ergopraxis 2013; 6(06): 10-11
DOI: 10.1055/s-0033-1348926
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Publication Date:
07 June 2013 (online)

 

GKV-Spitzenverband – Gesundheitszitrone des Monats

Der Bayerische Hausärzteverband hat ein Instrumentarium entwickelt, um aus seiner Sicht auf schlimmste Auswüchse im deutschen Gesundheitssystem aufmerksam zu machen - die Gesundheitszitrone des Monats. Im April erhielt sie der GKV-Spitzenverband. Begründung: Die Website des Spitzenverbandes sei eine anonyme Denunziationsplattform, auf der man anonym Ärzte anschwärzen könne. Dem Hausärzteverband missfällt die einseitige Darstellung auf der Website, die das Vorurteil schüre, Ärzte seien korrupte Betrüger. Und ihm stößt der Ton auf. So ist von „Hinweis auf ein Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ die Rede. Korrekterweise müsste dort „mutmaßliche Hinweise“ stehen. Zudem wird nach Tatort und Tatzeit gefragt.

Der Hausärzteverband stellt klar: Fehler gehören abgestellt, Betrügereien bestraft. Doch Hinweise müssen offen erfolgen, mit Namen und Fakten. Nur so lassen sich Vorwürfe wirklich überprüfen.

Auf der Website können übrigens auch Angaben zu Therapeuten gemacht werden.

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Ab Herbst 2013 – Forschen lernen an der MHH

Herr Prof. Gutenbrunner, was reizt Sie als Arzt, einen Masterstudiengang für Ergound Physiotherapeuten zu leiten?

Mir macht es Spaß, etwas Neues zu entwickeln. Zudem sprechen wir in der Rehabilitation von einer teamintegrierten Arbeit am Patienten und verstehen Rehabilitation als wissenschaftliches Fach. Deshalb brauchen wir auf allen Ebenen Mitarbeiter, die wissenschaftlich aus- bzw. weitergebildet sind, also auch Ergo- und Physiotherapeuten, die wissenschaftlich tätig sein können. Darauf zielt unser Masterstudiengang ab.

Was ist Schwerpunkt des Studiengangs?

Wir haben drei Schwerpunkte: Der erste ist die Forschungsorientierung. Die Studierenden sollen in die medizinische Forschung gehen - von der Grundlagenforschung über Epidemiologie bis hin zur klinischen Forschung, die vom Patientenproblem ausgeht. Als Zweites wollen wir methoden- und technikübergreifend arbeiten. Wir schauen uns beispielsweise in einem Block die Pathophysiologie von Krankheiten und die Therapiekonzepte an und reflektieren kritisch, welche Therapieform auf welche Mechanismen abzielt. Der dritte Punkt ist die klinikorientierte Praxis. Wir werden natürlich viel mit Patienten aus den Abteilungen arbeiten und wissenschaftliche Fragestellungen direkt am Patienten herleiten.

Ich gehe davon aus, dass wir Forschungsprojekte in der Frührehabilitation, aber auch auf Intensivstation machen. Beispielsweise an Patienten während der Beatmung. Was führt zu besseren Ergebnissen: teamintegriert zu behandeln? Physiotherapie einmal am Tag versus dreimal am Tag?

Was waren für die MHH die Beweggründe für diesen Masterstudiengang?

Die MH war beteiligt an der Diskussion im BMBF und im Gesundheitsforschungsrat. Dort wurde die Forderung aufgestellt, dass unter anderem die akademischen Ausbildungen von Gesundheitsfachberufen an Universitäten stattfinden sollen und die Möglichkeit zur Promotion gegeben sein muss. Zudem wurde der forschungsorientierte Ansatz klar gefordert, damit Therapeuten auch wissenschaftlich tätig sein können. Ein anderer Aspekt ist, dass auf den Universitäten ein Druck lastet, die Zahl der Studienplätze insgesamt auszuweiten.

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Prof. Dr. Gutenbrunner bildet seit Jahrzehnten Mediziner aus und unterrichtet an Berufsfachschulen. Ab Herbst betritt er Neuland und wird an der MHH den Masterstudiengang für Ergound Physiotherapeuten leiten. Andrea Bökel steht ihm als Studiengangskoordinatorin zur Seite.
(Foto: MH/Kaiser Mehr)

Werden andere Universitäten nachziehen?

Das ist schwer einzuschätzen. Ich persönlich glaube, dass es kommen wird, weil das in vielen anderen europäischen Ländern wie den Niederlande, aber auch außereuropäischen Ländern wie Australien, Kanada und US A bereits der Fall ist. Da hinkt Deutschland etwas hinterher. Auf der anderen Seite gibt es Gegenwind, wie die Schließung des Masterstudiengangs an der Universität Marburg zeigt.

Wie wird die MHH davon profitieren, dass sie forschungskompetente Therapeuten hat?

Es wird sich das wissenschaftliche Niveau heben. Die MH wird ihr Forschungsprofil schärfen. Das BMBF hat beispielsweise ein Forschungsprojekt ausgeschrieben, das ausdrücklich eine Beteiligung von Gesundheitsfachberufen wünscht. Möglicherweise schneiden wir dann im Konkurrenzkampf um die Forschungsanträge besser ab. Und natürlich werden wir langfristig die Forschung in der Rehabilitationsmedizin der MH fördern.

Warum brauchen wir Ergo- und Physiotherapeuten mit wissenschaftlicher und interdisziplinärer Denkweise?

Wenn medizinische Interventionen evidenzbasiert sein müssen, dann brauchen wir Forschung. Und die muss auch aus den Berufsgruppen selbst kommen. Zudem müssen sich Interventionsformen und Behandlungskonzepte weiterentwickeln. Das geht ohne Reflexion und wissenschaftliches Arbeiten nicht.

Sie werben mit einem außerordentlich günstigen Verhältnis von Lehrenden zu Studierenden. Wie sieht das konkret aus?

Ich komme aus dem Massenstudienbereich der Medizin, wo wir 250 bis 300 Studierende im Hörsaal sitzen haben. Das ist bei diesem Studiengang mit 20 bis 22 Studierenden anders. Wir haben viel Seminararbeit und Praktika, zum Beispiel auch in Forschungslaboren. Wir arbeiten viel am Patienten und in Kleingruppen und haben Teambesprechungen.

Der Studiengang arbeitet mit interessanten Instituten wie Biometrie, Molekularbiologie und Epidemiologie zusammen.

Ja. Das ist mir sehr wichtig. Wir nutzen die MH in ihrer ganzen Breite. Ein Schwerpunkt kommt natürlich aus der Klinik für Rehabilitationsmedizin, das ist fachlich und inhaltlich begründet. Für die anderen Fächer holen wir uns die Spezialisten der MH heran. Wir haben ein sehr gutes Institut für Biometrie, das die quantitative Forschung macht. Wir haben Experten für qualitative Forschung im Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung. Wir haben die Physiologie und die Sportmedizin im Boot, die beide sehr forschungsorientiert sind. Und es werden unsere Universitätsprofessoren aus den klinischen Abteilungen, aber auch aus der Grundlagenforschung als Dozenten mit dabei sein.

Warum sollten die Therapeuten den Master an der MHH machen?

Wir haben ein sehr spezifisches Profil. Wenn jemand aktiv in die medizinische Forschung möchte und sehr patientenorientiert arbeiten will, dann ist er bei uns richtig. Wenn jemand mehr in die sozialwissenschaftliche Richtung gehen will und sich mit Fragen des Gesundheitssystems oder der Theoriebildung im Beruf beschäftigen möchte, sind andere besser.

Kosten die Medizinstudiengänge auch Geld?

Nur die Semesterbeiträge. Der neue Studiengang ist ein sogenannter Weiterbildungsmaster. Dafür haben wir vom Land keinen gesonderten Etat bekommen und müssen uns deshalb weitestgehend selbst finanzieren - ohne weitere Gebühren könnten wir das im Augenblick nicht. Auf unserer Tagesordnung steht aber eine Finanzierung über Stipendien.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass wir in der Rehabilitationsmedizin ein höheres wissenschafliches Niveau erreichen. Und natürlich, dass es wissenschaftliche Publikationen aus therapeutischer Feder auch aus Deutschland gibt.

Das Gespräch führte Elke Oldenburg.

STECKBRIEF

Forschungsorientierter Masterstudiengang

Ort: Medizinische Hochschule Hannover (MH)

Studiengangsleitung: Prof. Dr. Christoph Gutenbrunner, Chefarzt der Klinik für Rehabilitationsmedizin an der MH

Start: Wintersemester 2013

Bewerbungsfrist: 15. Juli

Dauer: vier Semester

Abschluss: Master of Science, 120 ECTS -Punkte

Studienplätze: 20 Vollzeit- und 4 Teilzeitplätze für Ergo- und Physiotherapeuten

Voraussetzung: Bachelorabschluss und ein Jahr Berufserfahrung

Gebühren: 2.250 Euro pro Semester zzgl. Semesterbeiträge

Infos: im Internet unter www.mh-hannover.de/mep.html


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Prof. Dr. Gutenbrunner bildet seit Jahrzehnten Mediziner aus und unterrichtet an Berufsfachschulen. Ab Herbst betritt er Neuland und wird an der MHH den Masterstudiengang für Ergound Physiotherapeuten leiten. Andrea Bökel steht ihm als Studiengangskoordinatorin zur Seite.
(Foto: MH/Kaiser Mehr)