT specialists should also consider SCA as a possible cause in the differential diagnosis.