ergopraxis 2013; 6(06): 12-13
DOI: 10.1055/s-0033-1348927
wissenschaft
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Masterstudium – Meisterhafte Möglichkeiten

Florence Kranz

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Publication Date:
07 June 2013 (online)

 

Die meisten Ergotherapeuten stürzen sich nach ihrem staatlichen Abschluss erst einmal ins Berufsleben. Einige von ihnen treibt der Wissenshunger früher oder später ins Bachelorstudium. Und für die Unersättlichen stehen jede Menge Masterangebote bereit. Vier Ergotherapeutinnen sind diesen Weg auf ganz unterschiedliche Weise gegangen.


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Florence Kranz

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Florence Kranz, Ergotherapeutin, hat sich nach langem Suchen für den Masterstudiengang „Gesundheitsmanagement“ an der Universität Koblenz-Landau entschieden. Einerseits, um neue Kompetenzen in den Bereichen Gesundheitsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und Management aufzubauen. Andererseits, weil sie diesen onlinebasierten Fernstudiengang prima mit ihrer Rolle als Mama vereinbaren kann.

Lebenslanges Lernen dient vielen Ergotherapeuten als Motto und bewegt sie dazu, sich ständig weiterzuentwickeln [1, 2]. Die meisten nutzen fachspezifische Weiterbildungen, einige qualifizieren sich akademisch weiter. Dieser erste akademische Grad öffnet wiederum Türen, die direkt oder auf Umwegen ins Masterstudium führen können. Diese Option scheint insgesamt für Bachelorabsolventen reizvoll zu sein. Denn mehr als die Hälfte von ihnen nimmt tatsächlich ein Masterstudium auf [3].

Die eigene Profession ergründen

Für die Ergotherapeutin Tanja Klein fühlte es sich nach ihrem Bachelorabschluss „nicht fertig“ an. Sie hatte viele offene Fragen im Bereich Forschung und wollte sich tiefer „mit den Wurzeln und der Wirkungsweise unseres Berufes auseinandersetzen“. Daher entschied sie sich für den ergotherapiespezifischen European Master of Science, den die niederländische Hogeschool van Amsterdam koordiniert [4]. Auch in Claudia Trickes hatte das Bachelorstudium ein Feuer für die Forschung entfacht. Deshalb suchte sie im Masterstudiengang „Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie“ an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim nach weiterem Brennstoff.

Möchte man sich wie die beiden Therapeutinnen tiefergehend mit Ergotherapie, also der therapeutischen Wirkung und Dynamik von Handlungen oder Occupational Science beschäftigen, trifft man in Deutschland und seinen Nachbarländern auf ein begrenztes Studienangebot. Allerdings scheinen sich verhältnismäßig wenig Ergotherapeuten für diesen Weg zu entscheiden. So geht der DVE auf der Grundlage eigener Erhebungen aktuell von 30 Absolventen ergotherapeutischer Masterstudiengänge in Deutschland aus [6]. Den Bachelorabschluss haben derzeit etwa 2.500 deutsche Ergotherapeuten absolviert.


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Die Qual der Wahl

Streben Ergotherapeuten hingegen einen professionsübergreifenden Studienabschluss an, müssen sie sich durch einen unübersichtlichen Dschungel an Angeboten kämpfen. Denn alleine in Deutschland gibt es über 6.000 Masterstudiengänge [7]. Für Ergotherapeuten mit dem ersten akademischen Abschluss kommen vielfältige Angebote in Frage: Das Spektrum reicht von pädagogisch-, management- und beratungsorientierten Studiengängen über Public Health bis hin zu Masterstudiengängen für spezielle Fachbereiche, zum Beispiel Neuroscience.

Mehr als jeder zweite Bachelorabsolvent nimmt ein Masterstudium auf.

Bisher besteht keine Möglichkeit, sich aus einer Quelle umfassend über alle Studienangebote zu informieren [8]. Einen ersten Überblick bieten spezielle Datenbanken wie www.mastermap.de, www.mastersportal.eu oder www.hochschulkompass.de. Außerdem informiert die Akkreditierungsagentur AQAS unter www.aqas.de darüber, welche deutschen Masterstudiengänge die erforderlichen Qualitätskriterien erfüllen.


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Berufliche Perspektiven erweitern

Um einen passenden Studiengang zu finden, kann man sich zunächst von seinen beruflichen Interessen leiten lassen. Welche Kompetenzen möchte man erwerben, welche neuen Arbeitsfelder erschließen? Ergotherapeutin Katharina Pucher entschied sich beispielsweise für den Masterstudiengang „Pädagogik und Management in der Sozialen Arbeit“ an der Fachhochschule Köln, da sie die interdisziplinäre Ausrichtung reizte. Außerdem wollte sie neues Know-how in den Schwerpunktbereichen des Studiums aufbauen. Für Esther Wendel stand ebenso der Wunsch im Vordergrund, den Blickwinkel über die Ergotherapie hinaus zu erweitern und sich für die berufliche Zukunft Alternativen zu eröffnen. Ihre damalige Arbeit in einer Akutpsychiatrie hatte in ihr das Bedürfnis geweckt, sich ressourcenorientiert mit gesundheitsbezogenen Fragestellungen zu beschäftigen. Daher nahm sie ein Masterstudium in integrativer Gesundheitsvorsorge und -förderung an der Privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT) Hall in Tirol, Österreich, auf.


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Rahmenbedingungen klären

Hat man sich inhaltlich orientiert, gilt es, die nächste Hürde zu überwinden: die Zugangsvoraussetzungen. Um ein Masterstudium aufnehmen zu können, benötigt man in der Regel einen akademischen Erstabschluss [8]. Dabei legen die Studienordnungen oftmals fest, in welchen Fachbereichen und mit welcher Mindestnote die Bewerber ihr Bachelorstudium abgeschlossen haben sollten. Seit der Kultusministerkonferenz im Februar 2010 dürfen konsekutive Masterstudiengänge auch fachfremde Bachelorabsolventen aufnehmen, während weiterbildende Masterstudiengänge Berufserfahrung bei ihren Studenten voraussetzen [7].

Wie Esther und Tanja nutzen immer mehr deutsche Studierende die Möglichkeit, ihr Studium oder Teile davon im Ausland zu absolvieren [10]. Tanja beispielsweise führte den European Master in englischer Sprache durch und besuchte Veranstaltungen an vier verschiedenen europäischen Hochschulen. Solche Rahmenbedingungen erfordern ein hohes Maß an Flexibilität und Organisationstalent. Aber das hat sich für Tanja gelohnt: Sie lernte Kommilitonen aus vielen Ländern kennen und erhielt einen spannenden Einblick in die Ergotherapie über den deutschen Tellerrand hinaus.


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Die eigenen Ressourcen einschätzen

Das Masterstudium sollte nicht nur inhaltlich zu einem passen, es muss sich auch mit der eigenen Lebenssituation vereinbaren lassen. Daher wählte Katharina ganz bewusst einen Studiengang in der Nähe ihres Wohnortes aus, den sie gut erreichen und mit Kind organisieren konnte.

Das Studium muss inhaltlich und zur Lebenssituation passen.

Für Ergotherapeuten, die das Studium durch ihre Arbeit finanzieren wollen, kommen meist nur berufsbegleitende Masterangebote in Frage. Diese dauern in der Regel ein bis drei Jahre und schließen mit 60 bis 120 Credit Points ab [8]. Allerdings sollte man die Doppelbelastung nicht unterschätzen. Esther erinnert sich: „Da gab es mehrfach Momente, an denen ich mich gefragt habe, ob ich diesen Weg wirklich weiter gehen soll. Letztlich hat sich das Durchhalten aber rentiert.“ Auch Tanja kam während des Masterstudiums an ihre Belastungsgrenzen. Trotzdem würde sie sich wieder dafür entscheiden: „Das Studium hat sich deutlich auf meine berufliche Identität und mein tägliches Handeln ausgewirkt.“


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Einen Meilenstein erreichen

Masterstudiengänge führen zu unterschiedlichen Abschlüssen. Während der Master of Science eher theoretisch angelegt ist, konzentriert sich der Master of Arts etwas stärker auf anwendungsbezogene Inhalte. MBA-Programme (Master of Business Administration) sind sehr praxisnah ausgerichtet und wenden sich vorrangig an berufserfahrene Praktiker [9].

Unabhängig von Titeln und Fachrichtungen wirkt sich ein Masterstudium oft positiv auf die beruflichen Perspektiven aus. Laut einer hochschulübergreifenden Befragung bezeichnen 86 Prozent der Masterabsolventen ihre berufliche Situation eineinhalb Jahre nach ihrem Abschluss als angemessen. Zudem verdienen sie oftmals mehr als Berufstätige mit anderen Studienabschlüssen wie Diplom oder Bachelor [3]. Leider kommt es auch mit Mastergrad nicht zwingend zu einem Karrieresprung. So empfindet es Claudia trotz Mastertitel „extrem schwer, außerhalb der normalen Praxis - also im wissenschaftlichen Bereich - Fuß zu fassen“. Die anderen drei Ergotherapeutinnen haben bereits stärker von ihrer akademischen Weiterbildung profitiert. Esther und Tanja arbeiten als Dozentinnen an der niederländischen Zuyd Hogeschool in Heerlen, während Katharina die Koordination ihres Masterstudienganges übernommen hat. Ein Mastergrad kann also in vielerlei Hinsicht bereichernd sein. Vor allem stellt er aber eines dar: einen Meilenstein auf dem Weg des lebenslangen Lernens, der neue Blickwinkel und Möglichkeiten eröffnet.


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