Diabetes aktuell 2013; 11(04): 176-177
DOI: 10.1055/s-0033-1349917
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deutsche Ergebnisse von DAWN2™ – Diabetes-Management: Erhebliche Belastung von Familienangehörigen

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Publication Date:
08 July 2013 (online)

 

Ein Leben mit Diabetes und das Management der chronischen Erkrankung schränkt die Lebensqualität ein. Dies gilt sowohl für Menschen mit Diabetes selbst als auch für ihre Angehörigen – so die ersten deutschen Ergebnisse der DAWN2™ Studie (Diabetes Attitudes, Wishes and Needs). Die Daten unterstreichen auch, dass die Familie die wichtigste Quelle der Unterstützung für Menschen mit Diabetes ist. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass die Einbeziehung und die Unterstützung der Angehörigen verbesserungsbedürftig sind. Die mithilfe von DAWN2™ gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, die Barrieren, die einem erfolgreichen Management der Stoffwechselerkrankung im Weg stehen, zu identifizieren und zu überwinden.

360°-Blickwinkel ergibt umfassendes Bild

Medikamentöse Optionen zur Behandlung von Menschen mit Diabetes werden in zahlreichen Studien untersucht. Die Lebensqualität der Patienten und ihres sozialen Umfeldes stehen hingegen weit weniger im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Deshalb hat die IDF (International Diabetes Federation) in Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen und mit Unterstützung von Novo Nordisk im vergangenen Jahr – 10 Jahre nach der DAWN™ Studie – eine weitere umfassende Studie initiiert: Die weltweit in 17 Ländern, zwischen März und September 2012 durchgeführte Befragung beleuchtet die Erfahrungen und die Bedürfnisse von Menschen mit Diabetes, deren Angehörigen sowie von Behandlern und Vertretern von Politik und Krankenkassen (Abb. [ 1 ]). Mit über 15 400 Teilnehmern ist DAWN2™ die größte Studie dieser Art. Sie zeigt erstmals in einem 360°-Blickwinkel ein umfassendes Bild der Situation von Menschen mit Diabetes, ihren Erfahrungen und Einstellungen gegenüber der Erkrankung sowie ihrer "Bewältigungsstrategien".

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Abb. 1 DAWN2™: 360°-Perspektive mit Menschen mit Diabetes im Mittelpunkt.

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Diabetes schränkt die Lebensqualität ein

Die Auswertung der Teilnehmer aus Deutschland (Abb. [ 2 ]) macht deutlich, dass Diabetes auch hierzulande die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen erheblich beeinträchtigt. So gab mehr als ein Drittel (35–39 %) der Angehörigen zu Protokoll, sich durch den Diabetes des Familienmitglieds in seiner Lebensqualität eingeschränkt zu fühlen[ 1 ]. Die Stoffwechselerkrankung beeinflusst dabei – in unterschiedlichem Ausmaß – insbesondere das emotionale Wohlbefinden der Angehörigen, die Freizeitaktivitäten sowie die finanzielle Situation. Das emotionale Wohlbefinden kann dabei bis hin zur klinisch relevanten Depression negativ verändert sein: 18–27 % der Angehörigen gaben ein reduziertes Wohlbefinden an, die Rate wahrscheinlich klinisch relevanter Depressionen lag zwischen 12 und 13 %. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität der Angehörigen ist damit fast genauso hoch wie die der Menschen mit Diabetes selbst: Von diesen berichteten 21–27 % über ein reduziertes Wohlbefinden und 9–20 % über eine wahrscheinliche Depression[ 2 ]. Diese Werte liegen damit deutlich über denen der Normalbevölkerung und lassen sich auf die Belastungen, Sorgen und Ängste, die der Diabetes mit sich bringt, zurückführen.

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Abb. 2 Studiendesign Deutschland – DAWN2™. Quelle: [ 1 ]

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Angst vor Folgeerkrankungen und Hypoglykämien

Die größten Ängste auf Seiten der Angehörigen stehen in Zusammenhang mit Unterzuckerungen: 60–65 % gaben an, sich vor möglichen Hypoglykämien zu fürchten. 56–69 % bereiten insbesondere die nächtlichen Unterzuckerungen Sorgen.

Der Zusammenhang zwischen einem guten Management der Erkrankung und dem Risiko von Folgekomplikationen ist bekannt: Die überwiegende Mehrheit der Angehörigen (82–92 %) weiß, welche Chancen ein gutes Diabetes-Management bietet. Dennoch macht sich ein Drittel der Angehörigen (31–34 %) Sorgen um mögliche ernsthafte Folgekrankheiten ihres Menschen mit Diabetes.

Abgefragt wurde zudem, in welchem Bereich sich Angehörige bei entsprechender Schulung/Unterstützung gerne verbessern würden. Hier gibt vor allem das Körpergewicht der Patienten für die Mehrzahl der Angehörigen (56–58 %) Anlass zur Sorge. Als wichtigste Punkte in der Verbesserung des Diabetes-Managements nannten die Angehörigen eine gesündere Ernährung, mehr körperliche Betätigung und das Erreichen oder die Beibehaltung eines gesunden Körpergewichts.


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Unterstützung durch Angehörige wird positiv gesehen

Menschen mit Diabetes wissen die Unterstützung durch ihre Angehörigen zu schätzen und empfinden diese überwiegend als positiv. So gaben mehr als die Hälfte der Menschen mit Typ-1-Diabetes (57 %) und mehr als drei Viertel der Menschen mit Typ-2-Diabetes (78 %) an, dass sie mit der Unterstützung durch ihre wichtigste Bezugsperson innerhalb der Familie zufrieden sind (Abb. [ 3a ]). Aber auch die Angehörigen stehen zu ihrem Engagement: 54–60 % von ihnen wollen die Unterstützung beibehalten, 33–40 % sogar weiter ausbauen (Abb. [ 3b ]). Besonders wichtig ist es den Angehörigen dabei, den Menschen mit Diabetes, der ihnen nahe steht, beim Umgang mit den Gefühlen bezüglich seiner Erkrankung zu unterstützen. Hier beabsichtigen 38–47 % der Angehörigen, ihr Engagement zu verstärken (Abb. [ 3b ]).

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Abb. 3 Unterstützung durch Angehörige. Quelle: nach [ 1 ]

Dass die Angst der Angehörigen vor Unterzuckerungen nicht hypothetisch ist, sondern eine ganz reale Herausforderung darstellt, machen die folgenden Zahlen deutlich: Fast ein Fünftel der befragten Angehörigen (17–19 %) leistet mehrmals pro Monat Hilfe bei Hypoglykämien. Das Problem dabei: Viele Angehörige sind beim Umgang mit Hypoglykämien sehr unsicher (29–37 %).


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Schulung von Angehörigen verbesserungsbedürftig

Generell sind unter den Angehörigen Verunsicherung und Frustration oft groß, weil sie nicht wissen, wie sie dem Menschen mit Diabetes am besten helfen können (27–40 %). Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass der Großteil der Angehörigen (66–71 %) noch nie an einem Diabetes-Schulungsprogramm teilgenommen hat. Die Angehörigen wünschen sich mehr Informationen bzw. Schulungen zu Ernährung (47–60 %), der besten medikamentösen Therapie (38–48 %) und insbesondere darüber, wie sie den Angehörigen mit Diabetes unterstützen können (54–58 %).


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Fazit

Nicht nur Menschen mit Diabetes selbst, sondern auch ihre Familienangehörigen sind durch die Stoffwechselerkrankung in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt. Die Unterstützung der Menschen mit Diabetes durch Familienangehörige ist nach DAWN2™ sehr wichtig und soll oft noch verstärkt werden. Fast zwei Drittel der Befragten sorgt sich um (nächtliche) Hypoglykämien. Mit dem Ausbau von Diabetes-Schulungen für Familienangehörige könnten bestehende Unsicherheiten bei der Unterstützung der Menschen mit Diabetes abgebaut werden.

Monika Walter, München

Der Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz.


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1 Zahlen für Familienangehörige: befragte Gruppen "Familienmitglied von Angehörigem mit Insulinbehandlung" und "Familienmitglied von Angehörigem ohne Insulinbehandlung".


2 Zahlen für Menschen mit Diabetes: befragte Gruppen "Menschen mit Typ-1-Diabetes", "Menschen mit Typ-2-Diabetes, keine Medikation", "Menschen mit Typ-2-Diabetes, Therapie ohne Insulin" und "Menschen mit Typ-2-Diabetes, Insulintherapie".


  • Literatur

  • 1 Peyrot M et al. für die Global DAWN2 (Diabetes Attitudes Wishes and Needs) Study Group: A multinational, multi-stakeholder study of psychosocial issues in diabetes and person-centred diabetes care. Diabetes Res Clin Pract 2013; 99: 174-184

  • Literatur

  • 1 Peyrot M et al. für die Global DAWN2 (Diabetes Attitudes Wishes and Needs) Study Group: A multinational, multi-stakeholder study of psychosocial issues in diabetes and person-centred diabetes care. Diabetes Res Clin Pract 2013; 99: 174-184

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Abb. 1 DAWN2™: 360°-Perspektive mit Menschen mit Diabetes im Mittelpunkt.
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Abb. 2 Studiendesign Deutschland – DAWN2™. Quelle: [ 1 ]
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Abb. 3 Unterstützung durch Angehörige. Quelle: nach [ 1 ]